Katharina Finke

journalist & non-fiction author

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Waschen, trocknen, bügeln

Chinesische Wäschereien gehören wie die Yellow Cabs zum Alltag in New York. Doch ihre Tage sind gezählt - Porträt einer aussterbenden Institution. 

"Das ist ein Job, den keiner machen will", sagt Judy Ching und runzelt die Stirn. „Doch uns ist nichts anderes übrig geblieben als wir nach New York kamen", ergänzt ihr Mann Mike lächelnd. Das Ehepaar, das aus dem Süden Chinas stammt, betreibt seit mehr als 30 Jahren einen kleinen Waschsalon in Brooklyn. Hinter den Fensterscheiben türmen sich bunte Säcke und Sporttaschen. Ihr Inhalt: schmutzige Wäsche.

In New York ist es gang und gäbe, außer Haus waschen zu lassen, denn in vielen Wohnungen gibt es keine Waschmaschine. Die Apartments sind oft zu klein und der Wasserdruck ist zu niedrig, um das Wasser in die oberen Stockwerke zu befördern. Für die meisten New Yorker bedeutet das: entweder die Wäsche in sogenannten Laundromaten selbst waschen oder zu einer Chinese Laundry gehen. Das Prinzip dort ist einfach: Wäsche abgeben und wenige Stunden später oder am nächsten Tag sauber wieder abholen. Bezahlt wird nach Gewicht und der Service ist erschwinglich.

Waschen im Familienbetrieb

Die Wäscherei, namens „San Toy", ist ein mehr als 100 Jahre alter Familienbetrieb, den die Chings von Judys Cousin übernommen haben. Es riecht nach Wasserdampf und Chemikalien. Das kommt von den vielen Sprühflaschen, von denen Mike gerade eine benutzt, um einen Flecken aus einem Rock zu entfernen - sogenanntes Drycleaning. Das ist pro Kleidungsstück und genau wie die Handwäsche, ab zwei Dollar zu haben. Eine Ladung Wäsche (4,5 Kilogramm) - so viel, wie bei einer Person in einer Woche durchschnittlich anfällt - kostet acht Dollar (sechs Euro).

Knapp 200 Kilogramm Schmutzwäsche bekommen die Chings täglich. Das schafft ihre kleine Waschmaschine nicht. Deswegen holt ihr Neffe einmal am Tag die Wäsche ab und fährt sie zur Großraumwäscherei der Familie etwas außerhalb von Brooklyn. Dort wird die Wäsche in 30 Maschinen gereinigt und getrocknet.

Die Chings sind zwei der zahlreichen Einwanderer Nordamerikas. Die ersten Arbeiter aus China kamen, als Mitte des 19. Jahrhunderts Gold an der Westküste entdeckt wurde. Sobald der Goldrausch Ende des Jahrhunderts vorbei war, wurden sie vertrieben und siedelten an die Ostküste nach New York um. Für die meisten von ihnen war es schwierig einen Job zu finden, weil sie kein Englisch sprachen und wenig Geld hatten. So gründeten viele von ihnen chinesische Restaurants und Wäschereien.

Im Waschsalon der Chings ragen alte Holzregale, gefüllt mit kleinen braunen Paketen, bis unter die Decke. „Alles saubere Wäsche", sagt er. „Aber die ist ganz alt", fährt seine Frau dazwischen und zeigt mit dem Finger auf die kleinen Zettel, an den Paketen: „Von 2007 und 2008", sagt sie, „ich weiß nicht, ob sie jemand abholt, aber ich hebe sie auf." Das Paar arbeitet noch ganz traditionell: Sie heftet fleißig kleine Zettel an die Wäsche, damit nichts durcheinander kommt. Er bügelt mit einem alten Gusseisen und die Kunden zahlen bar. „Ich bin sehr glücklich mit der Wäscherei", sagt eine Stammkundin, „sie sind schnell, freundlich und die Kleidung ist immer sauber."

Damit dieser Service reibungslos funktioniert, muss das schmächtige Ehepaar sechs Tage die Woche von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends schuften. „Der Gestank der Schmutzwäsche macht mir nicht so viel aus", sagt er. Viel schlimmer findet er die Verletzungen. Er zeigt seine Handflächen: Brandwunden, Narben und verätzte Stellen. Dann kommt Judy und krempelt ihren Blusenärmel hoch. An ihrem Unterarm klebt ein großes Pflaster und auch sie hat Spuren von Verbrennungen auf der Haut. „Diese Chemikalien und das Bügeleisen sind einfach gefährlich", sagt sie.

Konkurrenz Selbstbedienung

Die Arbeitsbedingungen in den Wäschereien waren schon immer miserabel und eine 72-Stunden-Woche ist normal. Doch früher brauchten viele chinesische Einwanderer den Job, sodass 1930 jeder vierte - oft auch illegal - in einer der 3.500 Chinese Laundries in New York beschäftigt war.

Inzwischen will kaum noch jemand unter diesen Umständen arbeiten. Hinzu kommt, dass viele Kunden sparen müssen und lieber selbst waschen - in Laundromaten, seltener mit der eigenen Waschmaschine. Die Folge: Immer mehr Wäschereien schließen oder stellen auf Selbstbedienung um. Auch Experten staunen über das Tempo: „Es geht einfach zu schnell, da verliert man den Überblick", sagt Malcolm Amado Uno, Geschäftsführer des asiatisch-pazifisch-amerikanischen Arbeiterbündnisses (APALA).

Glück für die Chings, denn die Konkurrenz stirbt aus und ihre fixen Kosten sind gering: Miete müssen sie nicht zahlen, weil der Laden ihnen gehört und manchmal vergessen die städtischen Beamten sogar, das Geld für die jährliche Lizenz zu kassieren. Doch das alles hilft nichts, wenn auch bei ihnen die Kundschaft ausbleibt. „Vor der Krise war es besser, da haben wir im Monat bis zu 6.000 Dollar verdient", sagt Mike, „jetzt nur noch die Hälfte." Das entspricht einem Netto-Stundenlohn von 5,30 Dollar, der weit unter dem gesetzlichen New Yorker Mindestlohn von 7,25 Dollar liegt.

Auch wenn sich der Einsatz nicht mehr lohnt, arbeiten die Chings weiter wie gewohnt und haben nur am Sonntag frei - und was machen sie da? Judy runzelt wieder die Stirn und sagt: „Da putzen wir unser Haus."

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