Die Bauweise per riesigem 3D-Drucker ist den Kinderschuhen entwachsen – inzwischen steht in Deutschland das erste so gebaute Wohnhaus. Wie ökologisch ist die Technik? Und wo sind ihre Grenzen? Eine Videoanalyse von Jörg Römer und Alexander Schmitt (Video)
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Beckum in Nordrhein-Westfalen. Hier steht eines von nur wenigen Häusern in Deutschland, die mit einem 3D-Drucker gebaut wurden. Die Technik ist bei herkömmlichen, kleinen 3D-Druckern abgeschaut und funktioniert beim Häuserbau in etwas größerer Version sehr ähnlich. Um stabile Wände hochzuziehen, braucht es eine Konstruktion aus Stahlbalken, ein besonderes Betongemisch und eine Spritzvorrichtung.
Jörg Römer, DER SPIEGEL:
»Der Beton wird dann durch Leitungen zugeführt und dann fährt dieser Druckkopf eben ähnlich wie bei einem Spritzgussbeutel mit dem Beton drin diesen Grundriss ab und an den Stellen, wo die Mauer entstehen soll, wird quasi Schicht für Schicht aufgetragen. Und so entsteht dann Etage auf Etage. Das ist im Grunde das gesamte Prinzip.«
Die Idee: Bauen soll einfacher werden. Planung und Automatisierung sorgen zum Beispiel dafür, dass der Computer den Drucker so ansteuert, dass er Freiräume für Steckdosen und Leitungen berücksichtigt. Die müssen dadurch nicht mehr händisch nachgearbeitet werden.
Die 3D-Baubranche boomt weltweit: Im texanischen Bastrop hat die Firma ICON das größte 3D-gedruckte Gebäude Nordamerikas gebaut. Auf über 350 Quadratmeter Fläche haben hier zukünftig bis zu 72 Soldatinnen und Soldaten der US-Streitkräfte Platz.
Die Kooperation zwischen dem US-Militär und dem Unternehmen ICON soll nach eigenen Angaben besonders nachhaltige und belastbare Häuser ermöglichen. Allerdings sind die Bauten nicht nur für das Militär geplant: Auch bei Naturkatastrophen will das Unternehmen so zerstörte Gebäude schnell und kostengünstig ersetzen.
Insbesondere die Frage nach den Bauleuten steht beim 3D-Drucker-Hausbau im Fokus. In den USA, in Beckum, aber auch bei einem weiteren Bauprojekt im bayerischen Wallenhausen, braucht es für den eigentlichen Bau nämlich nur zwei Personen.
Jörg Römer, DER SPIEGEL:
»Die machen erstmal so einen »Dry-Run« und gucken: Wie fährt der Drucker den Grundriss sozusagen ab? Passt das alles? Ist da nichts im Weg? Muss man noch was umräumen? So, und wenn das einmal läuft, dann ist es relativ einfach zu kontrollieren und braucht einfach sehr wenig Menschen, die sowas bedienen.«
Der Drucker arbeitet still vor sich hin – und braucht für einen sonst mehrere Wochen langen Bau nur wenige Tage. Die Wände stehen sehr schnell. Einen Quadratmeter Hohlwand errichtet der Drucker in nur fünf Minuten.
Mit dem Druckprozess sind neben den verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten – breitere oder schmalere Streifen, wie hier grobe oder eher filigrane Strukturen – noch weitere Möglichkeiten verbunden.
Jörg Römer, DER SPIEGEL:
»Der Vorteil ist einfach, dass man viel Beton einsparen kann und Beton hat natürlich bekanntermaßen eine sehr schlechte Klimabilanz, was an der Zementherstellung liegt. Also durch die Betonproduktion wird viel mehr CO2 in die Luft geblasen als durch den gesamten globalen Flugverkehr. Und dementsprechend ist man natürlich jetzt in der Baubranche auch bestrebt, Beton entweder anders herzustellen, klimafreundlicher herzustellen oder eben auch von vornherein viel weniger Beton zu verbrauchen. Und da kommt jetzt dieses 3D-Druck-System ins Spiel, denn die Forscher, die es entwickelt haben, sagen, dass man langfristig 50 bis 70 Prozent Betonmenge einsparen kann, durch diese Drucker und das ist natürlich enorm.«
Bis dieses System aber richtig in der Baubranche angekommen ist, könnte es noch etwa fünf bis zehn Jahre dauern. Bis dahin stehen noch andere Fragen im Weg, denn nicht jeder Bau kann mit einem 3D-Drucker umgesetzt werden.
Jörg Römer, DER SPIEGEL:
»Eine Limitierung an diesem System ist natürlich, dass es bisher erst einmal auch von der Größe des Gerüstes abhängig ist, das ich bauen kann, weil ich muss ja die gesamte Baufläche einmal erreichen können und quasi umrüsten, wenn man so will. Und das geht natürlich noch ganz gut bei einem Einfamilienhaus, bei einem Mehrfamilienhaus vielleicht auch noch. Aber wenn ich damit ein 20-stöckiges Bürogebäude errichten will, dann wird das schon sehr viel schwieriger.«
Ein solcher 3D-Drucker kostet ein Bauunternehmen etwa 350.000 bis 500.000 Euro. Als Investition für eine leistungsfähige Baumaschine ist das für ein Unternehmen kein ungewöhnlich hoher Preis. Ob die Baumethode aber tatsächlich günstiger ist, vor allem für die späteren Eigentümer, ist bislang Spekulation – wegen des geringen Personalaufwands und der gesparten Zeit scheint es aber durchaus realistisch.
(03.10.2021)
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