Canan Emcan, 32, Stationsleiterin Infektiologie, Essen
Die Motivation auf unserer Station ist weiterhin sehr hoch. Unsere Teams sind super flexibel. Wenn in einem Team jemand ausfällt, springen andere ein. Im Vergleich zum Frühjahr sind wir sehr gut eingespielt: Wir kennen die Schutzkleidung, wir wissen, wie man Betten verlegt, ohne Risiken einzugehen, und die Hygienerichtlinien ändern sich nicht mehr täglich - das erleichtert die Arbeit. Natürlich kommen jetzt im Winter noch andere Infektionskrankheiten wie die Grippe dazu, aber auch das werden wir schaffen. Wir haben schon jetzt unser Team von zwei auf drei Pflegende pro Schicht erhöht und bekommen Unterstützung von Hilfskräften. Damit kommen wir gut hin.
Was mich ärgert, ist die mangelnde Wertschätzung von außen. Eigentlich sollten Pflegefachpersonen, die Covid-19-Patienten behandeln, eine Sonderzahlung von bis zu 1.000 Euro erhalten. Aber ich habe bisher keinen Corona-Bonus erhalten. Das ist enttäuschend, nachdem im Frühjahr so viel darüber geredet wurde. Natürlich fühle ich mich nicht genug wertgeschätzt. Unsere Arbeit ist jetzt genauso wichtig wie vor der Krise.
"Heute klatscht keiner mehr. Im Gegenteil: Von den Angehörigen werden wir am Telefon teilweise angeschrien." Canan Emcan, 32, Stationsleiterin Infektiologie, EssenIn der Bevölkerung geht die Anerkennung, die wir im Frühjahr gespürt haben, auch stark zurück. Heute klatscht keiner mehr. Im Gegenteil: Von den Angehörigen werden wir am Telefon teilweise beleidigt und angeschrien. Diese haben kein Verständnis für das generelle Besuchsverbot, das bei uns gilt. Die Kolleginnen und Kollegen melden mir das oft. Ich versuche dann zu vermitteln, wenn auch das nicht hilft, unterstützen uns die Oberärztinnen und Oberärzte. Wir versuchen klarzumachen, dass wir uns und die Patientinnen und Patienten dadurch schützen.
Den Lockdown halte ich für absolut richtig. Ich glaube, die Leute brauchen das, um mal runterzukommen. Es erschreckt mich zu sehen, wie wenig ernst viele das nehmen. Als Krankenpflegerin muss ich besonders aufpassen, damit ich die Patientinnen und Patienten nicht anstecke. Ich war in den letzten Monaten nur zu Hause und bin mit dem Auto zur Arbeit gefahren, um den öffentlichen Nahverkehr zu meiden. Meine Familie besuche ich einmal in der Woche, aber umarmt habe ich sie schon seit März nicht mehr. Das fällt mir auch schwer. Aber es muss sein: für die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten und für meine Eltern.
"Wir verstehen die Erkrankung nun deutlich besser"Jan Ulrich, 33, Oberarzt, Hamburg
Die zweite Welle ist da - und im Vergleich zu Ostern sehen wir mehr positive Fälle. Allerdings testen wir auch mehr. Die Menschen sind müde geworden und halten sich nicht mehr so streng an die Regeln. Anders als beim ersten Mal waren es zunächst mehr junge Leute, die sich mit dem Virus angesteckt haben. Menschen, die aus dem Urlaub zurückkommen oder sich auf Privatfeiern anstecken. Ein junger Mensch steht die Viruserkrankung, bis auf einige traurige Einzelfälle, meist gut durch. Doch jetzt sehen wir wieder vermehrt ältere Patienten, die zu kämpfen haben. Wir haben aus der ersten Infektionswelle als Betrieb gelernt: Unsere Abläufe sind optimiert, wir verstehen die Erkrankung nun deutlich besser und wir haben ausreichend Schutzausrüstung. Dabei arbeiten wir Internisten sehr eng mit unseren Kollegen aus der Intensivmedizin zusammen.
Weil sich die Corona-Fälle bei uns wieder stark häufen, haben wir erneut eine ganze Station für diese Patienten eingerichtet, denn nur so können wir sie von den Patienten auf anderen Stationen abschirmen. Mindestens einmal wöchentlich findet eine Krisensitzung statt, mit der wir die Lage analysieren und uns auf Veränderungen sehr genau einstellen. Ich glaube, wir sind gut vorbereitet. Natürlich gibt es weiterhin einen Pflegekräftemangel. Es war zu erwarten, dass wir in der kurzen Zeit keine neuen Pfleger und Pflegerinnen bis zum Winter bekommen. Die Betreuung gerade von hochinfektiösen Patienten benötigt ein hohes Maß an Ausbildung und Erfahrung. Eine Verbreitung des Virus über das Personal darf nicht passieren. Soweit es die Situation zulässt, wird daher auf unerfahrene Hilfskräfte auf der Isolierstation verzichtet. Medizinstudierende leisten dafür einen tollen Beitrag in den Testzentren und unterstützen die Gesundheitsämter in der aufwendigen Kontaktverfolgung.
"Existenzangst muss auch ernst genommen werden." Jan Ulrich, 33, Oberarzt, HamburgIch glaube unsere Krankenhäuser stehen einigermaßen gut da. Die Bettenpauschale und andere Hilfen vom Bund haben wirklich etwas bewirkt. Es ist natürlich wirtschaftlich trotzdem ein schlechtes Jahr. Bei den Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden, muss man abwarten, was wirklich hilft. Dass Massenveranstaltungen derzeit nicht stattfinden dürfen, sollte allen klar sein. Ich persönlich finde es aber schwierig, auch Restaurants und Cafés wieder zu schließen - die Gastronomen haben sich wirklich sehr bemüht, die vorgeschriebenen Hygienekonzepte umzusetzen. Ein Effekt könnte eine Verlagerung der Ansteckungen noch mehr ins Private sein. Wir brauchen einen Mittelweg zwischen medizinisch notwendigen Maßnahmen und einem Handlungsspielraum für unternehmerische Aktivität. Existenzangst muss auch ernst genommen werden.