Porträt: Horst Schulze, Hotelier des Jahres.
Anfang Januar feierte Hotellegende und Ritz-Carlton-Gründer Horst Schulze seinen 76. Geburtstag. Anfang Februar erhielt er beim "Hotelier des Jahres" den Special Award für sein Lebenswerk. Aber aufhören? Wann soll er das denn machen?
Welthotelier" nennen sie ihn jetzt. Doch damit kann der einstige Kellner-Lehrling aus Bad Neuenahr nicht viel anfangen. "In unserer Branche sind wir das doch alle", sagt Horst Schulze mit einem Achselzucken. "Wir alle arbeiten doch weltweit." So weit, so richtig. Während andere jedoch irgendwann in den Ruhestand gehen, macht Horst Schulze immer weiter. Und weiter. Obwohl er gerade erst seinen 76. Geburtstag feierte, ist er in seiner Wahlheimat Atlanta - oder auf seinem heiß geliebten Boot in Florida - nur äußerst selten anzutreffen. Bis heute jettet er 200 Tage im Jahr um den Globus - zu Hotels oder Hotelprojekten in Mexiko, China, Russland, Singapur oder Saint Lucia. Und auch in Deutschland war er in den letzten Monaten immer wieder. Fast immer wegen irgendwelcher Auszeichnungen. Im August ernannte ihn seine Geburtsstadt Winningen an der Mosel zu ihrem Ehrenbürger. Schulzes einziger Vorgänger bisher: Audi-Gründer August Horch im Jahr 1949. Eigentlich habe er diese Ehre gar nicht gewollt, plaudert Schulze an diesem Nachmittag in der Marlene-Bar des Interconti in Berlin. "Wenn ich nach Winningen komme, will ich nicht etwas Besonderes sein, sondern Winninger!" Letztendlich sei er dann aber doch einverstanden gewesen: "Wenn ich beim Frühschoppen auf dem Schiff auch weiterhin auf dem Tisch tanzen kann, dann ist es okay." Breites Grinsen.
Wenn ich beim Frühschoppen weiterhin auf dem Tisch tanzen kann, ist es okay.
Charisma hat kein VerfallsdatumSchon im Oktober war der Kosmopolit, der immer ein paar Stunden braucht, bis sein Deutsch nicht mehr ganz so amerikanisch klingt, wieder hier. Diesmal kürte der "Aral Schlummer Atlas" seinen Breidenbacher Hof zum "Hotel des Jahres 2015". In Berlin ist er heute, weil ihm beim "Hotelier des Jahres" der Special Award für sein Lebenswerk verliehen werden soll. Die Laudatio hält ein alter Winzerfreund aus Winningen. Danach wird er selbst auf die Bühne springen, um wiederum den Beweis anzutreten, dass es für Charisma schlicht kein Verfallsdatum gibt. Dabei hatte der vielgefeierte Gründer der Ritz-Carlton Hotels und Erfinder des Credos "We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen" seinen Abschied eigentlich schon 2002 verkündet. Er freue sich auf die "Zeit nach Ritz-Carlton", hatte er der Branche versichert. Kurz zuvor hatte er seine Anteile an Marriott verkauft. Doch wie von Jedermann erwartet, überdauerte seine Rente nicht einmal ein Wochenende: Bereits an seinem ersten freien Samstag eröffnete Schulze seiner Frau: "Ich langweile mich zu Tode! Ich werde eine neue Hotelkette gründen." Langsam wolle er machen, versprach er ihr. Doch natürlich wussten beide es besser.
Zwei Jahre nichts als Reis und WasserNeben seinem nahezu überbordenden Enthusiasmus und der damit einhergehenden Energie - Schulze bezeichnet sich selbst als "intensiv" - treibt den Vater von vier Töchtern seit vielen Jahren auch die Gier nach dem Leben. Anfang der 90er-Jahre war es, da gaben ihm die Ärzte eine Frist von nur noch wenigen Monaten. Darmkrebs. Das hieß: OP und Chemotherapie - oder Tod. Rund ein Vierteljahrhundert ist das jetzt her. Und Horst Schulze ist fitter als je zuvor. Denn natürlich war er auch diesmal nicht bereit, angeblich unumstößliche Wahrheiten einfach zu akzeptieren. "Ich wollte selbst etwas machen", sagt er fast trotzig. Per Zufall traf der bekennende Kämpfer - "Man hat nicht verloren, bis dass man aufgibt!" - einen auf Makrobiotik spezialisierten Japaner in Boston. Warum auch immer: Horst Schulze vertraute dessen Rat und machte statt Chemotherapie eine makrobiotische Diät. Zwei Jahre lang durfte er fast ausschließlich rohen, braunen Reis und Wasser zu sich nehmen - kein Salz, keine Gewürze, kein Obst. Morgens, mittags, abends. "Am Anfang ist das furchtbar", erinnert er sich. "Dauernd habe ich von Bier geträumt." Doch die Askese zahlte sich aus: "Im Februar waren es 21 Jahre, seit der Krebs weg ist!"
