Wie kann man einen Film ernst nehmen, für den sich der Regisseur öffentlich schämt? Ein Schadensbericht.
Wenn ein Regisseur sich schon für die Qualität seines Films rechtfertigt, bevor der überhaupt im Kino angelaufen ist, muss etwas gehörig schiefgelaufen sein. Josh Trank ließ, nachdem sich schnell abzeichnete, dass die Kritiker von Fantastic Four alles andere als begeistert waren, auf Twitter verlauten, dass er vor einem Jahr eine fantastische Version des Films gehabt habe, die großartige Kritiken erhalten hätte, die jetzt aber wohl leider nie jemand zu sehen bekomme. Darüber zu spekulieren, wie diese Version wohl ausgesehen haben könnte, ist an dieser Stelle müßig - aber seinen Zuschauern macht es Trank mit so einer Ansage quasi unmöglich, den Film noch als fertiges Produkt ernst zu nehmen, anstatt überall nur noch nach Unzulänglichkeiten Ausschau zu halten.
Die Stärke der schwachen Helden
„Die Fantastischen Vier" haben in der Marvel-Geschichte einen besonderen Stellenwert, denn sie waren der erste große Erfolg des Verlags, nachdem Autor Stan Lee Anfang der 1960er Jahre die Branche revolutionierte, indem er Comics für ein erwachsenes Publikum schrieb und sie auch dementsprechend vermarktete. Superhelden entfernten sich von idealisierten Archetypen à la Captain America und mussten sich mehr und mehr mit eigenen Schwächen und Problemen auseinandersetzen, anstatt nur die ihrer Mitmenschen zu lösen. Sue und Johnny Storm, Richard Reed und Ben Grimm waren die ersten Helden, die von Anfang an im Team kämpften. Dieser Umstand steht auch im neuen Fantastic Four im Vordergrund, was Reg E. Cathey als Forschervater Dr. Franklin Storm nicht müde wird zu erwähnen: „Gemeinsam seid ihr stärker als jeder für sich allein", versucht er seinen Protegés immer und immer wieder einzuschärfen, was wohl auch am Mangel an Alternativbotschaften liegen mag, weil im Film ansonsten offenbar nicht viel zu Ende gedacht wurde.
Fantastic Four ist schon die dritte Verfilmung der Origin Story des Heldenteams. 1994 startete Bernd Eichinger als Produzent den ersten Versuch und holte sich B-Movie-Legende Roger Corman ins Boot, weil der ihm versprochen hatte, den Film für weniger als eine Million US-Dollar drehen zu können und Eichinger schnell handeln musste, um die Rechte nicht zu verlieren. Das Ergebnis erblickte nie das Licht eines Projektors. 2005 startete Twentieth Century Fox den nächsten Versuch und legte 2007 noch eine Episode nach (Fantastic Four - Rise of the Silver Surfer), jeweils mit schlechten Kritiken und mäßigem finanziellen Erfolg. Josh Trank, der 2012 mit Chronicle schon mal einen Film gedreht hat, in dem Jugendliche plötzlich lernen müssen, mit übernatürlichen Kräften fertigzuwerden, wurde nun wohl ins Boot geholt, um eine dunklere und ernstere Version zu schaffen. Dunkler sind dabei leider nur die Anzüge der Gruppe und aus ernst ist humorlos geworden.
