HB DÜSSELDORF. „Der Executive Traveller-Bereich wächst überproportional", beobachtet Birte Kipke, Geschäftsführerin bei Air Partner. Allein zwischen dem ersten Quartal 2004 und dem ersten Quartal 2005 hat der weltgrößte Broker für Charter-Flüge „den Umsatz mehr als verdreifacht". Die Zahl der Geschäftsreise-Kunden bei Air Partner Deutschland liegt in diesem Jahr bei „gut 80 buchenden Kunden - Reisebüros inklusive". Und auch bei Netjets hat die Nachfrage die Erwartungen weit übertroffen: „In 2005 werden wir unsere Flotte in Deutschland um über 50 Prozent auf rund 90 Flugzeuge steigern", berichtet Netjets-Manager Steffen Fries vom weltgrößten Privatjet-Eigner. Für den deutschen Markt bedeutet dies alle zehn Tage ein neues Flugzeug.
Zielgruppe ist der vom Terminkalender gejagte Manager. „Für viele unserer Kunden ist der limitierende Faktor nicht mehr das Geld, sondern die Zeit", erklärt Fries. Die Warteschlange am Check-in, der überbuchte Flug, der verpasste Anschluss oder der unflexible Flugplan - das alles kommt den Geschäftsreisenden häufig teurer als die Kosten für einen Privatflug, mit dem sich drei Termine beispielsweise an Standorten wie Chemnitz, Kattowitz und Krakau an einem einzigen Tag bewältigen lassen.
Längst ist Fliegen im Privatjet daher nicht mehr nur VIPs oder der ersten Führungsriege vorbehalten: Spätestens seit Beginn der Ost-Expansion kommandieren immer mehr Unternehmen auch Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene zum kurzfristigen Einsatz ab. „Wir fliegen sogar Betriebsräte durch die Welt", beschreibt Air Partner-Chefin Kipke die Normalisierung der Privatfliegerei im deutschen Geschäftsreisealltag. Der deutsche Markt mache ganz offensichtlich einen Reifeprozess durch, meint Kipke.
Einen wichtigen Impuls dafür lieferte der Linienflieger Lufthansa: Zusammen mit Netjets bietet der deutsche Carrier seit Beginn des Sommerflugplans 2005 so genannte Executive Flights mit Netjets für den europäischen Markt an. Lufthansa-Vorstandschef Wolfgang Mayrhuber: „Mit unserem maßgeschneiderten Angebot verbinden wir die hohen Lufthansa-Standards mit den Vorteilen der Privatfliegerei und tragen damit dem Bedarf vieler Kunden nach Zeitsouveränität, Zeitersparnis und einem Höchstmaß an Flexibilität bei der Reiseplanung Rechnung."
Ziel war es zunächst, den Umsteigeverkehr innerhalb Europas zu vereinfachen, und zwar auf Business Class bzw. First Class-Niveau: Wer künftig über eine spezielle Hotline bucht, wird in Pegnitz, Paderborn oder Pfaffenhausen mit einem Netjets-Flugzeug abgeholt und direkt zu den Drehkreuzen München oder Frankfurt befördert. Dort wird der Premiumpassagier im Transfer speziell betreut und von einer Limousine mit Chauffeur direkt zum nächsten Flugzeug in die USA, nach Asien oder Afrika gebracht. Passkontrolle, Sicherheitsüberprüfung und Zollabfertigung erfolgen in kürzester Zeit, die Umsteigezeiten sind minimal.
Zusätzlich kann der eilige Manager aber auch – ohne Umsteigeverbindungen und Transferszeiten – direkt etwa von Knüllwald nach Lappland buchen: „Mit dem Lufthansa Privat Jet können wir rund 1 000 Flugplätze in Europa bedienen“, betont eine Konzernsprecherin. Beide Varianten haben den Vorteil, dass der Reisende mit einer Lufthansa-Flugnummer abhebt. Das bringt einerseits Meilen aufs Miles-&-More-Konto. Anderseits enthebt ein LH-Ticket den Reisenden vom Ruch der Unmäßigkeit. Und scheint damit auf ganz banale Weise eben jenes Problem zu lösen, das im deutschen Executive Charter-Business der vergangenen Jahre als unüberwindbar galt: die Angst vor Neidern.
Denn bevor Lufthansa und Netjets gemeinsam an den Start gingen, wurde diese Art des Reisens vielfach totgeschwiegen. Aus Furcht vor dem Dekadenz-Vorwurf in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit liefen viele Buchungen unter dem Siegel absoluter Diskretion.
Die Folge: Ohne Ausschreibungen oder Marktvergleich sind Buchende nicht selten von den Anbietern schlichtweg über den Tisch gezogen worden. Nun aber scheint Executive Carter „plötzlich ganz normal zu sein“, freut sich Air Partner-Chefin Kipke. „Das Lufthansa-Netjets-Angebot hat unser Business stark gepusht.“ Ihr Mitbewerber von Daimler-Chrysler Aviation kann das nur bestätigen: „Die Angebote, die unter anderem von der Lufthansa platziert werden, stellen zwar eine Konkurrenz dar“, sagt Jonas Kraft. „Dafür aber steigern sie die allgemeine Aufmerksamkeit im Markt.“ Netjets-Chef Fries ergänzt: „Der Kranich reduziert die Scheu vor Executive Charter: Privatfliegen stößt immer mehr auf offene Ohren.“
Weil die Nachfrage nach Lufthansa Private Jet deutlich höher ist als erwartet – schon heute nutzen 20 der 40 großen Unternehmen in Deutschland den weltweit bislang einmaligen Service – hat der Konzern die ursprünglich auf ein halbes Jahr limitierte Testphase unbefristet verlängert.
Nicht zuletzt aus diesem Grund ist sich nicht nur der Geschäftsführer von Jetshare, Frank Rost, sicher: „Der Luftverkehr in Europa wird sich in den kommenden Jahren an die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten oder Kanada angleichen.“ Sprich: verdoppeln. Kipke gibt dem „Reifeprozess“ in Deutschland noch etwa zwei bis drei Jahre.
Limousinen der Lüfte
Business only: Zwar kein privater Jet, aber es fliegt sich wesentlich entspannter als im voll besetzten Jumbo: Zusammen mit der Schweizer Fluggesellschaft PrivatAir bietet der Kranich-Carrier reine Business-Class-Flüge in einem eigens dafür ausgerüsteten Airbus A319 auf den Strecken Düsseldorf – New York (Newark) und – Chicago sowie München – Newark. Auch die künftige LH-Tochter Swiss lässt PrivatAir für sich fliegen, Sechs mal wöchentlich auf der Strecke Zürich – Newark (New York. In den kleinen Jets ist reichlich Platz für gut 50 Vollzahler.
Executive Jet am Counter: Ab sofort kann das Jetangebot des Brokers Air Partner International in den Reisebüros von Carlson Wagonlit Travel und TQ3 Travel Solutions direkt gebucht werden.
No frills? Zusammen mit der Billigfluglinie dba bietet Air Partner günstige Zubringerflüge ab München und anderen dba-Destinationen an. Die Buchungen (bis zu zwei Stunden vor Abflug) erleichtern die Anreise einzelner Passagiere aus unterschiedlichen Regionen zu einem gemeinsamen Abflugort.
Kundenbindung: Bombardier Skyjet, DaimlerChrysler Aviation und Netjets setzen auf die Bonuskarte: Nach einer Bedarfsanalyse kann der Executive Flieger Prepaid-Karten für 10, 20 oder 30 Stunden erwerben.