Dein Film Krisha ist einer von dreien im diesjährigen Wettbewerb der Semaine de la Critique in Cannes, die zuerst in einer Kurzfilm-Version realisiert wurden. Was sagt das über die Art und Weise, mit der vor allem Debütfilme heute entstehen und finanziert werden?
Ja, das ist schon bemerkenswert und eine Entwicklung, die sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringt. Je billiger das Filmemachen wird, desto mehr Chancen gibt es, sich auszuprobieren, aber es steigt auch das Bedürfnis der Geldgeber, im Vorhinein eine Art Beweis für das Potenzial einer Geschichte und für die Fähigkeiten des Regisseurs einzufordern. Ein Kurzfilm ist aber natürlich ganz anders strukturiert, und es tut einer auf 90 Minuten ausgelegten Geschichte nicht immer gut, vorher erst einmal eingestampft oder auf das Wesentliche reduziert zu werden. Im Fall von Krisha war das nicht so ein großes Problem, weil die Essenz der Geschichte sich sehr assoziativ erzählen lässt. Ich konnte eine Collage der wichtigsten Szenen zusammenstellen, die als Ganzes funktioniert hat, aber trotzdem war es immer der Plan, anschließend einen komplexeren und strukturierteren Langfilm aus dem Stoff zu machen.
Du hast Krisha dann mit kleinem Budget in nur neun Tagen gedreht. Es gab zwar nur einen Drehort, aber trotzdem ist das nur ein Drittel der Drehtage, die durchschnittlich auf einen Langfilmdreh verwendet werden.
Mehr wäre finanziell schwierig geworden, aber ehrlich gesagt hat das auch zur Produktivität und einer perfekt abgestimmten Kollaboration untereinander geführt. Die Tage waren natürlich sehr lang. Geholfen hat, dass unser Team sehr klein war - der Cast hat den größten Teil ausgemacht. Die Crew bestand nur aus mir, dem Kameramann mit seinem Assistenten, dem Tonmann und dem Steadicam-Operator.
Der Cast ist eine Mischung aus Laien, semi-professionellen und professionellen Darstellern. Wie hast du in dieser Situation zu einer Art der Schauspielführung gefunden, mit der alle einheitlich arbeiten konnten?
Das war definitiv ein großes Risiko, aber ich hatte das große Glück, alle Schauspieler, auch die professionellen, vorher schon auf persönlicher Ebene zu kennen. Es gab deshalb kein festes Schema oder methodische Regieanweisungen. Wir haben einfach lange miteinander gesprochen, bis das Ziel der einzelnen Szenen klar war, und dann in langen Takes improvisiert. Das wichtigste war, die Szenen so zu wählen, dass sich die Figuren in ihnen so ungezwungen wie möglich bewegen konnten. Zum Beispiel sind meine Tante (Krisha Fairchild) und Bill Wise, genau wie ihre Charaktere, beide Raucher und deshalb lag es nahe, sie zu einem Gespräch für eine Raucherpause auf die Veranda zu setzen und nur die grobe Richtung und das Ende der Szene vorzugeben. Dann konnte ich mich als Regisseur zurücklehnen und die inhaltliche Auswahl im Schnitt treffen.
Du erzählst die Handlung oft elliptisch und verwendest Jump-Cuts. Ist diese Entscheidung auch im Schnitt gefallen?
Ich hatte vorher eine Ahnung, dass das Chaos im Kopf von Krisha sich dadurch gut auf den Zuschauer übertragen würde, aber das Drehbuch war trotzdem chronologisch aufgebaut. Es gibt lange, genau durchchoreografierte Szenen, aber auch viele Montagen, für die sich diese Mittel gut geeignet haben. Ich habe dann im Schnitt einiges ausprobiert, bis ich das richtige Maß gefunden habe, das beim Zuschauer nicht zu Verwirrung führt, aber die Beklemmung und Hilflosigkeit transportiert, die bei Krisha immer präsent sind.
