Ein Jahr mit US-Präsident Donald Trump hat den Ton in der Gesellschaft rauer gemacht. Carolyn J. Lukensmeyer will das ändern - indem sie Trump- und Clinton-Wähler miteinander ins Gespräch bringt. Es gehe um ein stärkeres Einfühlungsvermögen, sagt sie.
Ein Jahr mit US-Präsident Donald Trump hat den Ton in der US-Gesellschaft rauer gemacht. Carolyn J. Lukensmeyer will das ändern - indem sie Trump- und Clinton-Wähler miteinander ins Gespräch bringt. "Wer zuhören muss, entwickelt ein stärkeres Einfühlungsvermögen", sagt sie. n-tv.de: Wie fällt Ihr persönliches Fazit der letzten zwölf Monate aus?Carolyn J. Lukensmeyer: Es steht außer Frage, dass Trumps Verhalten und seine Art zu reden alle sozialen Normen der Höflichkeit und des Respekts in den Vereinigten Staaten verletzt. Aber nicht nur dort, sondern in jeder Demokratie auf der Welt. Und das gibt Menschen, die tief in ihrem Herzen ähnliche Gefühle haben wie Trump das Gefühl, es sei legitim, eine andere Religion, eine andere Hautfarbe oder Herkunft herabzuwürdigen. Leider glaube ich, dass das nicht nur uns Amerikaner betrifft, sondern auch Europa und andere Staaten.
Wie wirkt sich dieses Verhalten in anderen Ländern aus?Nehmen wir Trumps Fokus auf "Fake News". Wir sehen, dass die Türkei das benutzt, um den Einsatz von eigenen "Fake News" zu rechtfertigen. Wir haben es auch auf den Philippinen gesehen. Hier gibt es einen zerstörerischen Effekt auf unsere Normen, von denen wir dachten, dass unsere demokratischen Institutionen sie für uns bewahren würden.
Missbraucht Trump seine Macht?Er missbraucht auf jeden Fall das Amt des Präsidenten und auch die Macht dieses Amtes. Während seines Wahlkampfes hat er Ex-Präsident Barack Obama immer wieder scharf kritisiert, dass dieser seine Macht missbrauche, weil er Verordnungen erließ, um den Kongress zu umgehen. Aber in seinem ersten Jahr im Amt hat Präsident Trump mehr dieser Verordnungen erlassen als die letzten drei Präsidenten zusammen.
Viele Amerikaner haben das Gefühl, dass es eine Kluft zwischen dem einfachen Volk und den Politikern gibt. Ist Trump ein Grund oder ein Symptom dafür?Ich glaube, die Kluft, die die Menschen so dramatisch spüren, ist eher eine Folge der kulturellen und demografischen Veränderungen. Sie fragen sich zum Beispiel, wer demnächst oder jetzt schon in ihrer Nachbarschaft wohnt. Die hohe Zahl von Flüchtlingen, die Deutschland aufgenommen hat, muss für einige Menschen hier - vor allem für die Älteren - sehr verunsichernd gewesen sein. So ist es auch in den USA. Die Amerikaner beobachten, wie sich ihr Leben verändert, und sie haben das Gefühl, dass ihnen aus den Händen gleitet, was ihnen bisher an ihrem Land wichtig war. Zum Glück gibt es jüngere Menschen, die diese Kluft anders sehen. Sie nehmen nicht an, dass jemand, nur weil er aus einem anderen Land kommt, ein negativer Einfluss ist. Sie wissen, dass wir alle durch Wirtschaft und Kommunikation vernetzt sind. Unsere zukünftige Aufgabe wird sein, zu lernen, wie wir gemeinsam auf diesem Planeten leben können.
Ihr Institut beschäftigt sich vor allem damit, wie der gesellschaftliche Diskurs in den USA wiederhergestellt werden kann, wie ein gespaltenes Land wieder lernt, miteinander zu reden. Wie hat Trump die amerikanische Gesellschaft verändert?Vor allem hat er sie durch seine fanatische Sprache verändert. Schon während seiner Kampagne hat er immer wieder Muslime angegriffen, indem er sie mit Terroristen gleichgesetzt hat. Das ist schlicht unwahr. Es gibt Terroristen mit einem muslimischen Hintergrund, und es gibt einheimische, amerikanische Terroristen, die Massenerschießungen begangen haben und Christen waren. Es ist also eine völlige Verzerrung des Zusammenhangs. Trump hat sich über einen Reporter mit Behinderung von der "New York Times" lustig gemacht. Und das auf eine Weise, auf die kein Mensch behandelt werden sollte. Trumps Frauenfeindlichkeit ist gut dokumentiert. Nicht nur, dass es Missbrauchsvorwürfe gegen ihn gibt, sondern auch, dass er Frauen einen geringeren Wert zugesteht als Männern.
Wie genau kann Ihr Institut dazu beitragen, dass die Amerikaner wieder aufeinander zugehen? Mehr zum ThemaDie positive Realität in den USA ist, dass Millionen Amerikaner wirklich bestürzt darüber sind, wie der Präsident Twitter benutzt und wie er über andere Menschen spricht. Es gibt eine große Bereitschaft, etwas dagegen zu tun. In unseren Seminaren sitzen sich Trump- und Clinton-Wähler Auge in Auge gegenüber und debattieren darüber, warum sie für oder gegen Migration sind. Meistens gehen sie ja sogar in die gleiche Kirche oder arbeiten zusammen. Es gibt einen großen Wunsch danach, wieder in einer Zeit zu leben, in der man sich näher war. Dabei geht es nicht darum, den anderen von seinen politischen Ansichten wegzubringen. Aber es hilft, den anderen besser zu verstehen und auch zu analysieren, welche Lebenserfahrung einen selbst dazu gebracht hat, so oder so zu wählen.
Und einfach nur darüber zu diskutieren hilft dann, sich näher zu kommen?Wir haben dieses Experiment schon mit Tausenden Menschen gemacht. Wenn man an einer Diskussion teilnimmt, in der man mit dem anderen spricht, aber auch zuhören muss, dann entwickelt man ein stärkeres Einfühlungsvermögen. Danach ist man wieder in der Lage, mit dem anderen etwas anzufangen.
Mit Carolyn J. Lukensmeyer sprach Birgit Raddatz.Quelle: n-tv.de
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