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Die konservative Alternative

Die AfD sei weder rechts noch links, weder konservativ noch liberal - mantraartig haben Funktionäre und Anhänger der eurokritischen Partei diese Behauptungen vorgetragen. Nun koaliert die "Partei des gesunden Menschenverstands" im Europaparlament mit Nationalkonservativen und Rechtspopulisten. Durch die EKR-Fraktion verlaufen aber ideologisch tiefe Gräben.

Die AfD stehe weder links noch rechts, sei weder konservativ noch liberal, erklärte Ex-BDI-Chef Henkel. Die AfD sei eine „Partei des gesunden Menschenverstands", die man weder links noch rechts einordnen dürfe, erklärte Bernd Lucke immer wieder. So und ähnlich klangen die Sprachschablonen der vergangenen Monate.

Dafür, dass die AfD weder konservativ noch rechts sei, hat sie recht schnell und eindeutig eine politische Heimat im Europaparlament gefunden. Mit den offen rechtspopulistisch bis rechtsradikalen Parteien wollte sich Lucke nicht einlassen. Nun ist es ihm gelungen, in die Fraktion der "Europäischen Konservativen und Reformisten" (EKR) einzusteigen. Dies ist vor allem ein Erfolg gegenüber der CDU, deren Mitglied Lucke über mehr als 30 Jahre war, denn in der EKR sind auch die britischen Konservativen vertreten.

Der britische Premier Cameron hatte sich zwar gegen die Aufnahme der AfD in die Fraktion ausgesprochen, um sich keine weiteren Probleme mit Angela Merkel einzuhandeln, doch die Abgeordneten der Tories im Europaparlament folgten Cameron nicht. Viele stimmten für eine Kooperation mit der AfD - vielleicht gerade, weil sich die stolzen britischen Konservativen nicht Merkels Willen unterwerfen wollte. Die wird es nun schwer haben, ihren Wählern zu erklären, wo genau das Problem mit der AfD liegt - während die CDU im Europaparlament in der Fraktion EVP selbst mit der ungarischen Fidesz von Viktor Orban zusammenarbeitet.

Alternative?

Damit konnte Lucke "die Etablierten" zumindest schon einmal ärgern. Doch ob er und seine Mitstreiter von der AfD langfristig mit den Bündnispartnern glücklich werden, erscheint ungewiss. Denn so furchtbar "alternativ" wie die AfD es in ihrem Namen andeuten möchte, ist die EKR nicht. Der Politikwissenschaftler Dieter Plehwe ordnete das Wirken und die Zielsetzung der Fraktion im Deutschlandfunk nicht als „Fundamentalopposition gegen Europa", sondern als eine „Bündnispolitik mit den Mainstreamparteien", also den bürgerlichen Parteien, ein. In anderen Politikbereichen ist eine Kooperation bis ins „sozialdemokratische Lager" möglich.

Wie verkauft die AfD so eine Bündnispolitik ihren Anhängern (falls die das überhaupt interessiert)? Und wie gehen Lucke und die anderen sechs AfD-Abgeordneten mit inhaltlichen Widersprüchen um? So gehört zur EKR-Fraktion beispielsweise auch die nationalkonservative polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (polnisch Prawo i Sprawiedliwość; kurz PiS), bekannt durch ihre Mitbegründer Lech und Jaroslaw Kaczyński (Gedankenstütze: Lech ist der Zwilling, der in Smolensk bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam).

Die PiS setzt eher auf einen Wohlfahrtsstaat, ganz im Gegensatz zur AfD, den Tories oder der tschechischen Demokratische Bürgerpartei (Občanská demokratická strana, ODS). Auch in Sachen Ukraine verlaufen tiefe ideologische Gräben durch die Fraktion. Während viele AfD-Anhänger ihre Vorliebe für autoritäre und antiwestliche Politik a la Putin im Netz ausleben, steht beispielsweise die polnische PiS Russland äußerst skeptisch gegenüber.

Die Rechten aus dem hohen Norden

Dazu stellt sich für die AfD - mal wieder und angesichts der Entwicklungen in einigen Landesverbänden nicht zum letzten Mal - die Frage nach der Abgrenzung nach ganz rechtsaußen. So kann die Dansk Folkepartei eindeutig dem Rechtspopulismus zugerechnet werden. Die Dänische Volkspartei folgt einem Wohlfahrtsstaats-Chauvinismus und setzt auf die üblichen Themen, die für dieses Milieu typisch sind: Einwanderung, Islam, Law-and-order, Nationalismus, EU-Feindlichkeit. Ähnlich verhält es sich mit den Wahren Finnen, die ebenfalls zur EKR gehören.

Gemeinsam haben AfD, Dänische Volkspartei, Wahre Finnen, dass sie sich als Partei gegen das Establishment gerieren - was angesichts eines Bündnisses mit der PiS und den Tories noch absurder wirkt.

Allerdings haben die Fraktionen im Europaparlament längst nicht die Bedeutung wie Fraktionen im Bundestag. Es handelt sich eher um Zweckgemeinschaften, um Privilegien zu genießen. Dies beschert den EU-Skeptikern regelmäßig den Vorwurf der Bigotterie, denn einerseits wettern sie über Ausgaben für die EU, gleichzeitig nehmen sie die Fraktions- und Abgeordnetengelder gerne mit.

Abspaltung von der Union

Letztendlich hat sich Bernd Lucke in der AfD durchgesetzt: Er hat den Traum von einer eigenen Partei realisiert, hält die Partei vom offenen Rechtspopulismus fern, bindet dieses Milieu aber durch Rhetorik und Themensetzung an seine Partei. Ein Konzept, das über Jahrzehnte CDU/CSU verfolgt haben: Rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Dies scheint mit der AfD nun aber geschehen zu sein; sie sammelt Proteststimmen von enttäuschten Linken, die nationalen Protektionismus gegen die ökonomische Globalisierung fordern, sowie vor allem im (national)konservativen Milieu. Durch den Einzug ins Europaparlament verfügt die AfD nun auch über eine professionelle und abgesicherte Infrastruktur.

Bei CDU/CSU läuten angesichts dieser Entwicklung längst alle Alarmsignale - und in einer Post-Merkel-Ära dürfte sich die Union erst einmal länger mit Konflikten um den künftigen Kurs mit sich selbst beschäftigen. Denn mit einer Vorsitzenden von der Leyen wird die CDU diese Stimmen nicht zurückgewinnen. Was für die SPD die Linkspartei ist, kann für die Union die AfD werden.

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