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Ein Turnier zwischen internationaler Randnotiz und nationaler Hockey-DNA

Rekord-Europameister Deutschland startet die nächste Mission Gold: Am Donnerstag beginnt in Berlin die Hallenhockey-EM der Frauen. Über eine Disziplin mit viel Potenzial, die mit ihrem internationalen Stellenwert zu kämpfen hat. Von Anton Fahl

Stellen Sie sich vor, Deutschland trägt eine Europameisterschaft aus - und der Bundestrainer geht nicht hin.

In anderen Sportarten undenkbar, im Hockey nichts Ungewöhnliches. Während für die deutschen Hallenhockey-Frauen am Donnerstag im Berliner Horst-Korber-Sportzentrum die Europameisterschaft startet (8. bis 11. Februar, live auf EuroHockey TV), ist Bundestrainer Valentin Altenburg in Argentinien unterwegs. Dort findet dieser Tage ein Feldhockey-Wettbewerb - die FIH Pro League - statt. Es sind Spiele, die in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, die in weniger als sechs Monaten in Paris beginnen werden, von großer Bedeutung sind.

"Wir haben schon häufiger spezielle Hallen-Teams gebildet, von daher ist das keine Besonderheit mehr", sagt Martin Schultze, Sportdirektor des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), im Gespräch mit rbb|24.

Zwei "Hallen-Spezialisten" springen ein


Vertreten wird Altenburg in der deutschen Hauptstadt von Dominic Giskes, der seit Januar hauptamtlich als U21-Nationaltrainer fungiert, und Markus Weise, der die Frauen (2004) und Männer (2008, 2012) einst als Bundestrainer zu olympischen Goldmedaillen führte. Weise, das betont Schultze, "ist der erfolgreichste Trainer überhaupt im Welt-Hockey." Klar ist also: In Altenburgs Abwesenheit ist für mehr als genügend Expertise an der Seitenlinie gesorgt.

"Für uns macht das im Rahmen des Turniers keinen Unterschied", sagt auch die deutsche Torhüterin Rosa Krüger. "Mit Dominic Giskes und Markus Weise wurde eine gute Lösung gefunden, sie sind beide Hallen-Spezialisten. Es kann ein riesiger Vorteil sein, von den beiden Impulse zu bekommen."

Ohnehin sei die Vorfreude "riesig. Gerade vor heimischer Kulisse ist es etwas ganz Besonderes, das ist ein echtes Highlight. Wir freuen uns alle darauf, dass es endlich losgeht", so die Spielerin vom Harvestehuder THC, die auch schon bei vergangenen Welt- und Europameisterschaften zum Aufgebot der "Danas" zählte.

Deutschland - eine Hallenhockey-Nation


Schließlich geht es auch in Berlin um viel. Um Prestige und Medaillen, klar. Vor allem aber auch um Anspruch und Ehrgeiz des DHB. Die Zahlen lügen nicht. Im Hallenhockey ist Deutschland eine Übermacht, sowohl bei den Damen als auch bei den Herren Rekord-Europameister und Titelverteidiger. Die Männer holten bislang 17 von 21 möglichen Pokalen, die Frauen 16 von 21. In einer Disziplin, die essenzieller Bestandteil der deutschen Hockey-DNA ist. Erst am vergangenen Sonntag feierten die Männer im belgischen Leuven den nächsten Triumph.

"Wir wollen Europameister werden", lautet so auch die wenig überraschende Zielvorgabe, die Schultze für das Turnier der Frauen in Berlin ausgibt. "Die anderen Nationen - allen voran Belgien und Spanien - sind aber sehr nah rangekommen und investieren sehr viel, um uns den Schneid abzukaufen."

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Hallenhockey in einigen der führenden Hockey-Nationen Europas - etwa in den Niederlanden, England oder Frankreich - nicht annähernd den gleichen Stellenwert hat wie hierzulande. Von asiatischen und südamerikanischen Ländern ganz zu schweigen. Im Feldhockey dominieren die Niederländerinnen dagegen seit vielen Jahren die Wettkämpfe, wurden zuletzt drei Mal in Folge Weltmeister und standen 2008, 2012 und 2021 ganz oben auf dem olympischen Treppchen.

"In vielen Ländern ist Hallenhockey noch nicht so populär, in anderen wird überhaupt kein Hallenhockey gespielt. Die Niederländer haben zum Beispiel die Männer- und Frauen-Teams bei den Europameisterschaften zurückgezogen, um sich besser auf die Olympischen Spiele vorzubereiten", weiß auch DHB-Torhüterin Krüger.

Schultze: "Eine Stimmung wie in den Hallen ist auf dem Feld nicht möglich"


Der Hockey-Weltverband FIH spielte zuletzt sogar mit dem Gedanken, die Hallenhockey-WM komplett aus dem Programm zu streichen - nicht zuletzt aufgrund eines ohnehin vollen Terminkalenders und mangelnder, globaler Strahlkraft.

"Natürlich muss das Feldhockey im Vordergrund stehen, weil es die olympische Disziplin ist", räumt Schultze ein. "Ich denke aber schon, dass wir auch das Hallenhockey brauchen. Für die technische Entwicklung der Spielerinnen und Spieler sind diese Turniere top. Und gerade die etwas Jüngeren können sich auf diese Weise auf noch größere Spiele vorbereiten."

Davon abgesehen liegen die Vorzüge des Hallenhockeys auf der Hand - gerade in puncto Übertragung und Vermarktung: Das Feld ist kleiner, das Spiel schneller, es fallen mehr Tore und die Atmosphäre ist besser. "So eine Stimmung wie in den Hallen ist auf dem Feld, selbst in einem vollen Stadion wie in Mönchengladbach, nicht möglich. Bei der WM 2018 waren 9.000 Fans in der Max-Schmeling-Halle. Das war ein Fest", schwärmt Schultze.

Quo vadis, Hallenhockey?


Und doch ist auch Schultze bewusst, dass es - in allen nationalen Verbänden - Handlungsbedarf gibt, um die Zukunft und Attraktivität des Hallenhockeys sicherzustellen. "Man muss sich (auf Nationalmannschaftsebene; Anm. d. Red.) davon verabschieden, dass die Mannschaften, die Feldhockey spielen, auch das Hallenhockey bestreiten. Das sind bei uns zwei unterschiedliche Kader und Spezialisten", so der DHB-Sportdirektor. "Auch weltweit ist das die einzige Tendenz, die möglich ist. Es ist völlig unmöglich, das volle Programm auf dem Feld mitzufahren und zusätzlich in der Halle aktiv zu sein."

Vor allem scheint es aber auch der einzige Weg zu sein, um zu gewährleisten, dass internationale Hallenhockey-Turniere auch in Zukunft Wettkämpfe bleiben, die diese Bezeichnung auch verdienen.

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