Vorstellungskraft und eine Vision der Zukunft sind für den charismatischen Umweltschützer und Begründer der weltweiten Transition-Initiativen ein großer Antrieb für Veränderungen. Der 51-Jährige ist Dozent, Forscher und Autor. Wir trafen ihn zum Interview.
Herr Hopkins, Sie beschäftigen sich ständig mit den Gefahren des Klimawandels und des Ölfördermaximums. Wie behalten Sie Ihren Optimismus?
Rob Hopkins: Der amerikanische Umweltschützer Paul Hawken
pflegte dazu zu sagen: „Wenn du die Studien der Klimaforschung liest und
danach kein Pessimist bist, hast du sie nicht verstanden. Aber wenn du
die Menschen triffst, die daran arbeiten, die Erde zu erhalten und das
Leben der Armen zu verbessern, und danach kein Optimist bist, dann hast
du keinen Puls.“ Natürlich habe auch ich Tage, an denen ich mich
hoffnungslos fühle, aber zugleich habe ich einen sehr privilegierten
Platz innerhalb der Transition- Bewegung. Ich sitze quasi am
Knotenpunkt, wo all die Geschichten von Initiativen aus aller Welt
zusammenkommen, und es vergeht kaum ein Tag, wo ich nicht denke: Wow,
schau nur, was sich bewegt und was die Leute auf die Beine stellen.
Wenn man der Mehrheit der Klimaforscher glaubt, bleibt uns kaum noch Zeit, das Ruder herumzureißen.
Rob Hopkins: Als der Weltklimarat in seinem letzten Klimareport
verkündet hat, wir brauchten umgehend weitreichende Veränderung in allen
Teilen der Gesellschaft, hätten wir eigentlich euphorisch reagieren
sollen: „Fantastisch, wir können alles neu denken und unserer
Vorstellungskraft freien Lauf lassen!“ Stattdessen reagieren wir als
Gesellschaft eher frustriert und lethargisch. Eine wichtige Lehre daraus
ist: Wenn du Menschen für deine Sache gewinnen möchtest, musst du
Geschichten erzählen können, die Mut machen und aufzeigen, was
tatsächlich möglich ist. Wie würde es sich anfühlen, wie würde es
riechen und schmecken, wenn wir die Energiewende tatsächlich
hinbekommen?
Woher kommt diese Zukunftslethargie?
Rob Hopkins: Gerade arbeite ich an einem Buch über Imagination,
und einer der faszinierendsten Aspekte sind die neurowissenschaftlichen
Erkenntnisse, die zeigen, dass, wenn wir gestresst, verängstigt oder
traumatisiert sind, der Hippocampus, der so etwas wie das Erinnerungs-
und Vorstellungszentrum im Gehirn ist, sichtbar schrumpft. Für den
Klimawandel bedeutet dies: Je tiefer du in ein solches Thema eintauchst
und je deutlicher du dessen Auswirkungen begreifst, desto verängstigter
und gestresster und traumatisierter wirst du und desto weniger bist du
in der Lage kreativ darüber nachzudenken, was dagegen zu tun ist.
Was empfehlen Sie gegen die Belastung?
Rob Hopkins: Für mich persönlich war Transition die Kur. Teil
von etwas zu werden, was direkt vor meiner Haustür passiert und was die
Probleme adressiert und tatsächlich etwas verändert. Das hat wirklich
den alles entscheidenden Unterschied gemacht. Ich habe nicht das Gefühl,
dass das politische System schnell genug reagieren wird, und ich habe
bereits vieles umgesetzt, was man als Individuum tun kann. Ich verzichte
auf Flugreisen, habe mein Haus isoliert, fahre Fahrrad, recycle und
kompostiere. Aber das entscheidende Puzzleteil in der Mitte hat lange
gefehlt, nämlich was ich gemeinsam mit den Menschen um mich herum
erreichen kann. Gerade darin steckt am meisten Potenzial. Ich kann heute
durch Totnes laufen und sehe Hunderte Bäume, die wir gepflanzt haben.
Ich sehe Hunderte Solaranlagen auf den Dächern, die vorher nicht da
waren. Ich kann den Wandel sehen und spüren und daraus wiederum neue
Motivation und Inspiration schöpfen.
Sie empfehlen in Ihren Transition-Anleitungen, sich zum Start
einer neuen Gruppe viel Zeit zu nehmen und eine starke gemeinsame
Vision von der Zukunft zu entwickeln.Warum ist das so wichtig?
Rob Hopkins: In meinem neuen Buch dreht sich viel um
die Frage „Was wäre wenn?“ Auch Transition Town Totnes ist mit
ambitionierten Was-wäre-wenn-Fragen gestartet: Was wäre, wenn die Lösung
mit uns beginnt? Was wäre, wenn wir aus Totnes eine Transition Town
machen? Man muss sich diese Räume schaffen, in denen man frei darüber
nachdenken kann, wie die Dinge anders laufen könnten. Andernfalls
bleiben wir in den alten Denkweisen stecken, dass es keine Alternative
zu der Art und Weise gibt, wie wir leben. In der Schule, an den
Universitäten, am Arbeitsplatz ist alles immer restriktiver auf Leistung
und Tests ausgerichtet; alle sind ständig gestresst, und den Rest der
Zeit sitzen wir herum und spielen mit unseren Smartphones.
Wo ist außerhalb von Totnes ein solcher Freiraum durch Transition entstanden?
Rob Hopkins: Im Londoner Bezirk Crystal Palace gibt es zum
Beispiel eine Transition-Town-Initiative, die einen Markt für lokale
Lebensmittel ins Leben gerufen hat, der zum schönsten Markt Londons
gekürt wurde. Alles begann mit der Frage: „Was wäre, wenn Crystal Palace
seinen eigenen Essensmarkt hätte, der zugleich ein Katalysator für
Transition wäre?“ Was der Markt aber eigentlich bewirkt hat, ist, einen
Raum zu schaffen, in den andere Leute mit ihren eigenen Ideen eintreten
können. Auf diese Weise kommen immer neue Menschen mit anderen
Fähigkeiten dazu, die sich in diesen Raum einbringen.
Welche Fähigkeiten helfen dabei, fit für eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe zu werden?
Rob Hopkins: Im Französischen gibt es das wunderbare Wort
Bricolage, das sich von dem Verb „bricoler“ („zusammenbasteln“) ableitet
und die Fähigkeit beschreibt, das Beste aus dem zu machen, was man
gerade zur Hand hat. Wenn du in deinen Kühlschrank schaust und da sind
nur noch drei wahllose Zutaten drin und du kochst daraus trotzdem etwas
Köstliches, dann ist das Bricolage. Für mich ist das eine der
wichtigsten Fähigkeiten, die wir brauchen, um unsere Imagination wieder
mehr zu kultivieren. Wir müssen unsere CO2-Emissionen jedes Jahr um zehn
Prozent senken? Fantastisch, lasst uns darüber nachdenken, was wir
dafür alles Großartiges anstellen könnten. Das ist genau die Mentalität,
die wir brauchen. Wir müssen alle Meister der Bricolage werden.
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