"Ich nehme Vitamine"Fragt man ihn dennoch, ob er angesichts seines fortgeschrittenen Alters nicht mal langsamer machen wolle, beugt er sich vor und hebt feixend die Fäuste: "Willst du Streit mit mir?!" Mit unschuldigem Schulbubengrinsen erklärt er dann, dass er ja Vitamine zu sich nehme und außerdem bald den CEO-Posten abgeben und nur noch als Chairman der Capella Hotel Group fungieren wolle. Dass er das bereits fünf Jahre zuvor angekündigt hat: geschenkt! Diesmal, so beteuert er, werde es wirklich so kommen. Eigentlich aber ist es ganz egal, ob Horst Schulze diesen einen Posten nun loslassen kann oder nicht. Denn daneben ist er seit 20 Jahren auch im Vorstand der inzwischen Milliarden schweren Finanzgesellschaft Reliance Trust sowie der InfiLaw, einem College-Konsortium für angehende Starjuristen. Seit 1994 engagiert er sich überdies im Vorstand der Cancer Treatment Centers of America, C.T.C.A., einer Organisation von heute fünf Krankenhauskomplexen zur Bekämpfung von Krebs. Schon seine erste Begegnung mit der C.T.C.A. in Atlanta hatte den gerade Genesenen derart begeistert, dass er seine Ritz-Carlton-Visionen als natürliche Ergänzung ihres Konzepts empfand. Längst hat die gesamte Organisation diese Philosophie übernommen und die Menschen in den Mittelpunkt gestellt: Angestellte werden ausgesucht und eingeführt wie einstmals bei Ritz-Carlton, Zimmer für die Angehörigen kosten lediglich ein paar Dollar, und in sämtlichen Restaurants arbeiten heute ehemalige Ritz-Carlton-Chefköche. Von der Qualität der Mediziner und Maschinen ganz zu schweigen. Ganz getreu dem Motto: Nur das Beste für den "Gast".
Man hat nicht verloren, bis dass man aufgibt.
Horst Schulze 1939 geboren in Winningen an der Mosel. 1953 Kellnerlehre im Kurhaus Kurhotel in Bad Neuenahr. 1957 - 1963 Stationen in führenden Hotels in Europa. 1964 Umzug in die USA, Karriere bei Hilton und Hyatt. 1983 Gründung der Ritz-Carlton Hotels. 1988 Präsident Ritz-Carlton Hotels. 1991 "Corporate Hotelier of the World". 1992 Erstmalige Verleihung des "Malcolm Baldrige National Quality Award" an einen Hotelier durch Präsident George Bush sen. 1996 Ishikawa Medal für Persönliche Leistungen im Quality Management. 1999 Ehrendoktortitel der Johnson & Wales Universität. 2002 Verkauf der Ritz-Carlton-Anteile an Marriott. 2002 Gründung der West Paces Hotel Group mit dem Luxusbrand "Capella Hotels and Resorts", der 5-Sterne-Marke "Solis Hotels" sowie unabhängigen Hotels. 2014 Ehrenbürger von Winningen. Vision: Global Leader in Service BusinessIn seiner neuen Hotelgruppe hat er dies ein wenig umformuliert. Bei Capella heißt das berühmte Credo nunmehr "Canon". Schulzes Vision heute: die Welt zu bereichern um die einzig wahren Servicestandards. Ob im Hospital oder im Hotel. "Wir sind Global Leader im Service Business", verheißt der Canon. Und dieses Versprechen gilt nicht nur für das Premium-Segment. Dieses Versprechen gibt der "Corporate Hotelier of the World" von 1991 auch jenen Investoren, in deren Auftrag seine Gruppe ungebrandete Hotels im Management führt. Seinen Namen für alle Zeit unsterblich machen will Schulze aber natürlich mit dem High-End-Produkt Capella, einer Marke, die "den Luxus neu definiert und anführt". Darin sieht der Profi "gewaltiges Potenzial". Hielt er vor einigen Jahren noch bis zu 80 Capella-Hotels weltweit für möglich, sind dies heute sogar 100. "Das haben Sie vor fünf Jahren schon einmal gesagt. Stand heute existieren aber gerade mal fünf Capella- und drei Solis-Hotels." "Das zeigt nur, wie positiv ich eigentlich bin. Aber im Ernst: Niemand hat erwartet, dass die Krise so lange dauert. Gerade für eine so junge Company war das hart." "Ist die Krise jetzt vorbei?" "Die Krise ist mehr als überwunden. In Asien läuft das Geschäft so gut wie nie zuvor - allein wegen China. Das sind ganz neue Märkte, die da reinkommen." "Es handelt sich also nicht um Selbstüberschätzung?" "Für mich ging es niemals um Größe. Ich wollte nur was ganz Besonderes machen, nur ein paar Hotels. Schließlich habe ich Capella ja nur als Retirement-Arbeit gesehen." Es gibt Schlechteres.