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"Ich hatte den Blutgeschmack vermisst"

Völlige Erschöpfung nach dem Ziel.

Agata Strausa hat in der Mixed-Staffel an der Crosslauf-EM den achten Platz belegt. Wie sie den Spurt durch Schlamm und gegen den Wind erlebt hat – und warum Blut zu schmecken ein gutes Zeichen ist:

Knöcheltiefer Schlamm, eisiger Wind und eine Strecke, die es in sich hatte: Die Bedingungen bei den Crosslauf-Europameisterschaften in Tilburg (Niderlande) am Sonntag waren hart. So anspruchsvoll, wie man es sich von einem Geländelauf eben wünschen würde. Auf der 1,5 Kilometer langen Rundstrecke gab es mehrere Anstiege, enge Kurven um Bäume, drei Hindernisbalken und tiefe Löcher im matschigen Boden. Hier startete Agata Strausa über 1600 Meter als Schlussläuferin der lettischen Mixed-Staffel.


„Ich habe beim Laufen nichts von der schwierigen Strecke wahrgenommen, ich war zu fokussiert auf das Ziel", erzählt Agata Strausa.


„Am Tag zuvor habe ich mich auf der Strecke eingelaufen, um sie mir genau einzuprägen. Da habe ich mir beim Anblick der tiefen Gräben und der engen Kurven noch gedacht, ‚wie sollen wir hier in einem schnellen Tempo durchkommen?'".


Doch am Renntag sei alles anders gewesen: „Als ich das Staffelband von meinem Vorläufer bekommen habe, bin ich einfach losgesprintet, so schnell ich konnte. Erst ging es etwas bergab, da kam ich gut ins Tempo, merkte aber zugleich, dass bei jedem Schritt der Matsch die Spikes zu schlucken versuchte. Ich habe mich immer wieder angepeitscht, ‚Schneller, Strausa, schneller, weiter!'. Gleich auf den ersten dreihundert Metern sind Läuferinnen an mir vorbeigelaufen. Es fühlt sich nie gut an, überholt zu werden. Ich war auf diese Situation mental vorbereitet - man darf da die Spannung nicht verlieren. Außerdem kenne ich das von Stadionwettkämpfen: Auf den letzten 300 Metern geht schon der ein oder anderen die Luft aus. Ich muss den anderen nur auf den Fersen bleiben, um dann rechtzeitig attackieren zu können.


Die Zeit verging im Flug - die drei Hindernisse auf der Strecke übersprang ich mit jeweils einem Zwischenschritt, da ging es auch schon in den Wald - die letzten 500 Meter der Strecke führten durch das Gehölz. Das Waldstück hatte besonders enge Kurven und mehrere kleine, steile Anstiege. Zwei Läuferinnen überholte ich beim Sprung von einer Anhöhe. Da sah ich auch schon die Zielkurve - und eine Irin in grünem Dress in Sichtweite. Instinktiv sammelte ich all meine Kräfte für den erlösenden Sprint. Während eines solchen Laufs ist es gar nicht möglich, klare Gedanken zu fassen, da läuft man eher wie in Trance. In meinem Unterbewusstsein war mir klar, dass ich die Läuferin vor mir ‚holen musste'. Ich legte mich mit meinem ganzen Körper in den Laufschritt, bewegte meine Arme so schnell es ging und Gedankenfetzen schossen mir durch den Kopf: ‚Du kriegst sie, du kriegst sie!'.

Zieleinlauf bei der Cross-EM

Nach 4:50 Minuten überquerte ich das Ziel, einen Schritt vor der Irin.

Erschöpft ging ich in die Hocke und rang nach Luft. Die Erleichterung, den Mut und Willen gehabt zu haben, bis über die Ziellinie zu kämpfen, hat sich unglaublich gut angefühlt. Als meine Teamkollegen zu mir kamen und meinten, wir wären Achte geworden, habe ich mich sehr gefreut - vor allem weil meine Teamkollegen sich auch sehr gut geschlagen haben. Wir lagen zwischendurch ja sogar auf Rang sechs, konnten mit den großen Nationen Frankreich, Spanien und Großbritannien mithalten. Fast genauso schön war es aber auch, noch Minuten nach dem Finish völlig erschöpft im Pressezelt zu sitzen und Blutgeschmack im Mund zu haben.


Das ist ein Zeichen, dass man wirklich alles gegeben hat, hatte mal ein Trainer zu mir gesagt. Das habe ich lange nicht mehr so intensiv gespürt."


Agata Strausa vom Lauf Team Haspa Marathon Hamburg startete im Trikot ihres Heimatlandes Lettland in der Mixed-Staffel. In diesem Bewerb starten die jeweils zwei schnellsten Mittelstrecken-Läuferinnen und Läufer eines Landes als eine Mannschaft. Jede und jeder absolviert etwa eine Strecke von etwa 1500 Metern - was einer Runde auf der Crosslaufstrecke entsprach.

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