1 abonnement et 3 abonnés
Article

Wie Sie Wucherpreise beim Betongold erkennen

Für die unterschiedlichen Nutzungsarten gibt es unterschiedliche Wertermittlungen.

Welcher Preis ist für ein Haus oder eine Wohnung noch angemessen? Wie verunsicherte Käufer das herausfinden können.


Wolfgang Strowitzki hat einen Blick für Immobilien. Er ist Sachverständiger für die Bewertung von Häusern und Grundstücken in Köln. Strowitzki begleitet seine Klienten durch Häuser, lässt sich Speicher- und Kellerräume zeigen, überprüft Leitungen und Rohre. Er berät sie und erklärt ihnen, welcher Preis angemessen wäre und welche Renovierungskosten auf sie zukommen könnten. Seine Expertise ist unter Immobilienkäufern gefragt: Nach eigenen Worten hat Strowitzki zurzeit "mehr als genug" zu tun.

Das dürfte sich auch nicht allzu schnell ändern. Denn nicht nur in Köln, in der ganzen Republik sind Häuser und Eigentumswohnungen als Geldanlage in Deutschland beliebt. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des Bankenverbands: 46 Prozent der Befragten würden demnach in Immobilien investieren, wenn sie in diesem Jahr einen größeren Geldbetrag zur Verfügung hätten. 2012 erwogen dies gerade einmal 17 Prozent.

Kein Wunder: Die Kreditzinsen sind so niedrig wie nie. Außerdem befeuern Inflationsängste das Interesse an Immobilien, wie eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young zeigt.


Banken empfehlen einen Gutachter

Die Flucht in Sachwerte macht sich auf den Wohnungsmärkten deutscher Metropolregionen bemerkbar - allen voran in Berlin, wo die Preise für Eigentumswohnungen laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) während der vergangenen sechs Jahre um 72,5 Prozent gestiegen sind. In 19 von 25 untersuchten Großstädten erwarten die Forscher des Instituts für das laufende Jahr einen weiteren Anstieg.

Die Deutsche Bundesbank warnt in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht bereits vor "Preisübertreibungen". All das macht es Verbrauchern schwer, einzuschätzen, ob ein Haus oder eine Wohnung das Geld wert ist, das der Verkäufer dafür verlangt.

Die "Welt" hat bei großen deutschen Bausparkassen und Finanzvermittlern nachgefragt, wie Käufer überprüfen sollten, ob der Preis des Wunschobjekts angemessen ist. Ergebnis: Alle Institute empfehlen ihren Kunden, beim Immobilienkauf den Rat eines unabhängigen Sachverständigen wie Wolfgang Strowitzki einzuholen.


Expertise stärkt die Verhandlungsposition

"Ein Wertgutachten ist in jedem Fall eine gute Investition", sagt Anke Wolff von der Santander Consumer Bank. "Nicht zuletzt kann es die Verhandlungsposition gegenüber dem Verkäufer enorm stärken." Besonders ratsam sei die Expertise eines Sachverständigen bei Altbauten und in Regionen, in denen die Immobilienpreise zuletzt stark gestiegen seien, also in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main.

Allerdings kann ein förmliches Sachverständigengutachten mehrere tausend Euro kosten, warnt Jörg Sahr, Baufinanzierungsexperte von Finanztest. Deshalb sollte man einen Gutachter nur einschalten, wer einen Abschluss schon in greifbarer Nähe hat.

Etwas günstiger ist es, wenn der Gutachter nach einem Vor-Ort-Termin kein förmliches Gutachten anfertigt, sondern nur eine einfache Einschätzung abgibt. Sie ist weniger ausführlich und verbindlich, schlägt dafür aber nur mit ein paar Hundert Euro zu Buche. Wolfgang Strowitzki aus Köln etwa nimmt 190 Euro für einen einstündigen Rundgang und ein einstündiges Beratungsgespräch sowie eine vier bis fünfseitige Zusammenfassung, in der er Wert der Immobilie und Renovierungsbedarf schätzt.


