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Mit Anton Gschwendtner auf einen Döner deluxe

Münchens Sterneküchen sind genauso bunt wie die Viertel selbst. Wir treffen die Spitzenköche dort, wo sie selbst gern Mittag machen. Diesmal essen wir mit Anton Gschwendtner einen Premium-Döner bei Hans Kebab, bevor es in das Zwei-Sterne-Restaurant Atelier im Bayerischen Hof geht.

Das Sternerestaurant Atelier gehört zu den bekanntesten der Stadt. Zum einen, weil es sich im Luxushotel Bayerischer Hof befindet, das schon seit über 180 Jahren hochrangige Gäste aus aller Welt empfängt. Zum anderen, weil das Atelier bis zuletzt das einzige Drei-Sterne-Restaurant Münchens war. Seit dem Weggang des Gourmetkochs Jan Hartwig im Sommer 2021 hat nun Anton Gschwendtner in der Küche das Sagen. Und mit seinen eleganten Gerichten konnte er den Guide Michelin auf Anhieb davon überzeugen, ihm zwei Sterne zu verleihen.

Hans Kebab: der teuerste Döner Deutschlands

Anton Gschwendtner schlägt für unser Treffen den Dönerladen Hans Kebab am Schwabinger Tor vor. Dieser wurde nach seiner Eröffnung schnell als „teuerster Döner Deutschlands" bekannt. Denn neben dem klassischen Döner mit Kalbfleisch gibt es hier auch eine Premium-Variante für 35 Euro mit japanischem Wagyu Short Rib. Ich gehe also mit einem Zwei-Sterne-Koch aus einem Fünf-Sterne-Hotel einen Premium-Döner essen - und bin erstmal etwas überrascht, als Gschwendtner ganz leger mit der Straßenbahn vorfährt.

Er habe zwar ein Auto, aber das parke er immer vor der Stadt, um dann bequem mit der U-Bahn zum Marienplatz in die Arbeit zu fahren. Der Sternekoch macht sich nichts aus Statussymbolen, aus Auszeichnungen oder Angebereien. Er kocht auf einem hohen Niveau, nicht um irgendwem zu gefallen, sondern weil er selbst sein größter Kritiker ist. Er geht ins Schumann's, weil es ihm dort gefällt und nicht, weil man dort eben hingeht, wenn man in München etwas auf sich hält.

Und genauso ist es mit Hans Kebab. Manche kommen her, um mit einem Instagram-Foto zu zeigen, dass sie hier Trüffel-Döner gegessen haben. Gschwendtner kommt, weil es für ihn schlicht einer der besten Döner Münchens ist: „Die machen das sehr gut hier und haben einfach Ahnung." Im Hans Kebab wird Wert auf hochwertige Zutaten gelegt, vieles ist hausgemacht - wie die Knoblauchsauce aus schwarzem, fermentiertem Knoblauch, der aus Spanien kommt. Gschwendtner bestellt den „Döner des Monats" mit Kalbfleisch, Barbecuesauce, Cheddar und Schafskäse, karamellisierten Zwiebeln und Silk Cut Chillies.

Hinter Hans Kebab steckt der Münchner Gastronom Cihan Anadologlu. Zuvor hat er unter anderem als Chef-Barkeeper in der Schumann's Bar gearbeitet. Vom Schumann's zum Dönerladen ist es also nicht doch so weit wie gedacht. Und Anadologlu hat sogar ein Döner-Kochbuch mit etlichen Rezepten herausgebracht. Zwischen Meatless Kebab mit hochwertigem Fleischersatz, Veggie-Kebab mit Zucchini-Feta-Patties oder dem Falafel-Dürüm mit Hummus, Tahini und Kirschtomaten werden im Hans Kebab auch Vegetarier*innen sehr glücklich.

