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Die Bluejeans – zwischen Kult, Kommerz und Kunst

Es war nicht Levi Strauss. Hartnäckig hält sich die Legende, dass der Sohn deutscher Auswanderer in San Francisco die Jeanshose erfand. Doch gleich zu Beginn der Ausstellung "BLUE JEANS - Kult. Kommerz. Kunst." im Kulturgeschichtlichen Museum des Kunstquartiers Osnabrück erfahren Besucher, dass es den Jeansstoff Denim schon deutlich früher gab. Ein Ölgemälde aus dem 17. Jahrhundert zeigt eine Bettlerin mit ihren Kindern. Die Frau trägt eine zerrissene blaue Kittelschürze, deren Stoff anhand der typischen Abnutzungsspuren klar als Denim identifiziert wurde. Es ist das frühste bekannte Beispiel für die Existenz des robusten Materials, das, der Darstellung nach, vor allem von der Armuts- und Arbeitergesellschaft getragen wurde. Doch erst im 19. Jahrhundert eroberte die Jeans als Arbeitshose für Männer den Markt.

Levi Strauss, der im Zuge des Goldrauschs nach San Francisco übersiedelte, erkannte schnell, dass die Goldgräber und Minenarbeiter strapazierfähige Hosen benötigten. Und er erkannte das grosse Potenzial, das in der Erfindung des Schneiders Jacob Davis lag, und liess es 1873 patentieren. Davis stellte fest, dass Jeanshosen rund um den Hosenschlitz immer an den gleichen Stellen rissen, und verstärkte diesen Bereich kurzerhand mit Metallnieten. Es war die Geburt der Nietenhose, ein Begriff, der bisweilen noch heute als Synonym genutzt wird. Auch wenn die Jeans damals noch aus beigefarbenem Segeltuch bestand, so markiert dieses Patent doch den Beginn ihres Siegeszugs.

1890 erlosch der Patentschutz der Firma Levi Strauss & Co., und Mitbewerber wie Lee Jeans, Mustang oder Wrangler drängten in den Markt. Um die Marken zu unterscheiden, wurden Lederetiketten mit Firmenlogos über der hinteren Tasche angebracht, Werbung sollte die Käufer zusätzlich emotional binden. Der coole, ungebundene Cowboy wurde zum Imageträger und mit ihm die romantische Vorstellung eines freien und abenteuerlichen Lebens in den Weiten des Wilden Westens. Ein Mythos, der bis in die Gegenwart reicht.


Rebellion der Jugend

In der 1950er Jahren manifestierte sich das Cowboy-Image durch junge Filmhelden wie Marlon Brando, James Dean oder Elvis Presley. Sie verkörperten den Typus des unabhängigen Halbstarken, rebellierten gegen die auf Sicherheit und Stabilität bedachte Nachkriegsgesellschaft. Die Jeans wurde aus dem Arbeitskontext befreit und provokativ als modisches Statement getragen. Ein fast ikonografischer Dresscode aus blauer Jeans, weissem T-Shirt, schwarzer Lederjacke und sorgfältig gestylter Schmalzlocke. "Es ist die Suche nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe und gleichzeitig Abgrenzung zu der Elterngeneration", sagt Mechthild Achelwilm, Kuratorin der Ausstellung. Das zeigen auch die Fotos des Schweizer Fotografen Karlheinz Weinberger, der in der Serie "Jeans" die Zürcher Subkultur zwischen 1955 und 1964 dokumentiert, ihre Begeisterung für Rock'n'Roll und den Lifestyle ihrer Filmidole.

Während der Studentenproteste ab Mitte 1960er Jahren war die Bluejeans angesagtes Kleidungsstück der gesellschaftskritischen Jugend. Mit dem Slogan "Make Love not War" formulierten sie ihre Forderungen nach einer friedlicheren Welt und freier Liebe jenseits von bürgerlichen Zwängen und Tabus. Statt auf Mainstream setzte die Hippiebewegung auf Individualität und Selbstverwirklichung. Peace-Zeichen wurden auf Jeansjacken genäht und die weiten Schlaghosen mit Blumenmotiven, Stickereien oder Rüschen versehen. Die Jeans wurde individualisiert, oft zu eigenwilligen Kreationen, wie die Exponate von Ruedi Karrer, Gründer des Zürcher Jeans Museum, zeigen. Der Zeitgeist spiegelte sich in der Werbung: Die Jeans stand für ein besonderes Lebensgefühl, für Gemeinschaft, Freiheit und Spass.


Klischees und Geschlechterrollen

Das ändert sich ab Ende der 1970er Jahre. "Sex sells", lautete die Marketingstrategie und stellte den weiblichen Körper in den Vordergrund. Models mit hautengen Jeans, tief ausgeschnittenen Décolletés und sexualisierten Werbeslogans sollten für Absatz sorgen. 1980 dann der erste Werbeskandal einer Calvin-Klein-Kampagne. Die 15-jährige Brooke Shields beteuert in erotischer Pose, dass nichts zwischen sie und ihre Calvins passt. Die Bluejeans wurde kommerzialisiert und mit plattem Sex beworben.

Auf der anderen Seite war sie noch immer modisches Stilmittel der Subkulturen. Ab den 1970er Jahren feierte die Punkbewegung den "Destroyed Look" mit zerschnittenen Hosen, deren Löcher grosse Sicherheitsnadeln zusammenhalten. Teile der queeren Community antworteten mit einem betont männlichen "Bauarbeiter- und Holzfäller-Look" auf das Klischee des verweichlichten Schwulen. In der Rockerszene tauchte im Jeansoutfit der freiheitsliebende Cowboy als motorradfahrender Abenteurer wieder auf. Kurt Cobain verpasst der Jeans den Grunge-Look, und mit weiten Baggy Pants gibt sich die Hip-Hop-Szene in den 1980ern ihr eigenes Outfit.


Mode im Mainstream

Und doch macht es gerade die Jeans möglich, im Mainstream unterzutauchen. Eine unauffällige Uniform aus Denim, kein anderer zeigt das besser als der niederländische Konzeptkünstler Hans Eijkelboom. Über 25 Jahre hat er in den Einkaufsstrassen von Metropolen wie New York, Paris oder Schanghai Passanten fotografiert, die ähnliche Kleidungsstücke tragen. Konformität und Gleichförmigkeit, auch dafür steht die Bluejeans. "Die Jeans bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Abgrenzung und Anpassung", sagt Kuratorin Achelwilm. "Ein Gegensatz, der sich nicht auflösen lässt. Beides existiert nebeneinander." Wahrscheinlich ist es genau das, was die Geschichte der Hose so spannend macht.


Die Ausstellung "BLUE JEANS - Kult. Kommerz. Kunst." ist bis zum 10. Juli im Kulturgeschichtlichen Museum des Kunstquartiers Osnabrück zu sehen.

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