Dis Diskussion um das Wort "Neger" ist aktueller denn je. In einem Kölner Café treffen wir Marius Jung. Er erzählt uns, warum er seinen eigenen Weg sucht, gegen Rassismus zu kämpfen. Und weshalb er kein Opfer sein möchte.
Von Agatha Mazur
Seit Anfang der Woche erhitzt die Äußerung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, dass Roberto Blanco ein "wunderbarer Neger" sei, die Gemüter. Wie bewerten Sie den Ausruf?Der bayerische Innenminister irrt, wenn er glaubt, dass das positive Adjektiv "wunderbar" das rassistisch konnotierte "Neger" aufhebt. Gerade ein Politiker sollte in Zeiten, in denen Flüchtlingsheime brennen und verblendete Menschen ihren Hass ausbreiten, besonders genau darauf achten, was er wie sagt.
In Mainz ging im Frühjahr ein Shitstorm über Bauunternehmer Thomas Neger nieder. Dessen Großvater hatte als Firmenlogo ein dunkles Männchen mit dicken Lippen und handtellergroßen Ringen in den Ohren ausgesucht. Fühlen Sie sich dadurch diskriminiert?Dieses Logo ist natürlich rassistisch. Es tut mir nicht weh, aber das spielt bei der Beurteilung keine Rolle.
Thomas Neger beruft sich auf Tradition. Finden Sie die Rechtfertigung nachvollziehbar?Tradition ist niemals ein Argument für oder wider eine Sache. Das würde ja heißen, dass alle Sachen, die eine Tradition haben, positiv sind. Aber es gibt genügend Beispiele, dass dem nicht so ist. Was ich interessant finde, ist die Erklärung, dass das Wort Neger in dem Fall vom Wort "Näher" kommt und hier also nichts mit schwarzen Menschen zu tun hat. Es gab ja auch Stimmen, die gefordert hatten, dass der Mann sich umbenennen soll. Da muss ich sagen: Leute, geht mal vom Gas runter. Der Mann heißt so, dann soll er so heißen.
In Astrid Lindgrens Roman "Pippi Langstrumpf" wird das Wort "Negerkönig" mittlerweile durch "Südseekönig" ersetzt. Halten Sie das Buch so für weniger authentisch?Es verliert natürlich eine Formulierung, die die Autorin selber benutzt und die sie auch im Rahmen ihrer Zeit genutzt hat. Das erste Buch ist 1945 herausgekommen, das war einfach eine sehr rassistische Zeit. Die Vorwürfe, dass Lindgren Rassistin war, kamen tatsächlich sogar auf - was lächerlich ist. Ich bin ein Fan von ihr und lese meiner 20 Monate alten Tochter auch gerade "Pippi Langstrumpf" vor.
Sagen Sie "Negerkönig"?Wir haben eines der neuen Bücher, in denen "Südseekönig" steht. Bei "Negerkönig" würde ich es beim Vorlesen austauschen, da kleine Kinder nicht historisch denken können. Wenn meine Tochter älter wird, werde ich ihr das erklären, denn sie wird ja eh damit konfrontiert. Ich möchte es sein, der meinem Kind das Wort Neger erklärt.
Nur Austauschen ist Unsinn: Im Internet kann das Wort keiner austauschen, in der Musik kann das Wort keiner austauschen. Das heißt, irgendwann bekommen die Kinder das ungefiltert vorgesetzt. Wenn wir vorher eingreifen, nehmen wir uns die Möglichkeit, unseren Kindern erklärend zur Seite zu stehen. Stattdessen sorgen wir für politisch korrekte Bücher. Von einer Vollkasko-Erziehung halte ich nichts. Da kann ich eine kleine korrekte Welt bei mir zu Hause erschaffen, aber sobald das Kind auf die Straße geht, wird es eines Besseren oder eines Schlechteren belehrt. Liebe zum Kind und Selbstbewusstsein für das Kind sind der beste Schutz, glaube ich.
Welcher Gedanke ist Ihnen durch den Kopf geschossen, als Sie den Anti-Rassismus-Preis des StudentInnenrats der Uni Leipzig erhalten haben?
Der erste Gedanke war tatsächlich, dass mich jemand verarschen will. In meinem aktuellen Buch ist die Benachrichtigung abgedruckt, da war der Titel falsch geschrieben, mein Name falsch geschrieben. Ich dachte, da haben sich vielleicht paar Kumpel von mir eine Flasche Wein reingehauen und gedacht: Dem zeigen wir es jetzt mal. Irgendwann habe ich gemerkt: Das ist ernst.
Sind Sie denn ein Rassist?Nein! Dieser StudentInnenrat handelt hochrassistisch. Die gehen hin und schreiben in ihrer Stellungnahme, dass durch das Wort "Neger" auf dem Cover Schwarze getriggert werden könnten. Zuerst einmal ist das Wort triggern in diesem Zusammenhang sehr interessant, denn triggern kommt aus der Psychologie und wird bei Traumapatienten genutzt.
Das finde ich schon mal recht seltsam, dass ich ein Trauma auslösen soll mit meinem Cover oder mit einer satirischen Bemerkung, die meiner Ansicht nach mit einem gewissen Intellekt auch als satirische Bemerkung erkannt werden kann. Der StudentInnenrat hat auch tatsächlich einen offenen Brief von einem schwarzen Deutschen bekommen, der sie als rassistisch bezeichnet hat. Er sagte, sie sollen davon ausgehen, dass schwarze Menschen durchaus selber rausfinden können, ob sie Satire gut oder schlecht finden.
Wenn dann eine Gruppe von weißen Frauen hingeht und das für uns Schwarze entscheidet, dann kann ich den Ball nur zurückspielen. Es ist lächerlich. Das ist ganz klar ein antirassistisches Buch. Direkt auf der ersten Seite ist erklärt, wie ich zu dem Wort Neger stehe. Der Vorwurf ist also nicht haltbar.