Funktion statt Mensch
Zwar hat der junge Regisseur einen vielversprechenden Cast von sehr talentierten Nachwuchsdarstellern um sich geschart. Doch auch wenn es ihnen zwischendurch immer wieder gelingt, ein bisschen Charisma durchscheinen zu lassen, können sie ihren Charakteren nichts aufzwingen, was nicht im Drehbuch angelegt ist. Dafür, dass in einer Origin Story die Figuren zum ersten Mal vorgestellt werden, in ihrer sowohl menschlichen als auch übermenschlichen Version, verrät Fantastic Four überaus wenig über seine Protagonisten. Obwohl die Exposition einen verhältnismäßig großen Teil des Films einnimmt, sind die charakterisierenden Szenen dermaßen uninspiriert, dass man sie auch um die Hälfte hätte kürzen können, um die Message rüberzubringen. Der Gegner mit dem bösen Namen Victor Von Doom sitzt in seiner dunklen Messie-Bude, mag Ballerspiele, zündet gerne mal Sachen an und kann nur eine einzige Person auf der Welt gut leiden. Richard Reed ist ein sorgloses Genie, Ben Grimm sein loyaler Freund mit einem Herz aus Gold. Johnny Storm ist ein Draufgänger, der sich gerne bei illegalen Straßenrennen beweist, während seine Schwester Sue sehr anziehend für junge Wissenschaftler ist - und schlau natürlich auch. Zu jedem Zeitpunkt im Film sind die Helden mehr Funktion als Mensch und müssen dabei Dialoge sprechen, die oft nicht einmal zur Funktion passen, aber irgendwann inhaltlich aufgegriffen werden sollen. So erkennt die geniale Sue, dass „Muster überall und in allem sind", während Reed ihr von 20.000 Meilen unter dem Meer erzählt, als hätte er mit dieser Lektüre einen Geheimtipp entdeckt. Während die jungen Wissenschaftler im Film neue Dimensionen finden sollen, werden ihnen selbst keine zugestanden.
Ein Großteil des Films spielt zudem in einem nichtssagenden Großlabor, das durch die weitgehend statische Kamera nicht bedeutungsvoll in Szene gesetzt wird, sondern zu einer grellen Bühne verkommt, auf der sich die Wissenschaftler relativ unmotiviert hin- und herbewegen. Und die Dimension, die den Ursprung der neuen Kräfte birgt, bleibt eine lieblos gestaltete Gesteinslandschaft mit flüssigem Neon-Kern, was Dr. Dooms Plan, die Erde zu ihrer Rettung zu zerstören, sehr aufgesetzt wirken lässt.
Zwangsgemeinschaft
Nur bei einer Figur gelingt es Trank, seiner sterilen Inszenierung mit einem simplen Kniff zu entkommen. Ein nerviger Gegenspieler kaut Kaugummi, und die subtil-provokante Kieferbewegung mitsamt Schmatzgeräusch vermag mehr emotionale Publikumsreaktionen zu bewirken als alles restliche Drama zusammen. Miles Teller kann mit seinem interessanten Gesicht, dessen weiche jugendliche Züge von feinen Narben kontrastiert werden, zwischendurch ein paar Gefühlsregungen übertragen, und Grimm alias „Das Ding" weckt mit seiner versteinerten Hilflosigkeit kurz Mitleid. Zwischen den Figuren selbst entsteht allerdings zu keinem Zeitpunkt eine interessante Dynamik, was für einem Film, der explizit von einem Team erzählen will, fatal ist. Es gibt kaum körperliche Interaktion zwischen ihnen, und mehr als wenige humorfreie Sätze werden nicht ausgetauscht. Erstaunlich angesichts der Tatsache, dass sich unter den Charakteren beste Freunde, Geschwister und ein zukünftiges Ehepaar befinden.
Die für die Menschheit brisanten Folgen der Entdeckungen der Forscher werden angerissen, nur um visuell vernachlässigt und dann nahezu ungenutzt fallengelassen zu werden. „Das Ding" dürfen wir bei seinen militärischen Regierungseinsätzen nicht begleiten, sondern nur auf einem kleinen Screen im Screen tonlos betrachten, was nicht als relevante Medienreferenz, sondern schlicht als Missachtung der Figurenbedeutung verstanden werden kann. Am interessantesten Punkt des Films macht es ein Zeitsprung dann unmöglich, sich mit dem zentralen Dilemma der körperlichen Veränderungen und damit verbundenen emotionalen Vereinsamung, das ja durch den endlos gepredigten Zusammenhalt gelöst werden soll, wirklich auseinanderzusetzen. All diese Aspekte nimmt die Inszenierung schlichtweg nicht ernst, und der Zuschauer muss es ihr notgedrungen gleichtun.