Auch der Bodenrichtwert hilft weiter

Häufig sind es die Baufinanzierer selbst, die Fachleute wie Strowitzki kontaktieren. Mitunter übernehmen sie sogar die Kosten für das Gutachten, wie die Welt-Umfrage belegt. Während manche Institute erst ab einem bestimmten Kaufpreis Experten zurate ziehen, gehört das etwa bei den Volks- und Raiffeisenbanken zum Standardprogramm, bevor sie ein Hypothekendarlehen gewähren.

Wer sich nicht gleich ein Gutachten leisten möchte, kann den Wert seiner Wunschimmobilie auch anders schätzen. Am Beginn der Immobiliensuche sollte der sogenannte Bodenrichtwert zurate gezogen werden, rät etwa Heinrich Bockolt, Experte für Immobilienfinanzierung und Professor für Finanzwirtschaft an der Fachhochschule Koblenz.

Der Bodenrichtwert gibt den durchschnittlichen Wert von baureifen, aber unbebauten Grundstücken in einem bestimmten Gebiet an, in dem ähnliche Wertverhältnisse herrschen - also etwa innerhalb einer Straße oder eines Viertels. Im vornehmen Kampen auf Sylt etwa liegt der Bodenrichtwert für Grundstücke direkt am Watt bei stolzen 5400 Euro pro Quadratmeter.


Experten raten zur Online-Wertermittlung

In den meisten Bundesländern sind die Werte inzwischen in Online-Datenbanken verfügbar, einige verlangen jedoch Gebühren. In Berlin etwa sind sechs Euro pro Abfrage fällig. Das ist nicht viel, wenn es um den Kauf eines neuen Hauses geht, allerdings ist der Bodenrichtwert allein nur ein erster Anhaltspunkt für den Wert des Grundstücks. Erstens werden die Werte vielerorts nur alle zwei Jahre ermittelt und sind gerade bei dynamischen Immobilienmärkten rasch veraltet. Zweitens signalisieren sie lediglich den Wert eines Grundstücks, der Marktwert oder auch Verkehrswert einer Immobilie kann davon aber gehörig abweichen.

Um sich näher an den Marktwert heranzutasten ohne gleich einen Gutachter zu beauftragen, empfehlen Experten die Online-Wertermittlung von Internetportalen wie Immobilienscout24. Wer damit den Wert eines Hauses schätzen lassen möchte, sollte aber nicht nur harte Fakten wie Adresse, Baujahr und Wohnfläche angeben, sondern auch den Zustand des Objekts möglichst genau einschätzen: Wie hochwertig sind etwa Dach und Fenster? Gibt es möglicherweise bald Renovierungsbedarf?

Wenn Immobilienscout24 mindestens zehn vergleichbare Objekte in seiner Datenbank findet, erhält der Kunde für 29,90 Euro eine Wertschätzung, andernfalls fallen keine Kosten an. Nachteil dieser Methode: Die Plattform berücksichtigt nur den Preis ihrer Inserate - für wie viel Geld eine Immobilie letztlich verkauft wurden, weiß Immobilienscout24 nicht.


Mancher Gutachter kann nur mit dem Kopf schütteln

Die kostenlose Wertermittlung von Meineimmobilie.de verfolgt einen anderen Ansatz: Das Portal schätzt auf Basis der Kundenangaben die Herstellungskosten der Immobilie, zieht den Wertverlust seit dem Baujahr ab und addiert den Bodenwert. Wie genau dieses Verfahren funktioniert, ist fraglich - die Webseite gesteht selbst, dass es sich bei dem Ergebnis um eine "grobe Schätzung" handelt.

"Internetportale sind eine wichtige Möglichkeit, sich an den Verkehrswert heran zu robben", sagt deswegen Experte Heinrich Bockolt von der FH Koblenz. "Aber ohne einen Fachmann vor Ort mit regionaler Expertise geht es nicht."

Viele Käufer sparen sich diesen Aufwand oder setzen sich sogar über den Rat des Gutachters hinweg - ganz nach dem Motto: Kaufen, bevor es ein anderer tut. "Wenn ich dann sehe, für wie viel Geld manches alte Haus verkauft wird", sagt ein Sachverständiger, "dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln."

Rétablir l'original