Sie schreiben in Ihrem Buch auch über das "Helfersyndrom": dass die politisch Korrekten in manchen eher Opfer als Menschen sehen oder Menschen in Schutz nehmen, die sich gar nicht diskriminiert fühlen. Comediankollege Dave Davis hat in einem Interview mit unserer Zeitung einmal gesagt, dass es ihn nervt, wenn sich Schwarze bei allem als Opfer empfinden. Man braucht als Minderheit dringend Selbstbewusstsein, fordert er. Wie ist es denn um das Selbstbewusstsein der Schwarzen bestellt?In der Frage sind zwei Sachen zusammengeworfen. Auf der einen Seite das Helfersyndrom, das von außen kommt. Hier lenke ich von mir ab und fühle mich stärker, kann mich über andere erheben. Damit möchte ich natürlich nicht Leute, die anderen helfen, diskreditieren. Es geht um die, die nicht helfen, um zu helfen.
Das andere kommt aus mir heraus: Ich denke, dass ich ein relativ starkes Selbstbewusstsein habe. Ich habe eine Familie und wunderbare Freunde. Dadurch kann ich Leuten mit Helfersyndrom entgegentreten und sagen: "Nein, so läuft das nicht. Ich bin nicht euer Opfer." Darüber hinaus glaube ich auch, dass es "die" Schwarzen nicht gibt. Das ist das riesiges Problem, das wir auch in der Political Correctness haben. Wir pauschalisieren viel zu sehr und nehmen die Leute in Sippenhaft. Wir reden von "den" Schwarzen und "den" Muslimen. Wenn wir nicht differenzieren, haben wir ein großes Problem.
Erleben Sie eigentlich in Ihrem Alltag Diskriminierung?Natürlich, immer wieder.
Auch in Köln?Auch in Köln.
Dann ist das mit der viel beschworenen Toleranz der Rheinländer Unsinn?Nein, nein. In anderen Städten sind die Bandagen härter, da braucht man sich gar nichts vorzumachen. Aber Diskriminierung gibt es hier in Köln genauso. So kam einmal eine ältere Frau auf mich zu und sagte zu mir: "Geh doch zurück!"
Nach Köln-Nippes?Genau, das war dann auch mein Gedanke. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, insofern war ich ja auf dem Weg zurück. (lacht)
Was ist Ihr Problem mit Political Correctness?Ein Beispiel aus der Behördensprache macht hier einiges klar: Ich bin ein "Mensch mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung". So möchte niemand genannt werden. Diese formelle Sprache ist sehr entmenschlichend. Schauen wir uns Schwarze an: Es gibt in Deutschland keinen Begriff für Schwarze, der nicht von irgendeiner Ecke aus der Political Correctness angefeindet wird. Keinen.
Dann müsste man also einen neuen Begriff suchen?Es wird ja alle zwei Wochen probiert. Was habe ich neulich gehört? "Maximalpigmentierter Gebietsfremder". Wir müssen aufhören, den Begriffen zu viel Macht zu geben. Es ist wie mit der Körperhaltung: Sie folgt der inneren Haltung. Genauso ist es mit der Sprache: Ich kann nicht die Sprache ändern, um die Haltung zu ändern, sondern ich muss die Haltung ändern, um die Sprache zu ändern. Andersrum funktioniert das nicht. Die ganzen Diskussionen in der Political Correctness drehen sich nur um formelle Dinge.
Sie sagen, dass die Ziele der politisch Korrekten auch die Ihren sind. Nur Ihr Weg dahin sei ein anderer.Mein Weg ist der, dass ich sage: Wir müssen gemeinsam lachen. Die Leute lachen, und wenn ihnen das Lachen im Halse stecken bleibt, bin ich viel weiter, als wenn ich sage: Du darfst das und das nicht machen. Wenn sich jemand bevormundet fühlt, wird er trotzig reagieren. Erwachsene und Kinder reagieren da sehr ähnlich.
Nervt Sie das eigentlich nicht, sich ständig mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen?Ich bin wahnsinnig dankbar, dass ich das große Glück habe, in der Unterhaltungsbranche und gleichzeitig politisch arbeiten zu können. Sobald das Thema Rassismus oder Political Correctness aufkommt, werde ich als Experte eingeladen. Das ist toll und spannend. Ich habe dadurch extrem an Bekanntheit gewonnen und an Möglichkeiten, weiter gegen Diskriminierung zu kämpfen.
Marius Jung wurde 1965 als Sohn eines schwarzen US-Soldaten und einer Deutschen in Trier geboren. Nach Schauspielausbildung und Gesangsunterricht trat er auf Kleinkunstbühnen auf und arbeitet als Kabarettist, Moderator und Coach. Jungs erstes Buch „Singen können die alle - Handbuch für Negerfreunde" sorgte bei Erscheinen für Wirbel, als ihm von Studentenvertretern der Uni Leipzig Rassismus vorgeworfen wurde. In seinem zweiten Buch „Moral für Dumme - Das Elend der politischen Korrektheit" legt der Kölner Comedian nach und zeigt mögliche Grenzen der „Political Correctness" auf - provozierend, analytisch, aber auch humorvoll. Marius Jung lebt mit Frau und Tochter in Köln-Nippes. Mehr Infos gibt es auf seiner Internetseite www.mariusjung.de Live zu sehen ist er unter anderem am 18. Oktober im Gloria-Theater in Köln oder am 3. November im Unterhaus in Mainz. Am 27. November ist er im Kölner Senftöpfchen. Tickets: www.rhein-zeitung.de/tickets
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