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Architekt, Designer, Künstler: Omer Arbel in Vancouver / F.A.Z Quarterly

Omer Arbel liebt Materialexperimente. So schafft er etwa Lichtskulpturen, die durch Form und Material die Designwelt faszinieren. Zu Besuch in Vancouver



Wenn Omer Arbel vom Licht spricht, kommt er ins Schwärmen. Vom flüssigen Licht in seiner Heimatstadt Jerusalem, vom entsättigten Himmel über Berlin, der so aussieht, als hätte jemand seine Pigmente weggesaugt, und wo sich der Einsatz von Beleuchtung anbietet. Auch von Mexiko-Stadt, wo die Sonnenuntergänge geheimnisvoll sind, weil die warmen Strahlen wie Sirup erst langsam durch die Smogschichten hindurchwabern müssen.

„Die Atmosphäre andicken" nennt Arbel das, was etwa dem Effekt entspräche, den er mit den Leuchten seines Unternehmens Bocci erzielen möchte. Glas sei ein guter Helfer, Licht überhaupt erst sichtbar zu machen. Fast finde er seine Arbeiten ausgeschaltet schöner - dann würden sie am besten mit natürlichem Licht interagieren. Kurze betretene Pause. Arbel lacht. „Ist das nicht absurd, ich habe eine Beleuchtungsfirma und möchte kein Licht machen?"

Omer Arbel sitzt gut gelaunt in seinem Hauptquartier in Vancouver, einer weißgetünchten ehemaligen Druckerei in Hafennähe, um ihn herum Regalwände gefüllt mit allerlei Kuriositäten - Prototypen seiner Arbeiten. Einige davon, wie wolken-, korallen- oder ballonförmige Objekte aus Glas, Porzellan oder Metall, sind als jene Cluster zu erkennen, die später mit Kabeln verbunden und mit Leuchtmitteln bestückt jene Lichtskulpturen werden, für die man Bocci kennt. Andere bleiben ein Mysterium.

Seit 2005 betreibt Arbel, der Sonnenanbeter, studierter Architekt, Gründer, Designer, Künstler, Erfinder und irgendwie auch Hacker ist, mit seinem Geschäftspartner Randy Bishop hier von Vancouver aus Bocci: eine Beleuchtungs- und Designfirma mit angeschlossener Glasmanufaktur, wo Leuchten und Objekte für den Handel genauso gefertigt werden wie in Auftrag gegebene Installationen - alles in Handarbeit. Seit 2015 gibt es eine Dependance in Berlin. Zusätzlich realisiert er mit seinem zweiten Unternehmen, Omer Arbel Office (OAO), Architekturprojekte und freiere Arbeiten, die sich einfachen Zuschreibungen entziehen. Im Mainstream mag er weniger bekannt sein, die Designszene schätzt ihn sehr: „Architectural Digest" kürte den Multivisionär 2019 zu einem der Top-200-Einflussnehmer.

Als er 13 ist, wandert seine Familie nach Vancouver aus, wo Arbel ab den frühen nuller Jahren mit einer Form des Entwerfens auf sich aufmerksam macht, die man am besten als „prozessbasierte Experimente am Material" bezeichnen kann. Meistens scheitern sie. Manchmal aber auch nicht. Oft „hackt" Arbel dafür jahrhundertealte Techniken.

Zum Beispiel: Für eine metallische Objektarbeit wiederholt er den Prozess der Galvanisierung an einem Bolzen unter immens erhöhter Spannung so lange, bis dieser zu einer korallenartigen Form auswuchert. Mit Hilfe eines Vakuums pustet er für eine der Ballonleuchten eine weiße Glasschicht durch ein Kupfergitter hindurch bis zur Außenwand aus klarem Glas, wodurch sich unzählige fossilienartige Ranken bilden. Flüssiges Wachs gießt er in eine mit gecrushtem Eis gefüllte Zentrifuge - so entstehen Kerzen in wurzelartig verschnörkelten Formen, wie beim Bleigießen an Silvester. Glas bleibt Arbels Steckenpferd, aktuell experimentiert er auch gern mit Beton und Holz.

Man könnte sagen, Arbel ist vor allem Gestalter von Techniken, nicht von Produkten, die eher dem Motto folgen: Function follows form follows process - was in etwa dem Gegenteil dessen entspricht, wie Designfirmen traditionell vorgehen, weswegen seiner Arbeit etwas Zukünftiges innewohnt.


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