Digitalisierung im Travel Management heißt: Komplexität raus, Transparenz rein, Prozesskosten runter. Als Ticket dorthin gilt ein integrierter End-to-End-Prozess rund um die dienstlich veranlasste Reise. Das klingt gut, ist aber nicht ohne, wie Prozessberater Jens Vongehr nur allzu gut weiß. Ein Gespräch über die Bedeutung der Prozessplanung.
Die Digitalisierung ist Treiber für die Prozess(kosten)-optimierung in Einkauf und Accounting. Das Ziel ist ein integrierter Prozess: von der Absicht zur Reise über die Planung und Buchung bis hin zu ihrer Abrechnung und dem Verbuchen im ERP-System. Idealerweise muss man dann nicht mehr mehrere Systeme für Antrag, Buchung und Abrechnung nutzen und die Daten entsprechend immer wieder neu eingeben, sondern nur noch einmalig. Alles Weitere geschieht dann durch deren automatische Übernahme.
Das klingt zu schön, um wahr zu sein ...
Das Ziel bei End-to-End lautet: Reduktion von Komplexität, Ausschöpfen von Einsparpotenzialen bei den Prozesskosten durch Digitalisierung und Effizienz.
Ist der Prozess einmal aufgesetzt, weiß der Travel Manager, wo sich seine Mitarbeiter aufhalten, Stichwort: Duty of Care. Darüber hinaus unterstützt der Prozess die viel beschworene Individualisierung. Schließlich und letztlich laufen alle Fäden im Travel-and-Expense-System zusammen. Mit geeigneten Reportings, Zugriffsrechten und -rollen können verschiedenste Bereiche im Unternehmen die für Sie wichtigen Informationen an einer Stelle erhalten. Sei es Compliance/Audit, die sich über Bewirtung und die Korrektheit des Mitarbeiterverhaltens informieren wollen. Sei es der Einkauf, der aus dem Buchungsverhalten Rückschlüsse auf mögliche Trainings zur Optimierung der direkten Kosten ziehen kann, oder die Corporate Security, die weiß, wo die Mitarbeiter sich aufhalten. Und nicht zu vergessen: Die Reports liefern auch die Information, ob mein Travel Program funktioniert und Leistungsträger, die mit Verträgen gebunden sind, auch wirklich genutzt werden. Oder ob daran vorbeigebucht wird.
Ja, denn einerseits ermöglicht die zunehmende Digitalisierung von Teilprozessen das Aufsetzen eines durchgängigen End-to-End-Prozesses von der Reiseplanung bis zum Reporting. Andererseits bilden sich im Zuge der Konsolidierung neue Konglomerate: SAP hat Concur geschluckt, Amadeus hat die Firma i:FAO mit dem Produkt Cytric gekauft, Amex mit KDS et cetera. Das hat mehrere Auswirkungen: Von einem Onlinebuchungssystem etwa, das mit Sabre arbeitet, bekomme ich nur zwei LH-Tarife angezeigt, während mir ein anderes, das bevorzugt an Amadeus angebunden ist, mehr Ergebnisse auflistet. Gleichzeitig weigern sich verschiedene Anbieter, miteinander zu kooperieren. Damit zwingen sie den Kunden zu einem Entweder-oder. Bin ich als Unternehmen aber erst einmal dort, komme ich da so schnell nicht wieder heraus und begebe mich entsprechend in Abhängigkeiten. Für den End-to-End-Prozess bedeutet das, dass diese Entwicklung leicht dazu führen kann, dass er durch das Produkt determiniert wird und nicht nach dem Ideal fürs Unternehmen.
Der Gesamtprozess im Maschinenraum von Travel and Expense kann auch mit verschiedenen Rädchen, also Systemen, arbeiten, er kann auch eine Mischung verschiedener Rädchen sein. Wichtig ist nur, dass Medienbrüche vermieden werden, um keine redundanten Daten zu produzieren. Doch ob nun ein System oder mehrere: Wichtig ist einzig, dass der Sollprozess unternehmensspezifisch aufgesetzt wird. Denn Kundenprozesse sind ebenso einzigartig wie Produkte. So hat ein globaler Konzern, der mit einem Shared-Service-Center arbeitet, ganz andere Sollprozesse als etwa ein deutsches Unternehmen des gehobenen Mittelstands.
Scheitern ist vielleicht etwas hart formuliert, aber sicher ist, dass es schiefgeht, wenn man es als reine Softwareeinführung sieht. Wichtig ist vor allem, dass man VORHER die Sollprozesse definiert und mit Best-Practice-Erfahrungen ergänzt. Dies bedarf oft auch externer Beratung. Die meisten Unternehmensstrukturen sind so aufgebaut, dass einzelne Prozesse nur auf Abteilungsebene funktionieren. Stichwort: Matrixorganisation. Und in dieser Matrix herrschen verschiedene Verantwortlichkeiten. Eine für die Buchung zum Beispiel und eine für das Reporting, und in jeder Einheit gelten andere KPIs. So kann es sein, dass innerdeutsche Flüge eigentlich schon so frühzeitig wie möglich vor Reiseantritt gebucht werden sollen; dass die meisten Buchungen tatsächlich aber erst drei Tage vorher erfolgen, und keiner merkt's. Wieso?
