Wer mal ein paar Wochen verreist ist oder sich wie ich mit einem Spiel im Zimmer einschließt, dem kann so einiges entgehen. Darum rufen wir jetzt die Rubrik „Verpasstes" ins Leben, um hin und wieder nachzuholen, was wir verpassten. Und das ist so einiges...Wir fangen an mit dem Horrortitel „Ich seh, Ich seh".
Slasher, Zombies und auch Geister. Über die vergangenen Jahre fanden Horrorfilme vielerlei Wege, uns Zuschauern das Fürchten zu lehren. Das wahrhaftig Unheimliche, der eigentliche Schrecken, schlummert jedoch tief in unserem Inneren.
Viele von uns gingen als Kinder durch die „Ich glaube ich bin adoptiert"- oder „Das sind nicht meine echten Eltern"-Phase. Ein seltsamer Abschnitt des Erwachsenwerdens, in dem wir die eigentlich offensichtlichen Tatsachen hinterfragen. Was aber, wenn aus einer kleinen kindlichen Theorie ein ganzer Ablauf schrecklicher Ereignisse entsteht? Nach einer Schönheits-OP kehrt die Mutter von Zwillingen heim. Diese sind jedoch sichtlich irritiert und erkennen ihre eigene Mutter unter dem schmerzhaft angeschwollenen Gesicht und den vielen Verbändern nicht wieder. Ich seh, Ich seh spielt mit der ständigen Frage, wen wir nun wirklich vor uns auf der Leinwand zu sehen haben. Ist diese Frau im Haus vielleicht gar nicht die, die sie vorgibt zu sein?
Mit einigen sehr interessanten Ansätzen und Twists lenken uns Veronika Franz und Severin Fiala genau in die Richtung, die sie haben wollen. Auch wenn zur Hälfte des Films klar wird, in was für einer Situation sich die unscheinbare Familie tatsächlich befindet, verfolgt der Film stets neue und kluge Ansätze, um seine Geschichte zu erzählen. Statt der 08/15-Plots - die uns mittlerweile in fast jeden Film um die Ohren gehauen werden - schafft es Ich seh, Ich seh, mir in einigen Szenen dieses unglaublich unwohle Gefühl im Magen zu geben.
Zwillinge nahmen im Horror-Genre schon immer einen besonderen Platz ein - neben wackeligen Geist-Aufnahmen und Kettensäge schwingenden Serienkillern. Durch die starke Bindung zwischen Zwillingen erscheint ihre Kommunikation fast schon telepathisch, als würden sie wissen, was der andere im selben Moment denkt. Ganz nach dem Leitbild des Stephen King- / Stanley Kubrick-Klassikers Shining hat die Zwillings-Symbolik auch hier einen besonderen Stellenwert. Im Leitbild der unheimlichen Zwillinge wird immer wieder mit der Situation gespielt. Wer stellt die größere Gefahr dar: die Mutter oder vielleicht doch die beiden blonden Jungs?
Um diese Frage beantworten zu können, musst du wohl oder übel selbst ein Auge (oder sogar dein Zwillingspaar) auf den Film werfen. Bist du ein Fan von Klassikern wie Shining und legst eher Wert auf die richtige Stimmung statt laute Jumpscares, so kann ich dir Ich seh, Ich seh wärmstens empfehlen! Auch wenn das Ende noch um einiges runder und passender ausfallen könnte, bekommst du mit dem österreichischen Psychohorror knappe zwei Stunden spannende Unterhaltung.
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