Die bedienst dich stilistisch bei verschiedenen Genres. Vor allem auf der Soundebene, aber auch bei der Kameraführung werden oft typische Horrorelemente verwendet. Gab es Referenzen, die dich dazu inspieriert haben?
Definitiv. Ich liebe Horror, vor allem wenn er sich subtil aufbaut, wie in den Filmen von Kubrick oder Polanski. Referenzen für Krisha waren unter anderem Shining, Eine Frau unter Einfluß, Das Fest, „Punch-Drunk Love, Raging Bull, Pusher 3 und Herbstsonate.
Du spielst selbst auch im Film mit. Wie bist du mit dieser Doppelrolle umgegangen?
Ich habe mich sehr auf meinen Kameramann verlassen. Wenn man selbst in der Szene steckt, hat man zwar ein Gefühl, ob sich die richtige Dynamik entfaltet oder nicht, aber man will die anderen Schauspieler ja auch nicht ständig überprüfen. Ich habe immer versucht, mich ganz aus der Regie-Rolle zu lösen und den Take, mit dem der Kameramann zufrieden war, im Nachhinein dann meistens noch kurz überprüft. Was das Schauspiel selbst betrifft, hatte ich keinerlei Erfahrung und ich denke, das wird auch eine einmalige Sache bleiben, aber ich hatte in diesem Fall einfach das Gefühl, dass es richtig ist, diese Rolle zu übernehmen - vielleicht auch als eine Art Selbsttherapie.
Hat das funktioniert?
Ich glaube, der Selbsttherapie-Ansatz hat insofern gut funktioniert, als dass wir als Familie jetzt alle besser mit schmerzhaften Erlebnissen der Vergangenheit, von denen es bei uns einige gibt, umgehen und miteinander darüber kommunizieren können. Das gilt besonders für meine Tante, meine Mutter und mich, weil wir uns schon während der Kurzfilmproduktion und in der Vorbereitung intensiv mit diesen Wunden auseinandergesetzt haben. Schwieriger war das zum Beispiel für meine andere Tante, Victoria Fairchild, deren Tochter nach langer Drogengeschichte auf einer Familienfeier einen Rückfall erlitten hat und dann kurz darauf an einer Überdosis gestorben ist. Aber auch sie wollte unbedingt im Film dabei sein und es ist uns gelungen, untereinander eine Vertrauensebene zu schaffen, in der wir uns mit den Emotionen sicher fühlen und gleichzeitig gegenseitig Kraft geben konnten. Dadurch ist es beim Spiel möglich geworden, einigermaßen kontrolliert auf diese Erinnerungen zurückzugreifen und sie nach außen zu bringen. Ich habe mir zum Beispiel vor einer besonders emotionalen Szene alte Bilder von meinem Vater angeschaut, der nach Drogenproblemen und langer Abwesenheit aus meinem Leben an Krebs gestorben ist.
Wird diese persönliche Herangehensweise auch für deine nächsten Projekte gelten?
Generell will ich mich da nicht festlegen, aber mindestens für meinen nächsten Film ist das der Fall. Das Drehbuch habe ich kurz nach dem Tod meines Vaters als Drama geschrieben und dann später zu einem Horrorskript umgearbeitet. Hier geht es also auch wieder um den Umgang mit sehr persönlichen Verlusten, aber diesmal in einen Genrefilm verpackt, bei dem ich in der Symbolisierung viel mutiger und krasser vorgehen kann. Ich glaube, Laiendarsteller eignen sich dafür allerdings weniger, weil die Arbeit mit Genre einfach Fähigkeiten verlangt, die ein Schauspieler in seiner Ausbildung erlernen kann. Der überstrapazierte Begriff der Authentizität spielt dann weniger eine Rolle, weil stärker konzeptuell gearbeitet wird, was natürlich nicht heißt, dass Horrorfilme deshalb weniger emotional sind als Dramen. Oft ist das Gegenteil der Fall, wie zum Beispiel in Der Babadook von Jennifer Kent. Mich auf diesem Feld auszuprobieren, darauf bin ich schon sehr gespannt.
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