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Eine weniger

Kaum ein Kinderarzt will mehr eine Kassenpraxis übernehmen. Viele Kinder in Wien könnten dann unterversorgt sein. Was tun?

Ob er schon zählen könne? „Eins, zwei, drei, vier, fünf." Luca schafft das locker. Auch auf einem Bein springt er durch die Hüpfstraße. Der Bub ist fünf Jahre alt und kommt heute zur Mutter-Kind-Pass-Untersuchung. Vor ein paar Jahren konnte Luca, der eigentlich anders heißt, noch nichts, was ein Dreijähriger können sollte, rannte die ganze Zeit im Raum herum, reagierte kaum. Die Mutter kam aus Ägypten nach Österreich, hatte zuhause kaum Hilfe, konnte kein Deutsch, war verzweifelt. Also setzte sie ihren Sohn tagein, tagaus vor das Smartphone. „Das Kind konnte nicht einmal zehn Wörter sprechen", sagt Nicole Grois.

Grois ist Kinderärztin und führt eine Kassenpraxis im neunten Wiener Gemeindebezirk. Die Medizinerin ist 61, redet schnell und gibt allen Kindern Spitznamen. Putzibärli, zum Beispiel, oder tapfere Maus. Ihr Lächeln spürt man auch hinter der bunten Maske.

Patienten wie Luca hat sie viele. Bei ihm diagnostizierte sie eine Interaktionsstörung, Verdacht auf Autismus. Also setzte Grois alles daran, einen Platz in der Entwicklungsförderung zu bekommen. Jetzt ist Luca ein normal entwickelter Fünfjähriger. Grois erkannte, dass hier besonderer Einsatz gefragt war. Doch die Therapieplätze sind knapp. Und eigentlich hätte sie als Kassenärztin nicht genug Zeit für das Kind gehabt: fünf bis zehn Minuten, maximal. Luca wäre im Kassenarztstress untergegangen.

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