Peter Maffay ist der erfolgreichste Künstler in der Geschichte der deutschen Charts und mit 15 Millionen verkaufen Platten und 16 Nummer-Eins-Alben wird ihm diesen Titel auch so schnell niemand streitig machen. Das vergisst man allerdings schnell, wenn Peter im Interview zu seinem neuen Album „Tabaluga - Es lebe die Freundschaft!" sofort das „Du" anbietet und sich anderthalb Stunden Zeit für ein Gespräch Zeit nimmt, in dem er keiner Frage ausweicht.
Wie verfolgst du die aktuelle Flüchtlingsdebatte? Du selbst bist als Jugendlicher mit deinen Eltern aus dem kommunistischen Rumänien nach Bayern geflohen.
Ich glaube, dass wir in Deutschland jetzt schon langsam zu einer Form finden, mit den Dingen richtig umzugehen, die uns neu sind und von denen wir teilweise wirklich überrollt werden. Die Angst sitzt vielen im Genick, sich falsch zu artikulieren, weil wir eine solche Geschichte haben, wie wir sie haben. Die Bewältigung unserer Vergangenheit ist immer noch nicht gelungen. In vielen Teilen der Bevölkerung nicht. Und deshalb haben viele Leute Angst, Dinge beim Namen zu nennen und lavieren sich vorbei an Realitäten. Es ist aber zum Beispiel tatsächlich so, dass sich die Situation in Albanien maßgeblich von der in Syrien unterscheidet. Und das ist inzwischen angekommen. Deshalb wird es aus dieser Differenzierung entsprechende Maßnahmen geben müssen. Wie geht man mit Flüchtlingen um, die aus Albanien kommen? Sind das Flüchtlinge? Und wie geht man mit denen um, die aus Syrien kommen?
Findest du es richtig, dass man diese Unterschiede macht?
Absolut. Ich finde es auch richtig, sich darüber Gedanken zu machen, was ein Staat noch leisten kann, wenn er kollabiert. Eine Million werden wir verkraften. Überhaupt kein Problem. Zwei Millionen? Das ist schon eine andere Frage. Drei Millionen? Nein. Wohin sollen die gehen? Und was passiert mit entvölkerten Regionen? Bei uns gibt es Leute, die sagen, wir brauchen diese Fachkräfte. Ist es legitim, Fachkräfte aus einem Land wie Rumänien abzusaugen, damit wir unsere Gesellschaft damit aufstocken und die nichts mehr haben? Jeder Arzt verschwindet dort, weil er hier besser verdient und die Menschen dort unten werden nicht mehr versorgt. (zeigt auf Bilder an der Wand) Schau mal, das ist unser Dorf in Rumänien, da sind 70 Prozent Sinti und Roma. Da arbeiten wir seit vier Jahren. Da gibt es keinen Zahnarzt, nichts. Wir haben zwei Ärzte hingebracht. Es gibt kein fließendes Wasser und keine Straßenlaternen. Auch keine Müllabfuhr.
Man kann aber auch niemanden zwingen, dort zu bleiben.
Nein, aber was wir machen können, ist, das viele Geld, das wir haben, zu benutzen, um die Strukturen dort zu verbessern. Dann würden auch keine Leute wegziehen. Ich wäre wahrscheinlich nie nach Deutschland gekommen, wenn es nicht den Kommunismus gegeben hätte. Und im Kommunismus sind viele Menschen einfach verschwunden und nicht mehr wiedergekommen. Das war noch nicht ganz wie heute in Syrien, aber ging in die Richtung. Jetzt gibt es das in Rumänien so natürlich nicht mehr. Jetzt gibt es eine Gesellschaft, die über eine Revolution versucht, zu demokratischen Strukturen zu finden. Aber es gibt noch Korruption ohne Ende, Seilschaften und und und. Die EU hat das Land und einige andere eingeladen, in die europäische Gemeinschaft einzutreten und dann nicht richtig abgeholt. Wir können nicht hingehen und koloniale Strukturen auf-bauen und das wäre der Fall, wenn wir anfangen würden, Menschenpotenzial abzusaugen. Wir haben hier viele Jugendliche, die eine Ausbildung brauchen. Wir müssen deren Zukunft auch damit absichern, dass wir ihnen den Zugang zur Bildung nicht versperren. Und wer das nicht sieht, ist blind auf beiden Augen. Dieser Dialog muss ganz offen und ehrlich geführt werden. Viele Politiker trauen sich nicht, diese Dinge beim Namen zu nennen. So sehe ich das. Helfen, wenn einer dem Tod entronnen ist, alles auf sich genommen hat, um satt zu werden, in Ruhe zu schlafen und in Frieden arbeiten zu können, das ist unsere Pflicht. Keine Einschränkung. Aber das Flüchtlingsthema zu einem Geschäftsmodell zu machen? Nein.
Du hast auch das Problem der Ressourcenverteilung erwähnt. Wie sehr bist du damit auf deinen Reisen konfrontiert?
Wir haben in Rio im Januar ein Tabaluga-Haus eröffnet in einer Favela. Ich bin schon oft dort gewesen, aber es ist jedes Mal wieder ein Erlebnis im negativen Sinne, in eine solche Favela reinzugehen. Und das in einem Staat, der vor Kraft strotzt und in dem es extrem viele reiche Leute gibt. Genauso in Mumbai. Als wir mit „Begegnungen“ dort waren, kamen wir in ein Elendsviertel und plötzlich wächst da ein Wolkenkratzer raus, wirklich direkt raus und oben aus dem 38. Stock guckt einer runter, der sich mit freier Sicht bis zum Meer ein Frühstücksei aufklopft. Ein Rolls-Royce biegt um die Ecke und am Straßenrand liegt einer und deckt sich mit einer Zeitung zu.... (Rest im Original)