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Reinigende Membranen nach Pflanzenvorbild

Nagnag/pixelio.de

Große Teile der Welt verdorren. Die erste günstige Technik zur Meereswasserentsalzung ist jetzt erfunden. Aus den Ozeanen wird frisches Trinkwasser destilliert – mit Backpulver.


Ganze 71 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Und trotzdem sterben Jahr für Jahr Millionen von Menschen, weil sie kein sauberes Trinkwasser haben. Das Problem: Das meiste Wasser ist in den Ozeanen gefangen - und Salzwasser ist für uns Menschen ungenießbar. Seit der Antike sucht der Mensch deshalb nach einer rentablen Möglichkeit, Meerwasser vom Salz zu befreien.

Schon Aristoteles versuchte es mit dem Prinzip der Osmose. Dieses Naturphänomen kennen wir aus der Pflanzenwelt. Huflattich, der sich am Gehsteig durch die Asphaltlöcher bohrt, bezieht sein Wasser durch Osmose aus den Wurzelstöcken. Von Zelle zu Zelle werden die Wassermoleküle hinauftransportiert - die Zellwände lassen das Wasser nur in eine Richtung durch.

Der Druck in den Zellen, auch osmotischer Druck genannt, wird in den Spitzen der Pflanze gewaltig groß: bis zu 20 Atmosphären. Zum Vergleich: Ein Presslufthammer, der bei Straßenarbeiten benutzt wird, arbeitet mit einem Druck von nur sechs Atmosphären.

Moderne Entsalzungsanlagen nutzen diese Kräfte der Natur, drehen die Osmose aber um. Sie bestehen aus zwei Kammern: Eine ist mit Salzwasser, die andere mit normalem Wasser gefüllt. Dazwischen ist eine halbdurchlässige Membran, die wie die Zellwand des Huflattichs nur Wassermoleküle durchlässt.

Sauber, aber energieaufwändig

Anders als der Huflattich hat die Anlage außerdem eine künstliche Pumpe eingebaut. Das Salzwasser wird gegen die halbdurchlässige Membran gepumpt. Die Salzmoleküle und Schmutzpartikel bleiben an der Membran hängen, nur das reine Wasser passt durch die feinen Poren. Auf einer Seite erhält man so Trinkwasser, auf der anderen Seite Salzwasser und Schmutz.

Das Problem bei dieser Prozedur ist die große Menge an benötigter Energie, um die Pumpe zu betreiben. 90 Megawatt Strom, so viel wie eine Kleinstadt mit 36 000 Haushalten im Jahr, frisst die derzeit modernste Entsalzungsanlage im australischen Melbourne. Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, effizientere Methoden zu entwickeln.

Ihr neuester Ansatz ist es, die Umkehr-Osmose nochmals umzukehren - aber nicht, um damit gegen die Osmose zu arbeiten, sondern ihre Energie zu nutzen. Zum Einsatz kommt eine sogenannte Zuglösung, in der die Ionenkonzentration deutlich höher ist als im Salzwasser. Diese Flüssigkeit zieht das Trinkwasser ganz ohne zusätzlichen Energieaufwand für Pumpen aus dem Meer.

Hilfsmittel aus der Backstube

Als eines der ersten Unternehmen nutzt Hydration Technology Innovation (HTI) aus Oregon diese Technik. Bereits vor sechs Jahren brachte der Betrieb einen Wasserfilter auf den Markt, dessen Membran mit einem Pulver aus Zucker und Aromen gefüllt ist. Dieses Pulver zieht die Wassermoleküle durch die Membran - Salz und Schmutzpartikel bleiben draußen.

Diese neue Art der Frischwasseraufbereitung erweist sich aber ebenfalls als sehr teuer und wird deshalb nur in Notfällen eingesetzt - etwa bei der Hilfsaktion nach dem Erdbeben in Haiti. Ein Forscherteam der Yale Universität hat nun eine günstigere Zuglösung gefunden: Ammoniumcarbonat. Diese Substanz landet normalerweise als Backpulver in Lebkuchen oder Mürbeteig - und nun eben im Salzwasser. Durch diese innovative Lösung wird zum Entsalzen des Meerwassers 80 Prozent weniger Energie benötigt.

Um das Wasser trinken zu können, muss man es jedoch erst vom Ammoniumbicarbonat befreien. Dazu muss es auf 40 Grad Celsius erhitzt werden. Bei dieser Temperatur wird das Backpulver in Gasform als Ammoniak und Kohlendioxid abgegeben. Die Gase lassen sich auffangen, reagieren, lassen wieder Ammoniumbicarbonat entstehen und stehen zur weiteren Frischwasserproduktion bereit.

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