Afghanische Geflüchtete müssen seit rund zwei Wochen auf einem polnisch-belarussischen Grenzstreifen ausharren. Niemand hilft ihnen – im Gegenteil: Diktator Lukaschenko will die EU mit den Migranten erpressen. Von Alexander Schmitt
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Bizarre Szene am polnischen Grenzgebiet zu Belarus.
Der Oppsitionspolitiker und Sejmabgeordnete Franciszek Sterczewski versucht an polnischen Grenzbeamten vorbeizusprinten. Seine Unterstützer rufen den Beamten zu: »Nicht anfassen. Lasst ihn in Ruhe!«
Sterczewski wollte mit Lebensmitteln und Medikamenten zu einer Gruppe afghanischer Geflüchteter gelangen, die seit rund zwei Wochen am Grenzstreifen zwischen Polen und Belarus in der Nähe des polnischen Dorfes Usnarz Górny festsitzen. Es ist strittig, ob die Menschen sich auf polnischer oder belarussischer Seite aufhalten. Belarussische Grenzbeamte versuchen immer wieder, die Menschen nach Polen zu drängen. Beamte auf der polnischen Seite versuchen dies zu verhindern.
Marcin Przydacz, Vize-Außenminister Polen:
»Unserer Ansicht nach sind diese Migranten nicht in Polen, sondern auf der belarussischen Seite. Sie sind dort legal und keine Flüchtlinge. Das sind Wirtschaftsmigranten aus dem Mittleren Osten, die gezielt von den Minsker Behörden nach Belarus geholt wurden.«
Im Grenzgebiet zwischen Belarus und seinen Nachbarländern Polen und Litauen kommt es in den letzten Wochen immer wieder zu dramatischen Situationen. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat angekündigt, Geflüchtete und Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU zu hindern. Lukaschenko setzt die Menschen als gezieltes Druckmittel ein, um gegen die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Belarus vorzugehen.
Die Grenzverläufe sind selten gut markiert, sodass sich die Behörden in Polen und Belarus jeweils gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Polnische Hilfslieferungen für die Menschen, die unter freiem Himmel campieren müssen, lehnt die belarussische Seite ab. Aber auch die polnische Regierung weist jede Verantwortung von sich.
Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident Polen:
»Zu unserer Überraschung lehnt Belarus jede Lieferung von humanitären Hilfsgütern ab. Diese Menschen sind doch auf der belarussischen Seite der Grenze, also ist Belarus auch für sie verantwortlich.«
Der Oppositionspolitiker Sterczewski, der für das Wahlbündnis Bürgerkoalition im polnischen Parlament sitzt, hat derweil klare Forderungen an die polnische Regierung.
Franciszek Sterczewski, Sejmabgeordneter:
»Diese Gruppe sollte umgehend von unseren Behörden versorgt und ihre Papiere geprüft werden. Sie sollten in Ruhe Asyl beantragen können und ihr Antrag sollte normal behandelt werden. Es darf keine Situation geben, in der die polnische Regierung unsere Verfassung und die Genfer Konvention bricht, zum Beispiel indem ein Gesetz auf einmal gegen ein anderes steht.«
Die Migranten müssen weiterhin hilflos im Niemandsland ausharren. Und ähnlich wie in Litauen hat die polnische Regierung derweil beschlossen, einen zweieinhalb Meter hohen Zaun an der 418 Kilometer langen Grenze zu Belarus aufzubauen. Schon jetzt wird an der Grenze Stacheldraht verlegt.
(28.08.2021)
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