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Nadine sollte 2017 wegen eines grippalen Infekts das Mittel Levofloxacin einnehmen. Sie habe ihrem Arzt vertraut und vier Tabletten davon genommen, sagt die Dresdnerin. Nadine heißt eigentlich anders, ihren richtigen Namen möchte sie nicht im Internet lesen, ihre Geschichte schon:
Nach Einnahme der ersten Tablette habe sie noch nichts bemerkt, sagt Nadine. Nach der zweiten Tablette habe sich ihr Geschmacksempfinden enorm verändert. "Ich habe das aber nicht in Zusammenhang mit den Nebenwirkungen gebracht", sagt die Dresdnerin. Am vierten Tag habe sie auf einmal Herzrhythmusstörungen bekommen: "Und das hatte ich noch nie in meinem ganzen Leben."
Zwei Wochen später schläft der damals Anfang 30-Jährigen plötzlich die linke Gesichtshälfte ein, sie hat Probleme beim Laufen, bekommt Angstzustände. Nadine geht zum Arzt, doch der nimmt sie nicht ernst, sagt sie. Und auch eine andere Ärztin bezweifelt, dass Nadines Symptome von dem Antibiotikum kommen.
Nadine wendet sich im Internet an das Fluorchinolone-Forum. Das hat über 1.000 Mitglieder. Schnell merkt sie: Sie ist nicht allein. Bei vielen sind die Nebenwirkungen noch schlimmer: Von gerissenen Achillessehnen und sogar Suiziden ist dort die Rede. Genaue Zahlen, wie viele wirklich von den Nebenwirkungen betroffen sind, gibt es nicht. Dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zufolge sind vergangenes Jahr rund 3,3 Millionen der gesetzlich versicherten Patienten mit einem Fluorchinolon-Antibiotikum behandelt worden.
Der stellvertretende Geschäftsführer des WIdO, Helmut Schröder, geht davon aus, dass etwa 40.000 Patienten von solchen Nebenwirkungen betroffen waren. Pro Jahr seien außerdem 140 zusätzliche Todesfälle zu beobachten.
Dem zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind die Probleme seit 2008 bekannt. 2017 hat das BfArM eine Neubewertung der Antibiotika in Auftrag gegeben. Das Resultat: Ein Warnhinweis an alle Mediziner, ein weiterer sogenannter Rote-Hand-Brief. Seit Anfang April gilt: Die Medikamente sollen nicht mehr bei harmlosen Infekten verordnet werden.
In einer Stellungnahme des BfArMs heißt es: "Die Anwendung von Fluorchinolonen bleibt jedoch weiterhin erlaubt (...). Bei bestimmten Infektionen können fluorchinolonhaltige Antibiotika lebensrettend sein."
Den Betroffenen geht das nicht weit genug, sie fordern die Anerkennung der Nebenwirkungen als Krankheit und eine finanzielle Entschädigung - ähnlich wie die Contergan-Rente. Außerdem hätten sie sich eine deutlicher sichtbare Warnung auf den Packungen gewünscht. Helmut Schröder vom Wissenschaftlichen Institut der AOK fordert dagegen, Sammelklagen gegen die Hersteller zuzulassen und den Ärzten Hilfestellungen bei der Verschreibung zu bieten, indem sie über ihre Praxissoftware gewarnt werden, wenn sie ein Fluorchinolon verordnen.
Für die Dresdnerin Nadine, deren Nebenwirkungen auch nach zwei Jahren noch anhalten, ist das nur ein schwacher Trost.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. Juni 2019 | 05:09 Uhr
Zuletzt aktualisiert: 03. Juni 2019, 05:09 Uhr