Der Argens fliesst in sanften Windungen durch das mittelalterliche Correns. In einer Flussbiegung liegt ein beliebter Badeplatz, einige Dorfkinder springen kreischend von einem Felsvorsprung ins glasklare Wasser. Im Cercle de l'Avenir, der Beiz auf dem kleinen Marktplatz in der Ortsmitte, palavern Einheimische an der Theke, vor sich ein Glas Pastis oder eine Tasse Kaffee - klein, stark und schwarz. Eine südfranzösische Idylle wie aus dem Bilderbuch. Kaum etwas erinnert noch an die Ereignisse im vergangenen November. Der Argens war nach heftigen Regenfällen sechs Meter hoch aus seinem Bett gestiegen, höher als beim Jahrhunderthochwasser 1907. Ein breiter brauner Strom wälzte sich durch die schmalen Gassen von Correns, riss das Dach und einen Teil der Mauern des historischen Waschhauses mit sich, beschädigte die Brücke von Aspras, überschwemmte den Spielplatz und das Boule-Gelände. Vor 15 Jahren war man am Abgrund Doch in schwierigen Zeiten halten die Dorfbewohner besonders fest zusammen und finden eine Lösung. So wie vor 15 Jahren, als die Wein-Kooperative, wichtigster Einkommenszweig im Ort, kurz vor der Schliessung stand. Immer mehr junge Menschen zogen damals weg. Bürgermeister Michaël Latz hätte es vermutlich geschafft, seine Leute zu überreden, die unrentable Kooperative an einen Mitbewerber zu verkaufen. Doch der heute 61-Jährige hatte einen anderen Plan. Der Bürgermeister setzt auf Bio Correns' Bürgermeister, ein studierter Agrar-Ingenieur, schlug den Bauern vor, die Weinberge künftig biologisch zu bewirtschaften. So wie er das auf seinem eigenen Weingut schon lange macht. Früher hatte Latz für eine Firma gearbeitet, die Pflanzenschutzmittel an Bauern verkauft. Latz sprach davon, dass Bio den Glanz des Berufsstands zurückbringt. Den hochwertigen Biowein könnten die Winzer ausserdem teurer verkaufen, die Bioproduktion lohne sich. Die Voraussetzungen seien ideal: In Correns bewirtschaften viele kleine Betriebe viele kleine Flächen, und giftige Pestizide wurden kaum je eingesetzt. Der Vorschlag des Bürgermeisters kam gut an, nur eine Handvoll Winzer wollte von der Bio-Idee nichts wissen. 1997, also nur drei Jahre später, zertifizierte Ecocert rund 200 Hektar Rebenfläche, ebenso die komplette Wein-Kooperative. 95 Prozent der Weine aus Correns tragen seither ein Bio-Label. Das Land ist stolz auf sein Biodorf Die Nachricht, dass Correns das Weingeschäft auf Bio umstellt, verbreitete sich damals wie ein Lauffeuer. "Wir waren das Gespött im und ganzen Département", erinnert sich Latz. "Ökos" galten dazumal als langhaarige Spinner. Heute ist ganz Frankreich stolz auf das Biodorf. Touristikbroschüren loben den grünen Ort in der Provence mit seiner intakten Natur und den natürlichen Produkten. Sogar die Hollywood-Prominenz hat hier Fuss gefasst. Vor einigen Jahren haben Brad Pitt und Angelina Jolie das Schloss Miraval, eines der drei Weingüter von Correns, gekauft. Jetzt sind die Jungen dran In der Gemeinde haben seither die Jungen das Heft in die Hand genommen. Das Durchschnittsalter in der Verwaltung liegt bei 37 Jahren. Davor waren die meisten Mitarbeiter über 60. Viele junge Menschen sehen ihre Zukunft wieder im Dorf, bauen neue Häuser und gründen eine Familie. Über 80 Kinder besuchen derzeit die kleine Dorfschule. Das Bio-Konzept erstreckt sich nicht nur auf die Landwirtschaft. So wurde beispielsweise im Jahr 2001 das Rathaus nach ökologischen Gesichtspunkten renoviert. In der Kantine des neuen Öko-Zentrums am Ortsrand gibts Bio-Menüs. Und bei der Gemeindeverwaltung stehen Themen wie "Mülltrennung" und "Erneuerbare Energien" auf der Agenda. Die kommunalen Gebäude sollen bald mit Holzschnitzeln aus eigener Produktion beheizt werden. "Das Dorf hat seine Seele nicht verloren", heisst es auf der Homepage von Correns. Während viele Dörfer der Provence nur noch reine Feriendomizile für die Reichen sind, gehört Correns den Einheimischen. Und Bürgermeister Michaël Latz ist ein vielgefragter Mann, der Besuchergruppen aus der ganzen Welt über die Felder führt. Kräuterpioniere in Correns Vor mehr als sechs Jahren kam auch der Schweizer Jean-Pierre Droz hierher. Der Spezialist für Kräuteranbau startete in Correns ein Anbauprojekt für Duft- und Heilkräuter. Auf den ersten Blick bietet die Gegend im Département Var keine idealen Bedingungen dafür. Das Klima ist trocken und rau. Correns bildet hier aber eine Ausnahme: Umgeben von grünen Hügeln, Gebirgszügen, Kiefern- und Eichenwäldern, liegt das Dorf in einer geschützten Senke. Der Fluss Argens, der mitten durch die Ortschaft fliesst, sorgt auch in regenarmen Sommern für ausreichend Wasser. Mehrere Jahre lang bepflanzten einige Bauern Versuchsflächen mit Salbei, Rosmarin, Lavendel und anderen Duftpflanzen, um herauszufinden, an welchem Platz die Bedingungen für welche Sorte am besten sind. Dieses Jahr gibt es endlich die erste richtige Ernte. Biobauer Michel Didier schiebt Berge von duftendem Thymian und Rosmarin auf den Vorplatz einer neu gebauten Halle am Ortsrand. Die Halle gehört dem Naturkosmetik-Unternehmen Farfalla, auch die Des-tille darin hat die Schweizer Firma gekauft. Sie wird das ätherische Öl der Duftpflanzen aus Correns in ihren Produkten einsetzen. Drei junge Männer packen gleich kräftig an, die Kräuter müssen sofort verarbeitet werden, sonst verflüchtigen sich die kostbaren ätherischen Öle darin. Es gibt viel zu tun im Biodorf.
Astrid Kramer-Wahrenberg
Frankfurt
Reportage
Alles grün: Ein Bio-Dorf in Frankreich
Schweizer Magazin Olive, 2012 - Ein kleiner südfranzösischer Ort steckt in Schwierigkeiten, erfindet sich gegen alle Widerstände neu und wird sogar ein wenig berühmt. Klingt wie ein Roman, ist aber wirklich passiert. Voilà Correns: Frankreichs erstes Biodorf.
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