Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, sitzt hinter seinem prächtigen Schreibtisch in seinem pompösen Rathaus auf der Piazza Pretoria in Palermo. Er ist international bekannt, weil er Palermo in über zwei Jahrzehnten im Amt von der Hauptstadt der Mafia zur sichersten Stadt Italiens machte, die Palermo heute laut Kriminalstatistik ist. Er wird gerade außerdem viel gelobt, weil seine Stadt bei Touristen immer beliebter wird und weil er Geflüchtete mit offenen Armen empfängt. Und vielleicht wird man eines Tages auch noch über Orlando sagen, dass er den Fußballverein von Palermo rettete. Er sagt, dass er vor dieser Saison in den letzten Jahren nur ein einziges Mal im Stadion gewesen sei und das auch nur, weil ein Erzbischof ihn dazu eingeladen hatte und er nicht ablehnen konnte. Ein Fan ist er trotzdem, deshalb hat er sich der Sache angenommen, als es dem berühmtesten Fußballklub Siziliens vor kurzem sehr schlecht ging. „Diesen Sommer war die Leidenschaft leer und die Tifosi waren müde", sagt der Bürgermeister, der wegen seiner großen Augenringe selbst immer ein wenig müde aussieht. „Also musste ich entscheiden."
Und weil er das tat, vibriert an diesem Sonntag im Stadio Renzo Barbera, das so zauberhaft schmuddelig wie die Stadt selbst ist, die Luft vor Vorfreude. Palermo hat die ersten fünf Spiele der Saison gewonnen und führt die Tabelle an. Die Fans singen auf die Melodie des italienischen Sommerhits „Ostia Lido" einen abgewandelten Text. Er geht in etwa so: „Wen kümmert es schon, dass du jetzt pleite bist. Wir bleiben zusammen, wir sind noch hier, das steht fest." Dann hüpfen alle, Kinder und Erwachsene mit rosa Schals, manche lachen dabei, vielleicht weil das Schlimmste doch überstanden sein sollte. Oder angesichts der Tatsache, dass sie sportlich gesehen den tiefsten Punkt in der Geschichte des Fußballvereins von Palermo erreicht haben und sich auch nicht mehr anders zu helfen wissen. Hinter ihnen die Berge, das Meer nicht weit, das Spiel beginnt, und wäre alles nicht so schrecklich schwarz gewesen in den vergangenen Monaten, wäre das hier ein schöner, zartrosa Moment. 40 Trainer in 15 Jahren Es ist noch gar nicht so lange her, da ging es dem Klub eigentlich prächtig. US Palermo spielte jahrelang in der Serie A, erreichte den Uefa-Cup, Spieler wie Luca Toni, Javier Pastore, Edinson Cavani und Paulo Dybala wurden günstig verpflichtet und teuer verkauft. Allerdings hatte der Klub mit Maurizio Zamparini einen Präsidenten, über den nicht nur die Fans in Palermo den Kopf schüttelten. In 15 Jahren feuerte er 40 Trainer. Wenn er öffentlich auftrat, scherzte oder schimpfte er, je nach Laune, als hätte er soeben entweder sein gesamtes Vermögen verdoppelt oder es komplett verspielt. Deshalb hielt sich die Trauer in Grenzen, als er US Palermo, zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer der Serie B, im Dezember 2018 für symbolische zehn Euro verkaufte. Die Anhänger hatte er schon länger verloren. Doch wer wirklich hinter dem Londoner Unternehmen Global Futures Sports and Entertainment stand, dem US Palermo fortan gehörte, blieb unklar. Die unbekannten Engländer versprachen Investitionen, ein neues Stadion und übernahmen die Schulden des Vereins.
Doch schon im Februar 2019, nach nicht einmal zwei Monaten, wollten sie den Klub schon wieder loswerden. Die Spielergehälter konnten nicht länger bezahlt werden, die Lage schien aussichtslos, dem Verein drohte ein Punktabzug. Der Präsident des Erstligisten CFC Genua wollte Palermo zwar kaufen, hätte dafür aber erst Genua verkaufen müssen, also platzte der Deal. Ein Unternehmer aus Palermo half erstmal aus und zahlte die fehlenden 2,8 Millionen Euro für die Gehälter, im Gegenzug bekam er die Werberechte des Vereins für vier Jahre.