Ganze sieben Jahre ist es her, dass man etwas Neues von der Rainbow Six-Reihe hörte. Ende letzten Jahres teaserte Ubisoft Montreal nun die Fans mit einem neuen Trailer. Wie auch seine Vorgänger schmückt sich der neue Teil mit dem Namen Tom Clancy und hört auf den mehr oder weniger klangvollen Titel: Tom Clancy's Rainbow Six: Siege. Letzte Woche wurde der Zugang für die Alpha-PC-Version beendet. Mit einer entsprechenden Anmeldung konnte man schon einmal auf zwei Karten („Haus" und „Präsidentenflugzeug") zugreifen und hineinschnuppern. In denen letzten sieben Jahren hat sich eine Menge getan in der Shooter-Szene. Schon in den Vorgängern der Rainbox-Reihe mangelte es an Taktik im Spiel. Für ein Franchise, dass sich als Taktik-Shooter bezeichnet, recht schwach. Wo liegt nun also der Unterschied zwischen Rainbox Six: Siege und einem handelsüblichen Shooter wie Battlefield oder Call of Duty?
In einem 5vs5-Spiel steht man entweder auf der Seite der Terroristen oder schließt sich dem SWAT-Team an. Das SWAT-Team stellt hier also „die Guten" dar. Das Team der Terroristen hat eine Geisel, diese gilt es zu verteidigen. Per Vote wird je nach Mappe im Team entschieden, welcher Spawnpunkt sich für die Verteidigung der Geisel am besten eignet. Abhängig vom Ort werden Fenster verbarrikadiert, Wachen aufgestellt oder Draht gelegt. Aufgabe des SWAT-Teams ist es dann, den Standort der Geisel zu orten und diese so schnell wie möglich (auf Zeit) zu befreien, um mit ihr zu entkommen. Erschießt einer der beiden Teams die Geisel, ist das Spiel verloren. Recht logisch, denn im diesem Zustand bringt die Geisel keinem der beiden Teams etwas.
In Sachen Charaktere wurde so ziemlich alles abgedeckt. Spielt man eher den Haudegen des Teams, so empfiehlt sich Sledge, ein Mitglied der Terroristen-Einheit. Dieser kann mit seinem Hammer Wände, Böden und auch Barrikaden pulverisieren. Gegen verstärkte Barrikaden von Castle (SWAT) hat er jedoch keine Chance. Jeder Charakter der Einheit hat also einen entsprechenden Gegenspieler im feindlichen Team, womit die unterschiedlichen Fähigkeiten gut ausbalanciert werden. Ein anderes Beispiel ist Pulse (SWAT). Mit einem Puls-Sensor gewappnet, kann man selbst durch Wände die terroristische-Einheit sehen. Eine ziemlich starke Fähigkeit, wenn man sich gut mit dem Team abspricht. Verstecken und Campen werden dadurch fast unmöglich gemacht. Hat man als Terrorist jedoch Thatcher im Team, dann ist das kein Problem. Durch High-Tech-Technologie à la Watch Dogs kann dieser gegnerische Gadgets außer Betrieb setzen.
In der Vergangenheit wurde vor allem der taktische Aspekt in Rainbow Six großgeschrieben. So hielt man nur knapp zwei Schüsse aus. Unüberlegtes Handeln wurde sofort mit einem Permadeath bestraft. Wegpunkte wurden festgelegt, Ausrüstungsgegenstände taktisch verteilt und die Absprache mit dem Team war wortwörtlich überlebenswichtig. In Shootern wie der Battlefield-Serie sieht das Ganze schon anders aus: Reinrennen, versuchen alles abzuschießen was sich bewegt, sterben und in fünf Sekunden respawnen. Statt taktischer Absprachen überwiegen hier im Voice-Chat die Beleidigungen an die eigene Mutter oder auf Russisch fluchende Spieler.
Die Angst der Rainbow Six-Fans bezieht sich genau auf diesen Punkt. Denn in der Alpha-Phase des neuen Titels zählte vor allem eins: Die Gegner so schnell wie möglich auszuschalten. In kaum einem der Matches, die ich in der Alpha spielte, wurde auf die Geisel geachtet. Das SWAT-Team war lediglich auf die Eliminierung der Terroristen aus. Klar, gewonnen hat man trotzdem, aber hat das dann überhaupt noch etwas mit einem taktischen Shooter zu tun? Wo setzt man die Grenze zwischen Taktik und simpler Ballerei? Etwas schade, denn die Zusammensetzung der Teams gefällt mir bisher sehr gut. Für jeden Spielstil steht ein entsprechender Charakter zur Auswahl. Zusammen mit Freunden könnte so ein sehr schönes Teammatch entstehen. Meine Hoffnung setze ich jetzt also auf Ubisoft Montreal: Bitte, bitte bestraft die ungeduldigen Kids, die ohne jegliche Absprache in das Getümmel rennen und dabei auch noch Erfolg haben. Ich möchte gezwungen sein, taktischer zu denken und jeden Schritt überlegen müssen, damit ich mich nicht doch in einem Kugelhagel wiederfinde, der für mich tödlich enden würde. Im Bereich der Shooter ist der Markt durch Titel wie Battlefield und Call of Duty bereits recht gut abgedeckt.
Am Ende noch ein kleines Lob an Ubisoft, die ja in der Vergangenheit behaupteten, „Frauen seien schwieriger zu animieren." Mit Twitch und Ash sehe ich das erste Mal im (taktischen) Shooter-Genre Frauen. Nicht einmal Spielreihen wie Battlefield schafften es in ihrer 13-jährigen Spielgeschichte, einen spielbaren weiblichen Charakter zu kreieren.
Kommen wir auf den Punkt. Da sich das Spiel noch in der Alpha-Phase befindet, kann sich noch so einiges ändern. Neben Bug & Glitch-Behebungen werden sicher auch noch eine Menge Gameplay-Veränderung und Dinge im Balancing des Spiels vorgenommen werden. Vielleicht lauscht Ubisoft Montreal ja doch nochmal den Fans und geht wieder mehr in Richtung Taktik als Shooter. In der Zwischenzeit gehe ich mich weiterhin im Voice-Chat anschreien oder von Teamkameraden anschießen lassen.