Ja, aber es guckt keiner drauf. Und warum nicht? Weil es in einer Matrixorganisation verschiedene Verantwortlichkeiten gibt. Daher braucht man im Optimalfall einen Verantwortlichen, einen Global Process Owner, zur Umsetzung, Einführung, Optimierung eines End-to-End-Prozesses. Gleichzeitig muss man bei der Planung eines solchen Prozesses ganz genau darauf achten, wer ihn treibt. Der Travel Manager? Der CFO? Das gilt es zu definieren. Entscheidend ist, dass die Firma den Prozess treiben muss, aber nicht allein der CFO. Denn wenn ein Unternehmen bereits mit SAP arbeitet, ist die Nähe zu Concur gegeben, denn dann kommt ja alles aus einer Hand. Das hieße dann, sich der Gefahr "Produkt versus Prozess" hinzugeben, und davor sollte man sicher erst einmal die eigenen Sollprozesse definieren. Dann kann die Lösung ja SAP heißen, muss sie aber nicht zwingend. Kurzum: Bevor wir über eine Lösung nachdenken, müssen wir erst einmal einen Sollprozess finden und definieren und verabschieden. Einen, der die aktuellen Unternehmensstrukturen mit ihren Prozessen auf Bereichsebene NICHT berücksichtigt. Und das tun wir zusammen mit allen Stakeholdern und Entscheidern, denen die Vorteile und der Nutzen eines solchen Prozesse übrigens zeitnah transparent gemacht werden müssen. Das ist unerlässlich. Also muss ich mich gleich zu Beginn fragen, wer zuständig ist: SAP? Der CFO, der Leiter Einkauf, der Leiter Human Resources, Corporate Audit oder der GPO? Einer meiner Lieblingssätze in diesem Kontext lautet: Software allein löst keine Probleme.
Die steigende Komplexität bedeutet, dass Travel Management heute nicht mehr ohne großes interdisziplinäres Know-how funktioniert. Der Travel Manager heute muss die Travel-Management-Technologie kennen und gleichzeitig Prozessmanager sein. Er muss die Prozesse definieren. Er muss auch ein Verständnis für lokale Notwendigkeiten und die gleichzeitige Chance entwickeln, globale Standards zu setzen und Prozesskosten zu reduzieren sowie Systeme zu vereinheitlichen. Die Lösung dieses Zielkonfliktes "lokale Anforderungen versus globaler Standard" verlangt viel Geschick und nicht zuletzt auch eine deutliche Managementunterstützung. Der "traditionelle" Travel Manager wird es da sehr schwer haben.
Welche Stolpersteine liegen dem idealen End-to-End-Prozess noch im Weg?
Das Motto lautet: Einfachheit ist die neue Realität, dann macht auch der Reisende mit.
Der Reisende muss auch überzeugt werden?
In erster Linie ist das Ganze ein typischer Change-Management-Prozess, also: ja. Folgendes Beispiel: Wenn im Buchungsprozess plötzlich eine Fehlermeldung auftaucht, dann heißt es gewöhnlich: Rufen Sie die Hotline an! Schön und gut. Aber welche? Von SAP? Von Cytric? Vom IT-Support? Schließlich weiß der Reisende beziehungsweise Buchende ja gar nicht, an welchem Buchungsschritt er welchen Fehler gemacht hat. Also weiß er auch nicht, an wen er sich wenden kann, wer ihm helfen kann. Eigentlich bräuchte er eine einzige Hotlinenummer - das gilt es zu definieren. Am Ende scheitert der Prozess in solch einem Fall sonst an mangelndem Support. Aber das wird und muss sich schnell ändern. Wussten Sie, dass die Pharmabranche ein großer Treiber neben dem unbestritten kostenreduzierenden Transport der Prozesse in Offshore Shared Service Centers für den End-to-End-Prozess ist? Um mehr Transparenz zu garantieren, haben die USA den sogenannten "Sunshine Act Compliance" aufgesetzt, und der gilt vergleichbar ab dem 1. Januar 2018 auch in der EU. Dann muss die Branche europaweit nachweisen, wen sie wie oft eingeladen hat, und das geht nur mit einem einheitlichen System. Also muss die Komplexität aus den Prozessen heraus, um Transparenz hineinzubekommen. Und das geht, indem Sie alle Vorgänge in einem System abwickeln, dokumentieren und vorhalten.