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Transportieren mit dem Velo – geht doch?

Das Velo als unschlagbares Allroundgefährt steht beinahe in jedem Haushalt zur Verfügung. Schon immer wurden mit Velos Waren und Güter transportiert. Dabei genügt bereits ein Rucksack, um Einkäufe zu transportieren. Für mehr Gewicht oder Volumen kommen Körbe oder Velotaschen zum Einsatz. Moderne Körbe und Velotaschen lassen sich dank praktischen Schnellverschlüssen leicht an- und abhängen. Damit sind sie schnell und sicher zum Einkauf oder zur Arbeit am Velo einsetzbar.


Aufgezeichnet von Bruno Angeli


Der Spezialist im Waren- oder Kindertransport ist jedoch das Lastenvelo oder Cargobike. Es schliesst die Lücke zwischen Velo und Auto. Mit einem Lastenvelo kommt man in den Städten zügig voran. Wenn man bedenkt, dass der Aktionsradius einer jungen Familie in der Regel drei bis fünf Kilometer beträgt, ist das Auto klar überdimensioniert. Diese Strecken zum Einkaufen, zu Kindergarten oder Schule sind für das Lastenvelo wie geschaffen.


Mit dem Transportvelo schneller am Ziel?

Die Verkehrsdichte nimmt im Kanton Zürich rasant zu. Dies erklärt sich einerseits darin, dass bei uns jährlich etwa 10’000 Neuwagen zugelassen werden. Andererseits sind die Hälfte unserer Autofahrten unter 5 km. Würde man alle Neuwagen aneinander reihen, ergäbe dies eine ca. 40 km lange Autokolonne. – Der wachsende Flächenbedarf des fahrenden, wie des ruhenden motorisierten Individualverkehrs, ist enorm.

Mittlerweile schlägt das Velo locker die PKW-Fahrzeiten im urbanen Raum. Wegen zunehmender Staus und Fahrzeiten für die Parkplatzsuche ist das Auto erst auf längeren Überlandstrecken dem Velo überlegen. Nebenbei, selbst für grössere Lastenräder ist das Parkplatzproblem so nicht vorhanden. Auch hier ist der Flächenbedarf um ein Vielfaches geringer.


Die Kosten

Ein robustes Transportvelo ist etwa ab CHF 3’000.– zu haben. Mit Elektromotor-Unterstützung sind ab CHF 5’000.– zu rechnen. Somit sind die Anschaffungskosten wesentlich geringer als jene für einen Neuwagen. In der Regel ist ein Lastenvelo zudem schneller amortisiert. Ferner fallen Ausgaben für Treibstoffe, Parkgebühren, kostenintensive Auto-Versicherungen und Verkehrsabgaben weg. Aber auch der Unterhalt aus Wartung und Reparaturen darf deutlich kleiner budgetiert werden.


Modellvielfalt

Die Modellvielfalt für unterschiedlichste Transportaufgaben nimmt erfreulicherweise zu. Immer mehr Hersteller bieten Lastenvelos mit oder ohne Elektromotor an. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen ein- und mehrspurigen Modellen. Bei Letzteren wird die Last auf mehr als zwei Räder verteilt. Die unterschiedlichen Konstruktionen und Konzepte haben verschiedene Fahreigenschaften und lassen sich wie folgt kategorisieren.


Konzepte und Bauformen

Bäcker- oder Postvelo

Diese einspurigen Liefervelos haben eine Ladefläche vor dem Lenker, manche auch auf dem Hinterrad. Für eine ergonomische Lasthöhe ist das Vorderrad oft kleiner gewählt. Deshalb gleicht das Fahrverhalten dem eines klassischen Velos. Deshalb ist es geeignet für schnelle, leichtere Transporte auf allen Streckenlängen.

Long John

Das einspurige Lastenrad mit verlängertem Radstand besitzt eine tiefe Ladefläche zwischen Lenksäule und Vorderrad. Das kleinere Vorderrad wird über eine Schubstange oder einen Seilzug indirekt gelenkt. Diese Lastenvelos sind oft deutlich länger aber nicht breiter als klassische Velos. Deshalb sind sie geeignet für mittelschwere und schnelle Transporte auf längeren Strecken. Beispiele aus unseren Velo-Geschichten:

Viktoria und ihr Long-John Lastenvelo aus einer Velo-Geschichte, die hier bald erzählt wird.

Trike

Diese dreirädrigen Lastenvelos tragen die Ladefläche vorne zwischen den Vorderrädern. Sie sind deshalb breiter als klassische Velos.
  • Modelle mit Drehschemel-Lenkung sind im Stand kippsicher, erlauben aber keine schnellen Kurvenfahrten. Darum sind sie für gemächliche, mittelschwere Transporte auf kurzen bis mittleren Strecken geeignet.
  • Modelle mit Neigetechnik sind deutlich wendiger und schneller in den Kurven fahrbar. Deshalb sind sie für mittelschwere, schnelle Transporte auch für längere Strecken geeignet.
Trike mit Neigetechnik Bild Hannes Munzinger
Unter der Transportbox sieht man die etwas komplexere, neigbare Radaufhängung.

