Inmitten einer grünen Berglandschaft in , rund 30 Kilometer östlich der Hauptstadt Reykjavík, steht eine Maschine, die den Menschen Zeit verschaffen soll. Mehr noch: Sie soll einen Teil der Zeit wieder zurückdrehen, die in den letzten Jahrzehnten verschwendet wurde. Acht rechteckige Container auf grauen Betonklötzen. Auf der einen Seite Lamellen vor einer Gitteröffnung, durch die Luft einströmen soll, auf der anderen je zwölf Ventilatoren. Sie sollen helfen, die Erhitzung der Erde zu stoppen, indem sie das CO₂ zurück aus der Atmosphäre holen. Wie ein riesiger Luftfilter.
Die Technologie mit dem Namen Direct Air Capture (DAC), die hinter der Anlage steckt, weckt gerade große Hoffnungen für den Klimaschutz. Aber was kann diese Technologie wirklich? Ist sie nur ein schönes Versprechen, oder kann sie tatsächlich eine wichtige Rolle spielen? Wir haben uns auf eine Reise gemacht, die Antwort zu finden.
Die Anlage auf Island, Orca genannt, geht in dieser Woche erstmals in Betrieb. Wer verstehen will, wie sie funktioniert und was sie besonders macht, muss aber zunächst in die Schweiz fahren, genauer gesagt: auf eine Müllverbrennungsanlage in der Ortschaft Hinwil. Dort oben auf dem Dach, mit Blick auf die nördlichen Ausläufer der , steht seit 2017 die erste kommerzielle DAC-Anlage der Welt. Sie ist so etwas wie der ältere Bruder von Orca, beide entwickelt und gebaut von dem Züricher Unternehmen Climeworks.
Aus der Luft in die Coca-Cola-Flasche"Was wir hier machen, ist im Prinzip industrielle Fotosynthese", sagt Christoph Beuttler, ein Mitarbeiter, der an diesem Tag über die Anlage führt. Er muss laut sprechen, das Dröhnen und Piepsen des Heizkraftwerks mischt sich mit dem Rauschen der Ventilatoren. Die Umgebungsluft wird durch einen Filter gesogen, der das CO₂ absorbiert, erklärt Beuttler. Ist der Filter voll, schließen sich die Öffnungen auf beiden Seiten, das Innere wird auf rund 100 Grad erhitzt. Dadurch löst sich das CO₂ wieder und kann abgesaugt werden. Rund vier Stunden dauert ein Durchlauf.
Das Problem ist: Das gewonnene CO₂ muss auch wieder irgendwohin. In Hinwil wird es verkauft, einer der beiden Abnehmer ist der direkte Nachbar: ein Gewächshaus so groß wie sechs Fußballfelder, unter dessen Glasdächern Tomaten, Gurken, Auberginen und im Winterhalbjahr Feldsalat sprießen. "Von hier oben verläuft eine direkte Leitung bis zu den Pflanzen", sagt Beuttler. Eine zweite Climeworks-Anlage am gleichen Standort versorgt seit 2019 Coca-Cola. Das CO₂ landet als feine Perlen im konzerneigenen Mineralwasser Valser. Will man aber die Erderhitzung nachhaltig bekämpfen, reicht es nicht, das CO₂ nur wieder zu verwerten, es muss verschwinden.
Dafür bietet die Anlage auf Island eine Lösung. "Der große Unterschied ist, dass wir das CO₂ von Orca nicht verkaufen, sondern in der Erde speichern", sagt Beuttler. "Für mindestens 10.000 Jahre."
Wie das aussieht, lässt sich schon heute beobachten - an einem Vormittag Ende August, nur ein paar Hundert Meter von Orca entfernt. Kári Helgason sitzt mit Helm und neongelber Schutzweste in seinem Tesla und fährt über das Gelände des Geothermiekraftwerks Hellisheiði. Der Wind peitscht über die Ebene, unter den Reifen knirscht der Schotter der unbefestigten Wege. Helgason ist einer von neun Kollegen, die mit ihrem Verfahren Island zum Zukunftsstandort für die Endlagerung von CO₂ machen wollen. "Wir haben hier in Island gigantisch viel Platz", sagt er. "Genug für das Hundertfache der jährlichen Emissionen weltweit."