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Merkel-Kritiker als CDU-Hoffnungsträger

Während in der CDU in Deutschland der Druck auf Parteichefin Angela Merkel steigt, mit der Besetzung der Kabinettsposten ein Zeichen der Neuaufstellung zu setzen, wird bereits über ihre mögliche Nachfolge spekuliert. Der konservative bisherige Finanzstaatssekretär Jens Spahn wird dabei oft als Erster genannt, wenn es um die aussichtsreichsten Bewerber geht.

Mit einer Kampfkandidatur eroberte sich der 37-jährige Westfale vor zwei Jahren einen Platz im Präsidium. Sechs Monate später folgte der Aufstieg zum Staatssekretär im Finanzministerium. Der Youngster mit römisch-katholischem Glauben steht für viele in der Union für die neue Generation der Konservativen.


  Liebling der Medien


Spahn gilt als ehrgeizig und gut vernetzt. Der mit einem Journalisten der „Bunte" verheiratete Politiker ist zudem keineswegs medienscheu. Im westfälischen Wahlkampf im vergangenen Jahr eilte er von Termin zu Termin, trat in Talkshows auf, ließ sich im Radio interviewen. Selbst im Flaggschiff der deutschen TV-Satire, der ZDF-„heute-show", war Spahn vor einigen Monaten als Gast eingeladen - eine Ehre, die sonst praktisch nie einem Politiker zuteil wird.


Mit Äußerungen zum Islam, dem Burkaverbot oder Kinderehen bediente er in der Vergangenheit Themen, bei denen sich die Konservativen in der CDU vernachlässigt fühlten. Mit seiner Forderung nach einem Islamgesetz und damit gesetzlichen Vorgaben für muslimische Gemeinden in Deutschland beherrschte er wochenlang die Einwanderungsdebatte.


  Scharfer Kritiker von Merkel


Spahn gilt zugleich als einer der profiliertesten innerparteilichen Kritiker von Merkel. Die „Morgenpost" bezeichnet ihn als Merkels „härtesten Kritiker". So machte er hauptsächlich Merkels „verfehlte Flüchtlingspolitik" für die Verluste der CDU bei der deutschen Bundestagswahl im vergangenen September verantwortlich.

Er prangerte auch die hohe Kriminalitätsrate von „Migranten aus dem Maghreb und Osteuropa" an. In Bezug auf die sexuellen Belästigungen und Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16 in Köln durch Migranten, die vorwiegend aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum kamen, sagte Spahn etwa gegenüber Medien: „Die deutsche Gesellschaft läuft Gefahr, antisemitischer, schwulenfeindlicher, machohafter und gewaltaffiner zu werden, als sie bisher ist."


  Auf einer Linie mit Bundeskanzler Kurz


Da er in der Flüchtlingskrise auf Distanz zur Parteiführung um Merkel ging, wird er in deutschen Medien oft mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verglichen. Wie Kurz könnte auch Spahn einen Generationswechsel in der Politik einläuten.

Zuletzt trafen sich die Politiker auf dem Wiener Opernball. Dabei verbinden sie nicht nur politische Positionen, sondern auch eine enge Freundschaft, wie deutsche Medien schreiben.


  Ruf nach Nachfolgeregelung in CDU

In der CDU wird der Druck auf Merkel stärker, ihre Nachfolge zu regeln. Zuletzt machte sich der ehemalige hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch auch für Spahn stark, der für ihn zum Führungsnachwuchs zähle, so Koch gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er halte es nicht für sinnvoll, mit einem Wechsel an der Parteispitze bis zur nächsten Wahl zu warten.

In einem Interview mit der „Presse" sprach Spahn offen über die Zeit nach Merkel. Auf die Frage, ob die Partei für eine Ära nach Merkel gerüstet sei, antwortete er: „Ja". Nach seiner Erfahrung habe sich selbst für den Fall immer jemand gefunden, dass sofort das Ruder übernommen werden musste.


  Generalsekretär Tauber geht


Zurzeit stellt sich zunächst einmal die Frage, ob und wie der CDU-Hoffnungsträger in Merkels Regierungsteam vorkommen wird. Nach heftiger parteiinterner Kritik kündigte die Kanzlerin an, bei der Besetzung der Kabinettsposten mit einer „neuen Mannschaft" anzutreten.


Ein nun fix neu zu besetzender Posten ist seit Sonntag jener des Generalsekretärs: Der seit längerer Zeit erkrankte bisherige Generalsekretär Peter Tauber kündigte an, sich von seinem Amt zurückziehen zu wollen. Tauber hatte das Amt des CDU-Generalsekretärs 2013 übernommen. Der CDU-Politiker aus Hessen sitzt zudem seit 2009 im Bundestag. Tauber war in der Partei seit Längerem umstritten.


  Merkel will Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin


Laut jüngsten Informationen will Merkel die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Taubers Nachfolgerin machen. Kramp-Karrenbauer soll laut dpa-Meldung von Montag bereits auf dem Parteitag am 26. Februar in Berlin gewählt werden, bei dem die CDU über den Koalitionsvertrag mit der SPD abstimmen soll. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung" über die Personalie berichtet.

Als möglicher Nachfolger war zuvor stets Spahn an erster Stelle genannt worden. Viele in der CDU hielten ihn für den besten Kandidaten. Laut „Süddeutscher Zeitung" galt es aber als ausgeschlossen, dass Spahn auf Tauber folgt. Spahn habe deutlich gemacht, dass er kein Interesse an dem Amt habe.


  Spahn: Partei für Ära nach Merkel gerüstet


Die Kanzlerin könnte Spahn aber auch zum Minister machen. Neben Merkel sollen noch sechs CDU-Politiker im künftigen Kabinett sitzen. Nach jetzigem Stand ist für Spahn kein Platz im Kabinett. Als kürzlich eine Liste mit möglichen CDU-Ministern in Berlin kursierte, fehlte darauf sein Name.


Die Besetzung der Ministerposten sei allerdings noch nicht abschließend geklärt, wie Merkel erklärte. Sie hatte im ZDF gesagt, dass die Ministerriege eine Mischung aus Jung und Erfahren sein werde. „Wir machen eine Neuaufstellung insgesamt."

CDU-Parteitag könnte Kandidaten präsentieren

Entgegen parteiinterner Kritik bekräftigte Merkel zuletzt, dass sie volle vier Jahre im Amt bleiben wolle, falls die SPD-Mitglieder einer Neuauflage der Großen Koalition zustimmen. „Die vier Jahre sind jetzt das, was ich versprochen habe. Und ich gehöre zu den Menschen, die Versprochenes auch einhalten", sagte Merkel am vergangenen Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt". Das gelte auch für den Parteivorsitz.

„Für mich gehören diese beiden Ämter in eine Hand, um auch eine stabile Regierung bilden zu können. Dabei bleibt es." Auf dem Parteitag der CDU Ende Februar, wo auch über den Koalitionsvertrag abgestimmt werden soll, könnte nun deutlich kontroverser diskutiert werden als sonst bei den Christdemokraten üblich. Ärger entzündete sich vor allem an der Ressortverteilung und dem Verlust des Finanzressorts.

Den Unmut könnten nun diejenigen nutzen, die mit Blick auf die Zeit nach Merkel bereits jetzt ihre Favoriten in Stellung bringen wollen, schreibt etwa der „Tagesspiegel". Denn wer 2021 als Kanzlerkandidat ins Rennen geschickt werden soll, hat möglicherweise bessere Chancen, wenn er dann bereits Regierungserfahrung hat.

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