Backpacker oder Longtail

Der Backpacker ist ein einspuriges Lastenvelo mit verlängertem Radstand bzw. Ladefläche hinten. Der Rahmen hinter dem Sattel ist verlängert. Damit können einerseits überlange Gepäckträger montiert werden, worauf beispielsweise mehrere Kinder platz finden. Oder aber, eine tiefergelegte Ladefläche (vergleichbar mit dem Long John) wird zwischen Sattelstange und Hinterrad verbaut. Diese Räder sind ebenfalls länger aber nicht breiter als klassische Velos, doch in Lenkung und Fahrweise bemerkenswert ebenbürtig. Deshalb sind auch sie geeignet für leichte bis mittelschwere Transporte auf längeren Strecken.

Schwertransporter

Bei diesen drei- oder gar vierspurigen Lastenvelos ist meistens hinten eine mit Europaletten kompatible Ladefläche verbaut. Auch diese Räder sind deutlich breiter und länger als klassische Velos. Obschon mit Transportbox oder Blachenaufbau sind sie auch wesentlich höher. Dafür stehen sie sehr kippsicher. Diese Lastenvelos sind für langsame Fahrten, schweres und grosses Transportgut ausgelegt. Geschulte Fahrer sind von Vorteil. Weshalb sie sich weniger für den Privatbedarf eignen. Zudem benötigen sie in der Schweiz eine separate Typengenehmigung.


Schwertransporter der Firma Planzer Mit freundlicher Genehmigung von e-motion Dietikon
Schwertransporter sind weniger für den Privatgebrauch konzipiert.
(Bild: e-motion Dietikon)

Ferner braucht es für alle Lastenräder eine mehr oder weniger kurze Eingewöhnungsphase. So sollte man beim Long John beispielsweise beim Losfahren gerade aus und nicht zu Boden schauen. Oder beim Trike mit Neigemechanismus fährt sich eine Kurve nicht bereits durch ein sich in die Kurve legen, sondern erst beim Einlenken. Also empfiehlt sich, stets ein paar Runden auf geschütztem Gelände zu drehen, bevor man sich auf die Strasse wagt.


Modulare Konzepte

Bei einigen Transportvelos kann das Grundfahrzeug je nach Bedarf angepasst werden. Dank unterschiedlichen An- und Aufbauten (Boxen, Plattformen. Thermoboxen, Kindersitze, usw) kann man sie flexibel für den jeweiligen Bedarf zusammenstellen lassen.


Mit oder ohne Elektromotor

Transportvelos sind oft deutlich schwerer, als klassische Velo. Dazu kommt das Gewicht des Fahrers und der Ladung. Somit ist es verständlich, geht auch bei den Transportvelos der Trend zur Pedalierhilfe mittels Elektromotor. Dank Pedalierhilfe erlebt das fast in Vergessenheit geratene Transportmittel bei uns seinen zweiten Frühling.


Die Qual der Wahl

In Anbetracht der grossen Auswahl empfiehlt sich der Gang zum Fachhändler. Sagen Sie ihm, was sie damit anstellen wollen. Schildern Sie die Topografie in ihrem Aktionsradius. Bestehen Sie auf einer Probefahrt. So ist man vor Überraschungen gefeit und kann zum Beispiel noch Änderungen bei der Ausstattung anbringen.


Tipps am Rande

Lastenvelos sind grösseren Belastungen ausgesetzt. Deshalb sollten deutlich langlebigere Komponenten verbaut sein. Beachten Sie folgende Tipps:

  • Seien Sie skeptisch bei verlockenden, vermeintlich preisgünstigen Internet-Angeboten.
  • Auch ein lokaler Servicepartner ist für ihr Transportvelo sehr zu empfehlen. Weil guter Service und eine seriöse Kaufberatung erhält man nicht im Web.
  • Von Selbstbau-Paketen raten wir ab. Ausgenommen, Sie wissen, was Sie tun, also sind ausgebildeter Velomechaniker. Zwinker.
  • Rüsten Sie keine Lastenvelos nachträglich mit Elektromotoren aus. (Haftung, Sie werden zum Hersteller)
  • Vorsicht bei der Bremsanlage. Vor allem Trommelbremsen sind beispielsweise für Cargovelos klar unterdimensioniert.
  • Achten Sie auf eine gute Lichtanlage und gut platzierte Reflektoren.
  • Achten Sie für den Kindertransport auf eine ausreichende Sitztiefe innerhalb der Transportkiste und passende Gurten.
  • Kunststoff- und Metallkisten sind pflegeleicht und wetterfest. Holzkisten müssen von vornherein gegen Verwitterung behandelt sein und benötigen öfter Nachbehandlung.
  • Der Akku kann auch mal leer sein. Achten Sie deshalb darauf, dass ihr Wunsch-Transportvelo auch ohne Motor zu fahren ist. (Freilauf)
  • Der Akku des Transportvelos sollte gut entnehmbar sein. Nur so kann er vom Velo getrennt geladen oder gelagert werden.


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