Der Prinz von Benin war geladen, um Raubkunst zu identifizieren, und so reiste er mit Bus und Bahn durch die Schweiz, nach Basel, Zürich und St. Gallen. Nie zuvor hatte der Kunsthistoriker das Land besucht, ein Visum unter normalen Umständen fast unerreichbar. Die Schweiz machte Eindruck auf den Prinzen: Es gefiel ihm, durch den kniehohen Schnee zu stapfen, er mochte, dass es zu jeder Mahlzeit einen Korb Brot gab. In Zürich, in der Badenerstrasse, entdeckte er ein Restaurant, benannt nach seiner Urahnin, Königsmutter Idia, westafrikanische Küche. Er aß Erdnusssuppe mit Fisch, und als er die Inhaber darüber aufklärte, dass er ein Prinz von Benin sei, ein Nachfahre der Idia also, da luden sie ihn ein auf nigerianisches Bier, und er erzählte bis tiefnachts aus seinem Leben.
Am besten aber war es, als der Prinz die Kunst seiner Vorfahren in den Händen hielt. Endlich. Jene Kunst, die die Kolonialisten vor 126 Jahren aus dem Palast seines Urgroßvaters geraubt hatten, dem Oba Ovonramwen, König von Benin. In Messing gegossene Köpfe seiner Ahnen, Skulpturen wilder Tiere oder Relieftafeln, auf denen historische Ereignisse abgebildet waren. In diesem Moment, sagt der Prinz, in diesem Moment habe er sich alt gefühlt. Sehr alt. Dann schweigt er.
Der Prinz heißt Patrick Oronsaye, er ist Mitte 60 und sitzt jetzt im Büro des Waisenhauses am Rande von Benin City, Nigeria. Seine Mutter hatte es einst gegründet, an der Wand hängen etliche Auszeichnungen. Auf dem Laptop klickt er durch die Fotos seiner Reise, Betriebssystem Windows 7. Den wackligen Schreibtisch hat Western Union gespendet, am Fensterrahmen blättert der Putz, vom Innenhof drängt Kinderlärm.
Der Prinz erzählt, dass einer seiner Jungs einmal gesagt habe, mit den Benin Bronzen kehre die Geschichte zurück. Das stimme. Es sei, als wären es seine Vorfahren selbst, die nachhause kommen.
Nach Hause – für den Prinzen heisst das: in die Hände seines Neffen, des Oba Ewuare II. Der aus seiner Sicht einzig rechtmässige Besitzer.
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