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China: Das Geschäft mit dem Smog boomt

Die Chinesen geben Hunderte Millionen Euro pro Jahr für Anti-Smog-Produkte aus. Eine ganze Industrie verdient ihr Geld damit, im Smog für frische Luft zu sorgen.


Unter einem wabenartigen Zelt spielen Schüler der Internationalen Schule in Peking Badminton. Schuhsohlen quietschen, Geschrei hallt durch die Kuppel, staubtrocken ist die Luft. Immer, wenn es draußen grau ist, müssen die Kinder von Diplomaten und leitenden Angestellten aus dem Ausland ihre Pausen im Sauerstoffzelt verbringen. Im vergangenen Schuljahr war das jeden dritten Tag der Fall. Der Smog in Peking war so stark, dass er die Gesundheit der Kinder gefährdete.

Was die Chinesen wumai nennen, Smog, ist die Kehrseite des rasanten wirtschaftlichen Aufstieges. Fabriken, Kraftwerke oder alte Roller, Laster und Autos mit Verbrennungsmotoren pusten Ruß, Schwefeldioxid und Staubpartikel in die Luft. Das Gemisch bildet bei schlechtem Wetter eine große Dunstwolke. Bei wenig Wind und hoher Luftfeuchtigkeit umschließt die Wolke ganze Großstädte. Wer mit Holz oder Kohle heizt, verschlimmert die Situation.

"Allein in der Hauptstadt sterben jedes Jahr 17.000 Menschen an der schlechten Luft", sagt Andrea Pozzer, der für das Max-Planck-Institut die globale Luftverschmutzung untersucht. 

Überall in China ist die Luftverschmutzung groß. Nur in 27 von 113 chinesischen Großstädten wird die Luft von der chinesischen Regierung als gesund eingestuft. Die Folge: 1,2 Millionen Menschen sollen nach derGlobal-Burden-of-Disease-Studie im Jahr 2010 durch die Luftverschmutzung gestorben sein. DieInternationale Agentur für Krebsforschung (IARC), die zur Weltgesundheitsorganisation gehört, hält den Smog für krebserregender als Passivrauchen.

Freizeit im Kuppelzelt

Die Grundschüler der International School of Beijing mussten deswegen in der Vergangenheit an 90 von 250 Schultagen von früh bis spät drinnen verbringen. "Der Smog ist für sie besonders gefährlich, weil die Organe noch wachsen", sagt Wissenschaftler Pozzer. Deshalb wurde das Sauerstoffzelt angeschafft. Für 6,5 Millionen Dollar (rund fünf Millionen Euro) wurde es hinter dem Schulgebäude errichtet. Mehrere Tennisplätze, Volley- und Badmintonfelder, Umkleiden und sogar ein Sportgeschäft finden darin Platz. DieUS-Firma Asati hat sich auf die Herstellung solcher Kuppelzelte spezialisiert, die durch einen hohen Luftdruck von innen stabilisiert werden. So bleibt die schlechte Luft draußen.

In den Klassenräumen werden die Schüler mit Luftreinigern gegen den Smog geschützt. Rund 150.000 Dollar kosten die neuen Filter für die Reiniger jährlich. Die Kästen, so groß wie hüfthohe Lautsprecher einer Stereoanlage, gehören auch zum Inventar vieler Wohnungen und Unternehmen. Erst vor wenigen Wochen hat die amerikanische Botschaft mehrere Tausend Geräte für die Häuser von amerikanischen Fachkräften gekauft.

Eine ganze Industrie hat erkannt, wie sich mit frischer Luft Geld verdienen lässt. Die Angebote reichen von Luftreinigern über Atemmasken bis hin zu kuriosen Produkten wie Frischluft in Dosen. Das Geschäft mit dem Smog boomt.

In den Klassenräumen werden die Schüler mit Luftreinigern gegen den Smog geschützt. Rund 150.000 Dollar kosten die neuen Filter für die Reiniger jährlich. Die Kästen, so groß wie hüfthohe Lautsprecher einer Stereoanlage, gehören auch zum Inventar vieler Wohnungen und Unternehmen. Erst vor wenigen Wochen hat die amerikanische Botschaft mehrere Tausend Geräte für die Häuser von amerikanischen Fachkräften gekauft.

