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"Könnte ich noch authentischer sein?"

„Könnte ich noch authentischer sein?" Eine amerikanische Fotografin führt Instagram-Angebern ihr Nervpotenzial vor Augen - und rechnet kreativ mit den ewig gleichen Hipster-Fotos in Sozialen Netzwerken ab.

Wer in den sozialen Medien aktiv ist, kennt dieses Gefühl. Man wacht morgens auf, setzt vielleicht einen kurzen Gruß an den Bettpartner ab und schon tastet die noch etwas schlaffe Hand auf dem Nachttisch nach dem Handy. Kurz die Nachrichten überflogen, geht es weiter zu den Selbstfeier-Foren Facebook, Twitter und Instagram. Es dauert nicht lange, bis sich die unschuldige Vorfreude auf den kommenden Tag verdünnisiert, denn je weiter man scrollt, desto tiefer drücken einen die einschüchternden Lebenseindrücke der hipsten aller Freunde wieder ins weiche Kissen zurück. Diese eine, schon wieder war die wandern, eine Woche im Zelt, keine Dusche und sah trotzdem jeden Tag nach Katalog aus. Oder diese beiden, wie gut die doch befreundet sind, jeden Tag gehen sie Kaffee trinken, natürlich fairtrade und mit Ahornblatt verziert und dann posten sie sich gegenseitig auf die Pinnwand, wie glücklich sie sind, sich zu haben, #thespecialtwo. Ein Satz, fünf Emojis, zwanzig Hashtags. Stilvoll, nachhaltig, gesegnet. Lifestyle pur ist das. Oder?

Mythos Happy Hipster

Eine amerikanische Fotografin will dem Mythos Happy Hipster auf Instagram jetzt entgegenwirken und schickt eine bekannte Plastikpuppe auf die Spuren der urbanen Abenteurer. Massenprodukt gegen Massenphänomen. „Socality Barbie" teilt in ihrem Profil Bilder von sich mit feuchtem Haar am nebligen Melancholie-Strand, mit Espressokocher auf dem Berggipfel und beim Chillaxen in der Badewanne, wo man natürlich nur Schaum und Schenkel sieht, hihi. Barbie kommentiert ihre perfekt durchkomponierten Schnappschüsse mit gewohnten Floskeln à la „Im Leben geht es um Momente. Warte nicht auf sie, erschaffe sie!" oder „Besteige keine Berge, damit die Welt dich sehen kann, sondern damit du die Welt sehen kannst". Barbie hat ihr Leben auf der Reihe.

Der Begriff „Socality" steht für Social Community All For Eternity (Soziale Gemeinschaft für die Ewigkeit) und nimmt Bezug auf eine besonders ambitionierte Gruppe von Instagram-Usern. Die christliche Bewegung propagiert gern ihre stilsichere Naturverbundenheit und den Zusammenhalt in der Gemeinschaft, indem sie sich mit dem entsprechenden Hashtag ablichten.

Die anonyme Erfinderin aus Portland kam auf die Idee, weil sie die ewig gleichen Fotos ihrer Bekannten nicht mehr ertragen konnte. „Ich verstehe es, die Aufnahmen sind schön anzusehen. Aber sie sind so unehrlich. Niemand lebt wirklich so!", sagte sie dem US-Magazin „Wired".

Über 800 000 Abonnenten

Also trieb sie das Ganze ironisch auf die Spitze, um den Prahlern ihr Nervpotenzial vor Augen zu führen. Bekanntlich lieben echte Hipster aber nichts mehr als Ironie und so ließ der Fankult der Zielgruppe, die eigentlich verhöhnt werden sollte, nicht lange auf sich warten. Socality Barbie hat mittlerweile schon über 800 000 Abonnenten, die kein Bild verpassen wollen. Allein in den letzten zwei Tagen sind über 200 000 dazugekommen. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die hikenden Wollmützenträger sich total meta in Barbieshirts mit selbstgemachter Rhabarberschorle vom Hausdach schauend in ihren Accounts präsentieren. Mit dem richtigen Filter versteht sich. Der Frankfurter Rundschau verriet die Fotografin, dass Barbie wahrscheinlich noch bis Ende des Jahres auf Reisen sein wird. Wir werden uns also noch an vielen Bilder erfreuen können, auf denen die beliebteste Puppe der Welt mit ihrem 200-Dollar-Rucksack ihrer Community zeigt, wie man authentisch lebt: „Sie glaubte, dass sie es konnte, also tat sie es." #Seufz


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