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Backkulturen in Berlin

Eine neue Generation von Cafébetreibern setzt auf Selbstgebackenes und bringt dabei Backkulturen anderer Länder in die Hauptstadt.

Ein verregneter Dezembernachmittag - der Wind fegt durch die Friedelstraße und treibt einen geradezu durch die Tür des kleinen Cafés Katies Blue Cat. Ngoc Duong steht hinter der Theke, brüht einen Kaffee nach dem anderen und schiebt Kuchenstücke auf kleine Teller. Olivia Wood, die zweite Inhaberin, kommt gerade aus der Backstube. Vor einem halben Jahr haben die beiden ihr Spezialitäten-Café eröffnet, davor lag eine lange Vorbereitungszeit. Das liegt auch daran, dass die beiden Katies nicht einfach nur irgendein Café aufmachen wollten, sondern eines mit einem speziellen Konzept. Duong arbeitete 16 Jahre lang in der Gastronomie. "Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es derzeit in Berlin wichtig ist, dass man sich spezialisiert. In unserem Fall auf die nordamerikanische und englische Backtradition". Auf diese Idee kamen die beiden nicht, weil amerikanische Klassiker wie Cupcakes in der Hauptstadt immer beliebter werden. "Das Konzept ist authentisch, ich bin nämlich Kanadierin", erzählt Wood.

Dass sie sich gerade in Neukölln niederließ ist kein Zufall, immer mehr junge Leute aus der ganzen Welt ziehen hierher. Um in der fremden Stadt heimisch zu werden, brigen sie liebgewonnene Traditionen ihrer Heimatländer mit, gerade kulinarische. Ähnlich wie in Brooklyn erweist sich Neukölln als Melting pot einer Generation, die Moderne und Tradition gleichermaßen als Lebenstil pflegt. "Als ich Mutter wurde, habe ich überlegt, was ich toll fand in meiner Kindheit, und meine Mutter hat immer gebacken. Etwas ganz Simples wie frische, gute Muffins. Das wollte ich auch können!" Mit Begeisterung legte die geborene Kanadierin los, als Quereinsteigerin im Bäckereibetrieb, vorher hatte sie als Grafikerin gearbeitet. Wichtig ist Wood und Duong dass man außer den amerikanischen Klassikern in ihrem Café auch Back­waren entdecken kann, die hierzulande unbekannt sind. Zum Beispiel Anzacs, "das sind Kekse, mit Kokosnuss, Haferflocken, Sonnenblumenkernen und Golden Syrup, die riechen beim Backen, als würde man durch ein Blumenfeld laufen", schwärmt Wood. Oder Buttertartes, kleine Törtchen mit einer mürbeteig­artigen Außenschicht, gefüllt mit Eiersahne und braunem Zucker.

Ein paar Häuserblocks weiter, am unteren Ende der Friedelstraße hat Mitte Oktober eine weitere Back-Adresse eröffnet, Bullys Bakery. Benannt ist das Café nach Bulldoge Kurt. Der sitzt manchmal auf der breiten Fensterbank und lässt sich von Gästen streicheln. Daniel Wemhöner, eines der Herrchen von Kurt, träumte schon lange vom eigenen Bäckerei-Café. "Ich habe in der Küche gearbeitet, aber immer die Konditoren beneidet, weil da nicht so viel Hektik war." Anders als viele der neuen Cafébesitzer hat Wemhöner in Barcelona eine Konditorlehre gemacht. Auf eine bestimmte Backtradi­tion legt er sich nicht fest, bringt aber Einflüsse seiner Reisen in sein Café. Dänische Plunder, deutsche Kuchen, amerikanische Cupcakes und Muffins bäckt er morgens frisch.

Ein Veteran der Neuköllner Backkultur befindet sich in der Pannierstraße, ein paar Minuten von der Friedelstraße entfernt: die Kuchenmanufaktur Koriat. Aufgewachsen ist Gründer Aviv Koriat in einem israelischen Kibbuz. Auch seine Leidenschaft fürs Backen hat ihren Ursprung in der Kindheit. Damals hat er das Backen im Kibbuz gelernt, wo die Rezepte und Backtraditionen der emigrierten Juden aus ganz Europa zusammenkamen. Später hatte er keine Zeit mehr für das Backen. Koriat arbeitete als Produktdesigner und irgendwann "wurde mir der Job mit den zahllosen Meetings langweilig. Da habe ich abends Kurse in französischer Patisserie belegt". Als er seiner Frau nach Berlin folgte, buk er weiter. Seine Kuchen wurden begeistert aufgenommen, nach zwei Jahren grün­dete er die Kuchenmanufaktur und erinnerte sich an die Re­zepte seiner Kindheit. Koriat kann zu jedem Rezept etwas erzählen. "Meine Lieblingsgeschichte ist die des orientalischen Orangenkuchens, der kommt aus Ägypten und ist dann durch viele arabische Länder gewandert und auch in Europa verbreitet."

Auf Feinheiten achtet auch Conny Suhr, nicht in Neukölln, sondern in Mitte. In der Tucholskystraße residiert sie seit Mitte November unter dem Namen Princess Cheesecake. Sie verwendet fast ausschließlich saisonale und regionale Produkte, setzt außerdem auf Handarbeit. „Wir wollen die Tradition des Konditorhandwerks wiederbeleben, wo alles selbst gemacht wurde." Es gibt zwar nicht nur Käsekuchen, einen Quark- oder Frischkäseanteil haben die Torten aber alle: von der Champagnertorte bis zur Zitronen-Käse-Tarte. Suhr arbeitet in der PR-Branche, lebte in Israel und den USA. Auf die Idee mit der eigenen Konditorei kam sie bei einem Besuch in der berühmten Cheesecake Factory in Los Angeles. Bei Princess Cheesecake spielt sie mit Rezepten aus verschiedenen Länder. "Ich lasse mich gern inspirieren. Das Ziel ist es, mit dem Rezept einen kreativen Prozess zu durchlaufen".

Text: Annika Zieske

Bullys Bakery Friedelstraße 7, Neukölln, Tel. 25 32 55 00, www.bullysbakery.com, Mo-Fr 8-18 Uhr, Sa+So 9-18 Uhr

Katies Blue Cat Friedelstraße 31, Neukölln, Tel. 0179-941 07 83, www.katiesbluecat.de, Di-Fr 8.30-18.30 Uhr, Sa+So 10-19 Uhr

Koriat Kuchenmanufaktur Pannierstraße 29, Neukölln, Tel. 28 87 91 97, www.koriat.de, tgl. 9-17.30 Uhr

Princess Cheesecake Tucholskystraße 37, Mitte, Tel. 28 09 27 60, www.princess-cheesecake.de, Mo-So 12-19 Uhr

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