Was war deine Inspiration dafür, ein Theaterstück über Öl zu schreiben?
Ich kann mich nicht daran erinnern, was der Impuls war - in meinem Kopf war eher ein Rhythmus als etwas Inhaltliches. Etwas über das Öl zu schreiben war mir schon immer ein Anliegen, mir war aber nicht ganz klar, wie ich mich dem Thema dann annähern konnte, weil es so vielfältig ist. In Wonderwomb habe ich versucht, diese Vielfältigkeit und Vielseitigkeit darzustellen, aber ich habe es trotzdem nicht geschafft.
Wie kann man sich den Vorgang des Schreibens über so ein abstraktes Thema vorstellen?
Zuerst wurde die Idee für das Sprachliche geboren und dadurch konnte ich mich dem Thema annähern. Dann habe ich geschichtliche Aspekte dazu genommen, dann kamen auch das Material, aus dem das Öl gemacht wird und die Machtkämpfe im Hintergrund. Ich habe mich gefragt: Wenn Öl ein Teil der Natur ist, was macht es mit ihr und was hat es mit dem Vorgang auf sich, das Öl "herauszuholen"? Dieser Prozess ist für mich sehr männlich konnotiert sowie auch der kapitalistische Vorgang dahinter: Sammeln und Aneignen, die Erde oder auch andere Länder praktisch zu penetrieren.
Was gab dir den Impuls, dich mit diesen Themen auseinanderzusetzen?
Ich kann nicht sagen, was das konkrete Ereignis war. Ich hatte ein Panorama vor Augen und einen Impuls, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe dieses Jucken, diese Hysterie gespürt. Schreiben ist generell ein hysterischer Prozess. Dann wusste ich schnell, dass es in die Richtung geht: tastend durch diese Hysterien und die Sprache. Öl ist nicht greifbar, doch mit der Poesie versuche ich, es als Objekt greifbarer zu machen.
In deinem Stück findet man sehr viele historische Details zum Konflikt im Irak und der Revolution im Iran. Ich musste beim Lesen viele Namen googeln.
Es ist mein Weltthema und ich finde es auch wichtig, dass die gesamte Welt präsent ist - mit Namen und Details. Wir sehen immer Bilder von "da draußen" mit all diesen namenlosen Menschen.
Wieso können Menschen drei Stunden lang lesen, was auf der Erdbeerpackung im Supermarkt steht? Da ist man auf einmal ganz interessiert, woher es kommt. Mit Öl passiert das nicht. Es ist eine sehr eurozentristische Sicht: Man denkt, wir sind die Welt. Aber die Welt hat auch andere Teile und andere Städte, die auch namentlich genannt werden sollen.
Denkst Du, dass die Leute, die ins Theater kommen und das Stück angucken, wirklich verstehen werden, worum es geht? Sind die Hürden dann nicht zu hoch?
Ich habe auch nicht so viel Ahnung von der Welt. Ich bin auch genauso ahnungslos wie die Zuschauer:innen. Ich schreibe nicht, um mein Wissen zur Schau zu stellen. Es ist auch für mich ein Prozess gewesen, genau dieses Thema zu wählen. Ich versuche es in einer Vielseitigkeit greifbar zu machen. Auf diese Reise nehme ich auch Menschen und das Publikum mit. Und genauso dumm oder schlau ich am Ende bin, ist das Publikum auch. Es ist einfach eine Reise, um am Ende vielleicht anders auf etwas zu blicken. Vielleicht. Am Ende weiß man weniger, ich bin auch nur dümmer geworden. Oder schlauer.
Wohin sollte man bei dieser Reise blicken?
Wenn man zum Nahen Osten schaut, leiden die Menschen dort darunter, dass ihre Länder diesen Reichtum haben. Welche Geschichte wird versteckt? Welche Kriege, welche Ausbeutung? Für mich sind auch die Demokratiebewegungen im Nahen Osten interessant, bevor sie in den 50er-Jahren von den Amerikanern gestoppt worden sind. Wenn man jetzt nach Osten schauen würde, fragen sich einige nach dem Demokratieverständnis, weil sie immer nur an Saddam Hussein und dessen Sturz denken. Aber niemand redet darüber, dass es in der 50er-Jahren einen demokratisch gewählter Premierminister gab. Vielleicht hätten die USA diesen Putsch damals nicht durchgeführt, wäre der Iran als Demokratie Modell in der Region gewesen. Das sind politische Fragen. Aber es ist auch immer wichtig, dass man ungefähr eine Ahnung hat, womit man fährt und was das Ganze bedeutet.
In deinem Stück gibt es solche Protagonist:innen wie "Chor der toten Tiere" oder "Die Stimmen der Dollars". Wie ist diese Idee entstanden, dass du den nicht lebendigen Gegenständen eine Stimme gibst, aber gleichzeitig auch eine Gruppe daraus bildest, die im Chor spricht?
Ich arbeite schon sehr gern mit Chor. Manchmal ist Individualität politisch und manchmal nicht. Ich spiele ein bisschen damit, weil wir heutzutage die ganze Zeit auf Social Media über unsere eigenen Befindlichkeiten labern. Der Chor als Kollektiv tritt dagegen. Diese Vielfältigkeit, diese Vielstimmigkeit ist eigentlich eine Polyfonie, die gleichzeitig nicht synchron sein kann. Das ist die Kraft des Theaters. Kriegt man Gänsehaut, wenn dann auf einmal von allen Seiten diese Stimmen kommen?
Zum Schluss von Wonderwomb schreibst du:
Menschen, die jahrhundertelang
Waren Jäger
Werden wieder gejagt
Von Dinosauriern, unter anderem
Warum werden wir heute wieder gejagt?
Die Natur Europas ist von den Menschen so domestiziert worden, dass es keine wilden Tiere mehr gibt. Es ist dieser Wahnsinn, der im 18. Jahrhundert in Europa herrschte, dass die Männer mehr wollten, über alles herrschen, auch über die Natur. Wenn man Europa betrachtet, dann versteht man, warum man hier mit einem Volk der Jäger zu tun hatte. Wir haben alles zerstört, was ein bisschen eine Gefahr darstellen konnte oder auch Stolz verletzen konnte.
Ist Wonderwomb ein Appell an die Menschen, über diese Verhaltensweisen nachzudenken?
Ich kann Nachdenken nicht erzwingen. Es ist aber ein Hinweis, ein großes Boot, in dem wir gemeinsam sitzen. Ich habe keine Angst vor dem Sterben, aber um zu überleben, werden wir uns anpassen müssen.