Das Atelier im Bayerischen Hof: Gerichte wie Kunstwerke

Im Atelier gibt es ebenfalls ein Veggie-Menü - das ist eher ungewöhnlich in Sternrestaurants. Denn hier wird Fleisch und Fisch nicht einfach ersetzt, sondern Anton Gschwendtner erstellt gemeinsam mit seinem Team ein ganz eigenes Menü. Außerdem werden im Atelier kein Thunfisch, keine Stopfleber und keine bedrohten Tierarten verarbeitet. Ansonsten hat Gschwendtner freie Hand.

Sein Kalbsbries mit Linsen, eingelegtem Sellerie und Sherrysoße entwickelte sich in der kalten Jahreszeit zum Signature-Dish. Ideen bekommt Gschwendtner meistens, wenn er unterwegs ist: „Ich habe ein Notizbuch mit kulinarischen Skizzen. Dort male ich mir die Gerichte auf, wie ich sie mir vorstelle. Auf langen Autofahrten lasse ich das Handy mitlaufen." Auf den Kuss der Muse müsse man allerdings nicht warten, erklärt er mir. Jedes Gericht habe eine Grundstruktur, man könne es logisch aufbauen.

„Ich kann Geschmack denken, ich weiß davor, wie etwas schmecken wird." Anstatt sich damit zu rühmen, schiebt er aber gleich hinterher: „Das ist kein Talent, sondern einfach die Erfahrung, wenn man jeden Tag kocht." Gschwendtner ist pragmatisch. Der Satz, der mir nach unserem Treffen nicht mehr aus dem Kopf gehen wird, ist dieser: „Es ist nur kochen, das kann man lernen." Während andere Sterneköche oft versucht sind, mit ihrem Können prahlen, gibt Gschwendtner ganz offen zu, dass sein Team die Teller besser anrichten kann. Ganz einfach, weil sie es öfter machen als er.

Die elegante Küche von Gschwendtner hat sowohl japanische als auch französische Einflüsse. So gibt es mal eine Dashibutter, dann wieder eine Beurre blanc. Ein Gericht ist für ihn erst dann perfekt, wenn man nichts mehr weglassen kann. Und das spiegelt die Philosophie des Atelier auch wider: An den Wänden finden sich nur vereinzelte Bilder, die Einrichtung ist reduziert auf das Wesentliche. Das Essen soll im Vordergrund stehen, die Gerichte werden wie Kunstwerke serviert.

Anton Gschwendtner: vom Landgasthof zum Königshof

Gschwendtner beschreibt sich selbst als Perfektionist, aber auch als sehr heimatverbunden und bodenständig. Heute wohnt er wieder in der Nähe von Freising, wo seine Eltern einen Landgasthof führen. Alle drei Geschwister haben eine Kochlehre gemacht. Nach seinem ersten Praktikum im Königshof lässt er sich in einem gutbürgerlichen Restaurant ausbilden - hier stehen Ente, Ochsenbacken und Kartoffelpüree an der Tagesordnung.

Danach geht es schnell in die gehobene Gastronomie: Gschwendtner arbeitet für verschiedene Sternerestaurants in Deutschland und der Schweiz, unter anderem auch neun Jahre lang im Atelier, bevor er 2021 als Küchenchef zurückkommt. Dass er Sternekoch ist, spiele in seinem Alltag überhaupt keine Rolle, erzählt er. Und das glaubt man ihm sofort.

Wenn Gschwendtner frei hat, bereist er nicht die Küchen dieser Welt, sondern geht Radeln, Biergarteln oder mit seinen Hunden Gassi im heimatlichen Ampertal. „Ich habe mein Leben lang in der Sternegastronomie gearbeitet, da ist man einfach drin. Aber irgendwann werde ich vielleicht etwas anderes machen, weil ich zu alt werde." Was könnte dieses andere denn sein?, frage ich interessiert nach und werde einmal mehr von Gschwendtner überrascht. „Vielleicht mache ich ja mal einen Späti auf!", antwortet er und lacht.

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