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Tischtennis-Meister Steffen Mengel hofft aufs WM-Ticket

Essen. Im Finale der Deutschen Meisterschaften besiegte Mengel den haushohen Favoriten und neunmaligen Meister Timo Boll. Jetzt könnte der Siegerländer, der auf Weltranglistenplatz 159 liegt, sogar für die Weltmeisterschaft nominiert werden. Bundestrainer Jörg Roßkopf lobt Mengel als „großen Kämpfer".

Als die Holzhausener Wind davon bekommen, wen es da am Sonntag in ihr beschauliches 2500-Einwohner-Örtchen im Siegerland verschlagen hat, fackeln sie nicht lange: Schnell basteln sie Glückwunsch-Plakate, bereiten Häppchen zu, kaufen Getränke - damit sie auch ja anstoßen können mit dem Ehrengast. Anstoßen auf seinen Sensationssieg über Timo Boll, Deutschlands Tischtennis-Topstar und Nummer fünf der Welt. Der Gast, den die rund 40 Mitglieder des TV Holzhausen, Freunde und Familie in der örtlichen Turnhalle so spontan empfangen, ist Holzhausens berühmtester Sohn. Gestatten: Steffen Mengel, neuer deutscher Tischtennis-Meister.

Unzählige Anrufe, SMS und Facebook-Nachrichten

„Die konnten's genauso wenig fassen wie ich", sagt Mengel, der sich nach dem Titelgewinn mit 4:3 Sätzen vor Glückwünschen kaum retten kann. Auf den Straßen seines Heimatortes schon mal gar nicht. „Man wird ständig darauf angesprochen. Das freut einen natürlich total", meint der 24-Jährige. Nach der Siegerehrung habe er so viele verpasste Anrufe auf seinem Handy gehabt, dass er die ganze Heimfahrt mit Abhören beschäftigt gewesen sei - von den unzähligen SMS und Facebook-Nachrichten ganz zu schweigen.

Erst jetzt, mit ein paar Tagen Abstand, kann Mengel so langsam begreifen, was da vor 2800 Zuschauern in der Bamberger Stechert Arena geschehen ist. Als er das letzte Mal auf Timo Boll traf, im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft 2010, hat sich Mengel noch gewünscht, „dass es endlich vorbei ist" - so groß war der Leistungsunterschied damals. Jetzt hingegen lässt er den letzten Spielzug des Finales freiwillig wie in Zeitlupe Revue passieren: „Beim Matchball hab' ich gesehen, dass Timo nicht mehr richtig hinkommt, den Ball nicht richtig trifft." Als der Ball nicht zurück auf die Platte springt, sackt Mengel zu Boden, schlägt die Hände vors Gesicht, hört den Applaus. „Das war ein unbeschreiblich schönes Gefühl."

Großes Kämpferherz

Dass Mengel es überhaupt bis ins Endspiel geschafft hat, ist vor allem seinem Kampfgeist zu verdanken. Während Boll ohne Satzverlust durchs Turnier marschiert, biegt Mengel erst im Achtelfinale gegen Philipp Floritz einen 1:3-Satzrückstand um und behält auch im Halbfinale Nerven, als er Zoltan Fejer-Konnerth im Tie-Break bezwingt.

Diese Niemals-Aufgeben-Mentalität könnte Mengel jetzt sogar einen Platz im Kader für die Weltmeisterschaft im Mai in Paris einbringen. „Steffen ist ein großer Kämpfer und spielt seit Januar in bestechender Form", lobt Bundestrainer Jörg Roßkopf. Mengel habe sich in den vergangenen Monaten gesteigert und „durch den Sieg über Timo mit Sicherheit keine schlechteren Chancen auf einen Platz in der Nationalmannschaft", sagt Roßkopf augenzwinkernd. Sieben Mal hat er Mengel bereits für Länderspiele nominiert, eine Teilnahme an einer Welt- oder Europameisterschaft blieb dem 24-Jährigen aufgrund von Verletzungen aber bisher verwehrt. Wer zu den sieben Auserwählten gehört, will der Bundestrainer am Freitag bekannt geben.

Wieder zurück im Alltag

Mengel beschäftigt diese Frage indes wenig: „Ich muss mich jetzt wieder auf den Alltag konzentrieren." Auf die nächste Bundesligapartie seines TTC Frickenhausen zum Beispiel. Statt 2800 warten dann vielleicht 300, wenn es gut läuft 600 Zuschauer in der heimischen Sporthalle Auf dem Berg.

Und, falls es mit der WM-Nominierung klappen sollte, womöglich wieder 40 gute Freunde zur spontanen Feier in der Holzhausener Turnhalle.

Christine Holthoff

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