Fabienne Rzitki

Journalistin - top news editor politik & panorama, München

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Organspende: Es mangelt an Herz

Deutschland hat zu wenig Organspender. Für diese Misere wird die derzeit gültige Zustimmungslösung verantwortlich gemacht. Nun steht eine Reform an. Doch Günter Kirste von der Stiftung Organtransplantation reicht das noch lange nicht.

Derzeit debattieren Politiker und Experten über eine Reform der Organspenderegelung. Zur Diskussion stehen dabei zwei Vorschläge: eine Entscheidungslösung und eine Widerspruchslösung. Während Erstere vorsieht, die Bürger mindestens einmal zur Spendebereitschaft zu befragen und dies zu vermerken, sieht Letztere eine generelle Spendebereitschaft ohne Nachfrage vor. Spender ist demnach jeder, der nicht widerspricht. Die Reform soll vor allem eines bewirken: mehr Organspenden, mehr gerettete Leben.

Wie steht die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) zur geplanten Reform der Organspenderegelung?

Professor Günter Kirste: Durch die Debatte über eine mögliche Gesetzesänderung rückt das Thema Organspende wieder stärker in den öffentlichen Fokus und es kommt Bewegung in die Diskussion um die Notwendigkeit der Steigerung der Organspendezahlen. Das ist wichtig. Noch wichtiger sind jedoch strukturelle Veränderungen und mehr Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit aller an der Organspende beteiligten Partner.

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Das heißt, eine Reform reicht nicht aus?

Kirste: Wie gesagt, eine Gesetzesänderung allein ist nicht das Patentrezept gegen den Organmangel. Wichtig ist, dass damit strukturelle Veränderungen einhergehen. Dazu gehören auch bundeseinheitliche und verbindliche Rahmenbedingungen für die Verpflichtung der Krankenhäuser, potenzielle Organspender zu melden, den Einsatz von Transplantationsbeauftragten in jedem Krankenhaus und die Einbeziehung der DSO-Koordinatoren zu den Gesprächen mit den Angehörigen.

Würde die DSO eine Widerspruchslösung bevorzugen?

Kirste: Nein, eine solche Gesetzesänderung müsste von der Bevölkerung gewollt und mitgetragen werden.

Also präferieren Sie die Entscheidungslösung?

Kirste: Eine Entscheidungslösung, wie sie fraktionsübergreifend zum Beispiel von Dr. Frank-Walter Steinmeier und Volker Kauder angestrebt wird, können wir uns gut vorstellen. Dabei geht es darum, dass alle Menschen in bestimmten Lebenssituationen aufgefordert werden, sich mit der Frage nach der Organspende auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen. Dokumentiert werden könnte dies über die Krankenversichertenkarte oder die elektronische Gesundheitskarte. Grundlegende Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang aber auch eine breite Aufklärung der Bevölkerung, denn nur wer informiert ist, kann auch eine stabile Entscheidung treffen.

Wie viele Organspender gab es 2010?

Kirste: Die Zahl derjenigen, die nach ihrem Tod andere Menschen mit einer Organspende gerettet haben, ist im Jahr 2010 bundesweit um 6,5 Prozent gestiegen. 1296 Menschen haben im vergangenen Jahr nach ihrem Tod Organe gespendet. Das sind 79 Spender mehr als 2009. Die Zahl der Organspender pro eine Million Einwohner hat sich damit gegenüber 2009 von 14,9 auf 15,9 erhöht. Vor allem die Zahl der gespendeten Organe stieg deutlich von 3897 auf 4205.

Ist auch die Zahl der Transplantationen gestiegen?

Kirste: Ja. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 4326 Transplantationen durchgeführt, 2009 waren es noch 4051. Damit haben sowohl die Zahl der gespendeten Organe als auch die der Transplantationen einen neuen Höchststand erreicht.

Können Sie schon eine Prognose für 2011 abgeben?

Kirste: Die Anzahl der Organspenden ist in den ersten Monaten diesen Jahres wieder rückläufig. Hier ist es aber noch zu früh, um Prognosen abzugeben.

Ist noch Luft nach oben? Wie viele Spender mehr könnte man gewinnen?

Kirste: 2010 gab es knapp 16 Organspender pro eine Million Einwohner. Wir gehen davon aus, dass das Potenzial viel höher sein könnte, mindestens doppelt so hoch.

Weil es beispielsweise in Spanien doppelt so viele Spender wie in Deutschland gibt?

Kirste: In Spanien liegt die Quote bei über 34 Organspendern pro eine Million Einwohner. Das kann man jedoch nicht allein auf die dort geltende Widerspruchslösung zurückführen, wie das immer wieder gerne gemacht wird. Auch in Deutschland gibt es schon Bundesländer mit über 20 Organspendern pro eine Million Einwohner, obwohl die erweiterte Zustimmungslösung gilt.

Mehr über die Gründe, weshalb weniger spenden, sowie Hintergrundinformationen zur Reform finden Sie hier.

zij/ham/news.de

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