BENEDIKT WINKLER: Eminenz, der Friedensvertrag zwischen Äthiopien und Eritrea wurde am 16. September 2018 unterzeichnet. Sehen Sie den Frieden in Äthiopien mehr durch religiöse oder ethnische Konflikte bedroht?
KARDINAL SOURAPHIEL: Ich würde sagen, im Moment mehr durch ethnische Konflikte, weil das föderale Regierungssystem in Äthiopien auf ethnischer Herkunft basiert.
„Ethnische Konflikte in verschiedenen Regionen"Es brachte mehr Vielfalt, aber auch mehr Spannungen und ein größeres Gewicht auf die ethnischen Differenzen als auf die Einheit aller Menschen in Äthiopien.
Deswegen gibt es ethnische Konflikte in verschiedenen Regionen Äthiopiens. Ich hoffe, dass der neue Premierminister Dr. Abiy Ahmed das Land einen wird.
Sie haben Äthiopiens neuen Premierminister Abiy Ahmed erwähnt. Ist er der richtige Mann, die ethnischen Konflikte zu befrieden?
Ich denke schon. Er ist ein Mann der Einheit. Aber wahrscheinlich sind einige Vertreter der ehemaligen Regierung nicht glücklich mit der Art und Weise, wie er sein neues Mandat ausführt. Was ihn am meisten bewegt, ist die Liebe zu seinem Land. Ob er die richtige Person ist oder nicht, werden wir sehen.
Friedliches Verhältnis zwischen Christen und MuslimenEr hat Frieden geschlossen mit Eritrea. Wenn dieses Land gute demokratische Institutionen für eine stabile Regierung bekommt, dann kann es in Zukunft nicht nur am Horn von Afrika, sondern in ganz Ostafrika Stabilität gewährleisten.
Wie ist das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in Äthiopien?
Die Beziehung zwischen Islam und Christentum ist bisher friedlich gewesen. Der Prophet Mohammed hat den Islam in Mekka begründet. Da er von seinem eigenen Stamm verfolgt wurde, musste er fliehen. Er sandte seine Verwandten nach Äthiopien. Die Muslime kamen als Flüchtlinge nach Äthiopien. In der muslimischen Tradition heißt es: „Berühre nicht Äthiopien, weil Äthiopien immer freundlich zu uns war, als wir Flüchtlinge waren."
Wir führen eine friedliche Koexistenz, vorrangig mit den Sunniten in Äthiopien. Es gibt nicht viele Fundamentalisten in Äthiopien. Fundamentalisten wie al-Shabaab mag es in Somalia geben, die mit al-Qaida in Verbindung stehen.
Katholische Kirche ist kleine MinderheitÄthiopien ist im Vergleich mit den europäischen Ländern eine Nation mit zahlreichen jungen Menschen. Viele von ihnen suchen in Europa, Südafrika oder Saudi-Arabien nach besseren Arbeitsperspektiven. Was tut die Kirche in Äthiopien, dass junge Menschen ihr Heimatland voranbringen anstatt auszuwandern?
Die katholische Kirche ist in Äthiopien mit weniger als zwei Prozent eine Minderheit. Sie betreibt viele Einrichtungen für die Jugend, seien es Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitseinrichtungen. Wir haben mehr als 400 Schulen im ganzen Land. Die meisten Schulen in den Städten können sich selbst unterhalten, aber Schulen im ländlichen Raum brauchen Unterstützung.