Mehr als seichtes Schmunzelkino? Die Nick-Hornby-Adaption A Long Way Down erzählt von vier verhinderten Selbstmördern auf dem Weg zur Besserung.
Nick Hornby, einer der erfolgreichsten britischen Schriftsteller der Gegenwart, ist Experte darin, Charaktere zu entwerfen, die es nicht gerade rosig getroffen haben. Anstatt aber groß auf die Tränendrüse zu drücken, jagt der Autor sie dermaßen schwarzhumorig durch seine Geschichten, dass nur selten Mitleid, dafür aber viel Spaß aufkommt. Eine Portion Tiefgang wird dem Humor geopfert, und oft führt gerade diese Herangehensweise in die Herzen vieler Leser oder, in diesem Fall, Zuschauer. In hierzulande oft als Tragikomödie bezeichneten Filmen wird neben emotionalen Themen besonderer Wert auf einen hohen Unterhaltungsfaktor gelegt, und für diese leicht genießbare Kost schreibt Hornby regelmäßig sehr passende Vorlagen. An sich ist dagegen natürlich nichts einzuwenden, doch damit mehr als seichtes Schmunzelkino dabei herauskommt, ist es eben notwendig, dass man die Charaktere in ihrer Skurrilität trotzdem ernst nehmen und zumindest ab und zu auch ein Gefühl für ihren Schmerz entwickeln kann. Genau das macht Pascal Chaumeil (Der Auftragslover, 2010) aber dem Publikum in A Long Way Down überaus schwer. Bis auf einige Ausnahmen bleiben seine Protagonisten blass und ihre Probleme behauptet.
High Concept ohne Dichte
In der Silvesternacht treffen sich vier Lebensmüde auf einem Londoner Hochhaus und wollen mit ihrem Elend Schluss machen. Der Erste von ihnen ist Martin (Pierce Brosnan), ein ehemaliger Fernsehmoderator, der „aus Versehen" mit einer 15-Jährigen geschlafen und sich damit privat und beruflich ruiniert hat. Gesellschaft leisten ihm bald Maureen (Toni Collette), die die Nase voll davon hat, sich ständig hilflos zu fühlen, J.J. (Aaron Paul), der unheilbar krank ist, und Jess, deren Angebeteter nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Vor den Augen der anderen will schließlich niemand mehr springen - ganz im Gegenteil: Sie nehmen die Begegnung als Zeichen und schließen einen Pakt, mindestens die nächsten sechs Wochen am Leben zu bleiben. Die Szene, in der die vier am Rande des Absprungs stehen, unter ihnen die lärmende Metropole, in der die Gründe ihrer Verzweiflung ihren Ursprung haben, ist ein starker Einstieg für einen High-Concept-Film, doch im weiteren Verlauf bleibt von der versprochenen Dichte keine Spur mehr. Das Thema Selbstmord ist schnell wieder vergessen - für Figuren und Zuschauer gleichermaßen scheint der neue vereinbarte Termin schon in der nächsten Szene völlig nebensächlich.
Scheinepisoden
Formal gliedert Pascal Chaumeil A Long Way Down in vier Teile, die jeweils einen der Protagonisten ins Zentrum der Handlung stellen. Sowohl Chaumeil als auch die Produzentinnen und sogar Hornby verbuchten es in Kommentaren zum Film als Erfolg, dass den meisten Zuschauern diese Trennung gar nicht auffällt. Unweigerlich stellt sich dann aber die Frage, wieso diese Entscheidung überhaupt getroffen wurde, denn auch subtil trägt dieses Stilmittel leider nichts zur Handlung bei. Filmisch kriegt keiner der vier eine eigene Stimme, die Kameraführung wirkt stets unbeteiligt, und auch die Musik des wunderbaren Dario Marianelli (Abbitte, Atonement, 2007) plätschert über weite Strecken dahin und muss zwischendurch versuchen, Spannung und Düsternis zu erzeugen, wo optisch und dramaturgisch keine ist.
Die alleinige Verantwortung, den Figuren Tiefe zu verleihen und ihre Nöte zu kommunizieren, liegt bei den Schauspielern, und vor allem der weiblichen Teil des Casts meistert diese Aufgabe auf unterhaltsam berührende Weise und rettet damit den Film vor einem völlig unbeteiligten Publikum. Imogen Poots irritiert und fordert mit ihrer kontrastreichen Mimik heraus, ohne Jess' Stimmungsschwankungen übertrieben oder aufgesetzt wirken zu lassen, und Toni Collette verkörpert die emotionalste der vier Geschichten mit einer Hingabe und Verletzlichkeit, die einem trotz aller übrigen Defizite des Films doch noch ein paar Tränen in die Augen treiben kann.
Pierce Brosnan und Aaron Paul bleiben relativ blass, haben es mit ihren eindimensional inszenierten Vorlagen aber auch unbestritten schwerer als ihre Kolleginnen. Wenn Brosnan als geächteter Moderator in der Halbnahen abgefilmt wird, wie er in einer nichtssagenden Szenerie beteuert, sich in jeder Sekunde seines Lebens gedemütigt zu fühlen, nimmt man ihm das auch dann noch nicht ab, nachdem er es dreimal wiederholt hat. In A Long Way Down wird generell zu viel gesagt und zu wenig inspiriert gezeigt, was von den Darstellern leider nicht immer, aber doch zumindest stellenweise aufgefangen werden kann.