Es war in irgendeiner Vorlesung im Studium, als eines meiner liebsten Kirchenfeste für einen Moment entzaubert wurde: Fronleichnam. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es Kirchengeschichte oder Dogmatik war, jedenfalls referierte der Vortragende, dass dieses Fest auch einmal dazu gedient habe, die Protestanten zu provozieren und ihnen zu zeigen, wer wirklich im Besitz des Heiligen ist.
Dieser Gedanke war mir völlig fremd - für mich war es schon als Kind immer etwas ganz Besonderes, wenn das Allerheiligste feierlich unter einem Baldachin durch unser Dorf getragen wurde. Ich liebte die festliche Atmosphäre, die Blumenteppiche und die herrlich geschmückten Freiluftaltäre.
Dabei hatte ich mich - zugegeben - mit der Entstehungsgeschichte dieses Festes früher nicht beschäftigt. Würde man in der Fußgängerzone eine Umfrage machen, glaube ich, wüsste kaum einer, warum er (zumindest in manchen Bundesländern) an diesem Tag freihat. Dabei geht Fronleichnam tatsächlich auf eine Frau zurück, die Ordensfrau Juliana von Lüttich. Im 13. Jahrhundert hatte sie Visionen, die ihr deutlich machten, dass ein Fest zur Verehrung des Allerheiligsten im Kirchenjahr fehlte. Sie sah einen Mond mit einem schwarzen Fleck.
Es sollte einige Jahre dauern und auch Widerstand geben - doch letztlich war es Papst Urban IV., der das Fronleichnamsfest für die ganze Kirche einführte. Da der eigentlich passende Tag - Gründonnerstag - in der Karwoche liegt, wurde der Termin nach Pfingsten verlegt. Er schrieb dazu: "Auch wenn die heilige Eucharistie täglich gefeiert wird, halten wir es für richtig, dass ihrer wenigstens einmal im Jahr feierlich und mit besonderer Verehrung gedacht wird. Die anderen Dinge, deren wir gedenken, erfassen wir mit dem Geist und dem Verstand, doch sie werden uns deswegen nicht real präsent. In diesem sakramentalen Andenken Christi jedoch ist Jesus Christus - wenn auch in anderer Form - in seiner Substanz gegenwärtig und mit uns." Eine Betonung, die ich auch heute noch wichtig finde, denn das Mysterium "Eucharistie" gerät zunehmend in Vergessenheit. Wie oft habe ich mich schon in Gottesdiensten über einen allzu profanen Umgang empört - und doch nichts gesagt.
Ich glaube, auch hier hat die Kirche, wie an manchen Stellen, ein Übersetzungsproblem. Denn eigentlich singen wir im "Tantum ergo" von Thomas von Aquin, das die meisten auswendig können, bei fast jeder Andacht, worum es geht, wenn es heißt: "Praestet fides supplementum, sensuum defectui" - "Frommer Glaube wird gewähren, was der Sinn hier nicht erkennt." Ja, dieses Sakrament ist sehr voraussetzungsreich. Doch wenn, also ja wenn wir wirklich glauben, dass Christus in den Gestalten von Brot und Wein real präsent ist, ist das eine so ungeheuerlich große Zusage, dass ein eigener Festtag angemessen erscheint, der das auch noch mal in Erinnerung ruft und feiert. Und mit dieser besonderen Form der zugesagten Gottesgegenwart verbinde ich den Feiertag - nicht mit einer Machtdemonstration, das war sicher auch nicht im Sinne der Erfinderin.