Die Trauer ist wie Ebbe und Flut", schreibt Elena Fischer ganz zu Beginn ihres tieftraurigen und doch so hoffnungsvollen Debütromans. Mal ist die Trauer stärker, mal schwächer. "Da ist sie immer."
Es sind solch wunderbar-kindliche, aber doch hochpräzise Allegorien, Metaphern und Sinnsätze, die Paradise Garden mit einem Zauber überziehen. Als die Mutter der 14-jährigen Protagonistin Erzsébet stirbt, die von allen Billie genannt wird, ist es für das Mädchen, als würde alles auseinanderfallen: "Übrig bleibt eine Buchstabenfolge, die einmal mein Name gewesen war."
Billie wächst in einem Hochhausviertel in einer nicht näher definierten Stadt auf. Ihre alleinerziehende Mutter Marika, eine ungarische Roma-Frau, die einst Tänzerin werden wollte, hat zwei Jobs, zum Leben reicht es trotzdem nicht wirklich. Die Wohnungseinrichtung stammt vom Sperrmüll und will nicht so wirklich zusammenpassen, "Holz stand neben Plastik, Plastik stand neben Metall, Metall stand neben Glas", an den Wänden kleben mit Tesa Motive aus Kalendern, die die Mutter beim Putzen aus Mülleimern gefischt hat, und zum Monatsende gibt es Nudeln mit Ketchup. Trotzdem ist es eine gute Kindheit für Billie: So eng es im Plattenbau auch ist, die Bewohner wärmen sich gegenseitig mit ihrer Menschlichkeit. In einem Café bestellt die Mutter ihrer Tochter einen Eisbecher, den "Paradise Garden", und dann träumen sie vom Meer, von Florida oder der Karibik. "Manchmal war diese Sehnsucht wie ein Mückenstich an einer Stelle meines Körpers, wo ich zum Kratzen nicht hinkam."
Dann ereignet sich ein tragischer Unfall - und Billie muss allein klarkommen.
Wenn man Paradise Garden liest, passiert etwas Seltsames: Im Kopf blinkt immer wieder das Kitsch-Warnlicht auf - und trotzdem fühlt man sich auf keiner der über 300 Seiten unangenehm berührt. Das liegt vor allem an der Hauptfigur: Ein Kind darf romantisch sein, es darf sich mit unschuldiger Aufrichtigkeit an die Kalendersprüche seiner Mutter klammern, eben weil es ein Kind ist. Umso intensiver ist diese Aufrichtigkeit, wenn sie auf die fiese Realität trifft. "Zähneklappern ist nutzlos", denkt sich Billie einmal, "wenn dich keiner hört, der dir ein warmes Bad einlässt."
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