Ich möchte nicht heiraten. Während andere da vom schönsten Tag ihres Lebens sprechen, schüttelt es mich alleine bei der Vorstellung: im Mittelpunkt stehen, viele Augen sind auf einen gerichtet – und dann hat man auch noch die Erwartung, dass es ein ganz wunderbares Fest wird. Nur leider werden Feste ja nie so wirklich wunderbar, wenn man es von ihnen erwartet. Eigentlich ist es auch ziemlich egal, ob ich heiraten möchte oder nicht oder warum überhaupt. Für mich zumindest und für meinen Freund zum Glück auch. Nicht aber für alle anderen, die denken, dass man da noch was drehen könnte. Die meinen: „Sie ändert ihre Meinung bestimmt noch“. „Irgendwas stimmt nicht mit ihr, dass sie nicht heiraten will“. Oder noch besser: „Sie will eigentlich heiraten, aber gibt es nicht zu!“
So geht es wahrscheinlich allen Menschen, die in Beziehungen sind und nicht die „Norm“ erfüllen. Also keine Kinder bekommen möchten, nicht zusammen ziehen wollen, nicht „Ich liebe dich“ sagen oder Eltern haben, die jeden Sonntag miteinander abhängen. So geht es vermutlich allen, die lieber nebeneinander als miteinander wohnen, sich nicht so oft sehen oder nicht den einen gemeinsamen Freundeskreis haben. Ich werde oft gefragt, wenn ich abends unterwegs bin: „Wo ist denn dein Freund?“ Fast so, als stimme da irgendwas nicht, weil man uns nicht ständig zusammen sieht. Um ehrlich zu sein, sieht man uns so gut wie nie zusammen, einfach weil wir gerne Dinge zu zweit unternehmen. Weil jeder von uns ein ziemlich schönes, eigenes Leben hat. Gleichzeitig kann man auch eine ziemlich schöne und glückliche Beziehung haben – für viele Menschen kaum vorstellbar.
Denn es gibt leider nur einen vorgefertigten Fahrplan für Beziehungen, eine einzige Erwartungshaltung für die Liebe, eine bestimmte Abfolge an Ereignissen – „Ich liebe dich“-Sagen, zusammenziehen, verloben, heiraten, Kind kriegen. Und sobald die durcheinander kommt oder gar nicht erfüllt wird, wundern sich alle. Aber leider nicht nur das: Sie fragen auch nach, urteilen und sagen Dinge, von denen sie, manchmal gar nicht wissen, wie grenzüberschreitend und verletzend sie sein können. Kaum hat ein Paar zwei Schlafzimmer, einen Hund, aber kein Kind, kaum kennt man die Familie des Anderen nicht – schon hat jeder eine Meinung dazu. Und die ist meistens nicht gerade positiv. Denn Paare müssen doch zusammenwohnen, heiraten und Kinder wollen. Sie müssen immer zusammen sein, jede Nacht im selben Bett schlafen – sonst stimmt was nicht mit ihnen.
Es hat viele Jahre gedauert, bis ich die Familie meines Freundes kennengelernt habe. Für mich war das absolut fein, ich reiße mich weder um Eltern, noch hatte ich ein unsicheres Gefühl deswegen. Ganz im Gegenteil: Seit meiner ersten Liebe war es nicht mehr so schön wie mit ihm. Was ich mir in diesen Jahren des Eltern-nicht-Kennenlernens allerdings anhören musste, das will ich euch gar nicht antun. Im Nachhinein hätte es mich nicht gewundert, wenn die Bild-Zeitung bei mir angerufen hätte, so anders und speziell schien mir meine Geschichte irgendwann. Ich fing an, mich vor Anderen dafür zu entschuldigen. Und drängte immer mehr auf ein Kennenlernen – allerdings nicht für mich, sondern, weil ich endlich nicht mehr danach gefragt werden wollte. Ich wollte einfach eine „normale“ Beziehung führen.
Es ist doch wirklich abgefahren: Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der Menschen eigentlich alles sein können. Sie können jedes Geschlecht oder keines haben, alle sexuellen Vorlieben, Haarfarben, Kleidungsstile, Lebenskonzepte. Wir akzeptieren, dass Menschen absolut verschieden sind, aber der Weg der Beziehung muss immer gleich sein? Das passt doch irgendwie nicht zusammen. Das Schlimme daran ist, dass diese Erwartungshaltung von außen verunsichern und im schlimmsten Fall sogar eine Beziehung kaputt machen kann. Das Schöne ist: Umso älter man wird, desto mehr weiß man, wie man seine Beziehung leben möchte. Und es wird immer egaler, was die Anderen sagen. Aber ganz unwichtig wird es nun mal nie.
Umso älter ich werde, desto mehr traue ich mich auch in Beziehungen mich zu hinterfragen und zu schauen, was überhaupt zu mir passt. Und ich bewundere Paare, die einen eigenen Weg gefunden haben und diesen auch leben. Ziehe meinen Hut davor, weil das nicht nur heißt, dass man sich selber gut kennt, sondern auch, dass man mutig ist. Zudem beobachte ich: Die älteren Paare, die ich treffe und kenne, die schon sehr lange zusammen und immer noch glücklich sind – die leben alle ein eigenes Modell: getrenntes Schlafen, eigenes Zimmer, verheiratet sein, aber den eigenen Namen behalten, gar zwei Wohnorte haben. Jede Beziehung ist anders – zum Glück – und es wird echt Zeit, dass wir das auch mal unkommentiert lassen.