Das würde ich so nicht sagen. Aber das Album ist ein Zeugnis meiner Lebensreise, die am Gleisdreieck begonnen hat. Das Gleisdreieck hat mich geprägt wie kein anderer Ort. Ich habe dort, im Schoß meiner Familie, erste Erfahrungen machen können. Dort haben die verschiedensten Menschen gelebt, Menschen aus aller Welt, mit allen möglichen Biografien und aus allen sozialen Schichten. So bin ich stark geprägt worden von der Vorstellung, dass man durchs Leben geht und auf alle möglichen Menschen mit allen möglichen Gedanken und kulturellen und religiösen Hintergründen stößt. Und doch einen gemeinsamen Nenner finden kann.
Nur sieben, acht Minuten. Ab dem ersten Schultag musste ich meine Wege alleine zurücklegen. Als ich dann nach der vierten Klasse in die Oberschule kam, bin ich mit der U-Bahn durch die ganze Stadt gefahren.
Im Jahr 2015 hat sich die Stimmung mal richtig zugespitzt. Da gab es auf der einen Seite diese ganz starke Willkommenskultur. Und auf der anderen Seite die ganz starke Ablehnung. Beide Gruppen haben sich dazu bewogen gefühlt, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Bei U-Bahn-Fahrten gab es mehrere unangenehme Situationen. Oftmals haben einen die Leute abschätzig von oben bis unten gemustert. Einmal ist eine Frau sogar angeekelt aufgestanden, als ich mich neben ihr hinsetzte. Mit ihrem Blick signalisierte sie mir: "Du gehörst hier nicht hin."
Deutschland wurde über Jahrzehnte definiert als Land der Deutschen mit Gastarbeitern, nicht als Einwanderungsland. So hat sich ein Bild bei den Menschen festgesetzt, nämlich, dass Deutschland eine deutsche, weiße Mehrheitsgesellschaft ist, mit Leuten, die irgendwie "deutsch" aussehen - was auch immer das sein soll. Da haben Leute, die anders aussehen, wie zum Beispiel ich, eben das Nachsehen.
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Situationen, die man nicht kommen sieht. Das passiert zum Beispiel, wenn Leute, die man als nette, aufrechte Menschen kennt, plötzlich komische Sachen sagen.
Ich habe immer Angst um meine Söhne. Wegen der Fremdenfeindlichkeit bin ich gerade nicht so verängstigt, weil meine Söhne nicht so aussehen wie ich. Sie sind ja nur noch ein Viertel afrikanisch. Aber ich denke, dass die allgemeine Stimmung und die allgemeine Aggression und die allgemeine Bereitschaft, über die Grenzen zu gehen, auch meine Kinder in Gefahr bringen könnte.
Für mich ist das ein Doppelschlag: Auf der einen Seite symbolisiert es tatsächlich das Gleisdreick, die drei Schienenstränge, die da zusammenlaufen. Und die südafrikanische Flagge, der die Farben fehlen, erzählt, finde ich, meine Identität sehr gut. Denn das ist, was übriggeblieben ist. Ein Teil von mir ist südafrikanisch, ein anderer Teil ist es nicht.
Es war einfach interessant für mich zu sehen: Was ist das Filtrat von Joy Denalane? Wenn man die Dramaturgie auf ihre Essenz herunterbricht, was ist dann noch da?
Live war ich immer sehr wahrhaftig. Man hat das Gefühl, man ist nah an mir dran. Was ich auf der Bühne mache, das ist, was und wer ich bin.
Interview: Andrea Herdegen
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