Eine ganze Industrie hat erkannt, wie sich mit frischer Luft Geld verdienen lässt. Die Angebote reichen von Luftreinigern über Atemmasken bis hin zu kuriosen Produkten wie Frischluft in Dosen. Das Geschäft mit dem Smog boomt.

Der Brite Chris Buckley verdient sein Geld seit vier Jahren mit Luftreinigern, die er an Schulen, Unternehmen und Privatleute verkauft. Buckley kam vor 13 Jahren für den Konsumgüterhersteller Procter & Gamble nach China, verkaufte dann tibetische Teppiche. Die Idee mit den Luftreinigern wurde aus der Not geboren: Kurz nach seiner Ankunft bekam Buckley Asthma und suchte nach hochwertiger Technik für seine Wohnung. "Ich habe mit vielen Modellen rumexperimentiert, denn das Gerät muss die Energie haben, um genug Luft aufsaugen und der Filter muss kleinste Partikel stoppen", sagt Buckley.

Jetzt hat er sich selbstständig gemacht und vertreibt ein Spezialgerät der schwedischen Firma Blueair. Rund 1.300 Euro kostet so ein Luftreiniger. Atemmasken sind ebenfalls in seinem Sortiment, die Modelle ähneln Gasmasken. "Diese flatterigen Atemmasken aus Stoff, die alle tragen, helfen nicht wirklich, weil der Staub zu fein ist", sagt Buckley. Sein Geschäft brummt – mittlerweile arbeiten zwölf Leute in seinem Unternehmen. 

Die Kehrseite des Booms sorgt für neues Wachstum

Ein anderer Profiteur des Smogs ist der Schweizer Luftreinigerherstellers IQAir: "Zu Anfang haben fast nur ausländische Kunden IQAir gekauft, doch mit zunehmendem Lebensstandard und wachsender Kaufkraft griffen auch Chinesen zu unseren Produkten", sagt Saskia Riedel, Sprecherin des Unternehmens. Heute sei die große Mehrheit der Kunden Chinesen. 

Vom regierungsnahen chinesischen Verband Sicca, der Firmen vertritt, die die Luft in Gebäuden verbessern wollen, heißt es: Mehr als eine halbe Million Geräte sei in den Wintermonaten allein über den führenden Onlinehändler Taobao.com verkauft worden. Umgerechnet 142 Millionen Dollar sollen die chinesischen Kunden im vergangenen Jahr bei dem großen Onlinehändler für Antismogprodukte ausgegeben haben.

China ist mit seinen 1,35 Milliarden Menschen ein riesiger Markt, die Mehrheit der Chinesen wohnt in Großstädten. Das kanadische Institut TechSci Researchrechnet für die Branche mit einem jährlichen Wachstum von 30 Prozent. Neben IQAir sind Panasonic und Philips die marktführenden Hersteller in China. 

Wappnen oder Schadstoffe reduzieren?

Die chinesische Regierung hat sich eigentlich das Ziel gesetzt, den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Die Behörden fördern erneuerbare Energien, lassen weniger Fahrzeuge zu und subventionieren den Kauf von Elektrofahrzeugen. Binnen vier Jahren soll der Feinstaubgehalt in der Luft um 30 Prozent reduziert werden. Doch ist das realistisch? 

Dirk Schmidt, Vertreter der Lehrstuhls für Politik und Wirtschaft Chinas an der Universität Trier, ist optimistisch, dass sich die Luftqualität in den kommenden fünf Jahren verbessern könnte: "Generalsekretär Xi Jinping hat sich das Ziel gesetzt, dass das Wirtschaftswachstums im Land nicht mehr zulasten der Umwelt geht. Dafür ist die Regierung sogar bereit, die Widerstände von Staatskonzernen oder Provinzregierungen, denen es vor allem um schnellen Profit geht, zu überwinden", sagt Schmidt. Er glaube an den Erfolg der Maßnahmen. 

Der Trend zur Urbanisierung konterkariere die Bemühungen allerdings. Durch den Zuzug der Landbevölkerung in die Städte verschlechtere sich die Luft dort zusätzlich. Dann werden wieder neue Geräte zur Luftreinigung gebraucht.

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