In Piovera, einem der Randviertel Madrids, blühen die ersten Kirschbäume. Anfang März beginnt in der Frühling. Die Ronda de la Abubilla liegt im Sonnenschein, vor einem der Gebäude hat sich eine Menschentraube gebildet. Rund ein Dutzend Personen blicken still auf ein grün angestrichenes Eisentor, hinter dem sich die ukrainische Botschaft verbirgt. Als sich das Tor endlich öffnet, tritt ein muskelbepackter Mann in Militärgrün hinaus. Die Wartenden rufen, drängen zum Tor. Der Botschaftsmitarbeiter spricht laut auf Ukrainisch. Die Menschen weichen zurück.
Der Botschaftsmitarbeiter winkt eine zu sich heran und prüft ihre Dokumente. Das Pärchen mit zwei Kindern hat einen Termin zur Passerneuerung und darf eintreten. Zwei junge Frauen laufen dem Botschaftsmitarbeiter aufgeregt entgegen. Ob er ihnen helfen könne, sie wüssten nicht, wohin. Die Antwort: Es gebe noch keinen Plan. Sie sollten die sozialen Medien der spanischen Regierung verfolgen.
Maryna Rabchevska und Sofia Polonska sind Touristinnen. Vor zwei Wochen verließen die beiden 19-Jährigen die , sie hatten einen schönen Urlaub geplant. Zuerst einige Tage mit Rabchevskas Vater und seiner neuen Familie in der Slowakei verbringen, dann auf eigene Faust weiterziehen. Zwei Freundinnen in den Semesterferien, wie so viele ihrer Altersgenossinnen. Im Gepäck: Kleidung für zwei Wochen, der Reisepass, die Zahnbürste. Dann beginnt der Krieg. Und den jungen Frauen wird klar, dass sie nicht mehr so schnell nach Hause zurückkehren würden. Sie reisen nach Madrid, wo sie bei Freunden unterkommen können.
Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer momentan in derselben Situation sind, ist unklar. Die ukrainischen Behörden haben bisher keine Zahlen darüber veröffentlicht, wie viele ihrer Landsleute im Ausland von der russischen Invasion überrumpelt wurden. Die wenigsten haben es noch zurückgeschafft. Flüge aus Spanien in die Ukraine wurden noch am ersten Tag der Invasion eingestellt.
Zwar versprachen die EU-Länder schnelle und unbürokratische Hilfe für Ukrainer im Ausland. Doch was auf dem Papier hübsch aussieht, verliert sich in der Praxis, wie in Piovera, im Bürokratiedschungel.
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"Ich hätte nie gedacht, dass so etwas passieren würde", sagt Maryna Rabchevska. "Ich fühle mich schuldig, dass ich nicht dort bin." Aber gleichzeitig denke sie, dass es besser sei, wenn mehr Zivilisten im Ausland seien. So gebe es weniger Menschen, um die sich vor Ort gekümmert werden müsse. Sofia Polonska erzählt, dass ihre Eltern noch in Kiew seien: "Sie haben sich im Badezimmer verschanzt, das ist sicherer, weil es keine Fenster hat."