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Chaos mit System

Zweieinhalb Jahre sitzt die AfD in Berliner Parlamenten. Eine Bilanz aus Neukölln.

Von Johanna Treblin

Anne Zielisch verlässt energischen Schrittes das Rednerpult und wendet sich nach links, weg von ihrem Platz, vorbei an der Bank der Stadträte, und verlässt den Sitzungssaal. Irritierte Blicke folgen ihr. Zielisch, fraktionslose Bezirksverordnete in Berlin-Neukölln, die über die Liste der AfD gewählt wurde, hatte gerade eine Frage an Bezirksstadträtin Katrin Korte (SPD) gestellt. Lars Oeverdieck, Vorsteher des Parlaments und ebenso Mitglied der SPD, greift zum Mikrofon und stellt fest: Wenn eine Verordnete eine Frage stellt, dann aber den Raum verlässt, hat sie offensichtlich kein Interesse an der Antwort. Dann muss ihre Frage auch nicht beantwortet werden. Korte bleibt sitzen. Alltag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln.

Es ist Halbzeit für die Bezirksparlamente in Berlin. Seit zweieinhalb Jahren sitzt die AfD nicht nur im Abgeordnetenhaus, sondern auch in allen zwölf BVVen. In sechs stellt sie einen Stadtrat. In Neukölln sorgen die AfD-Verordneten regelmäßig für Irritationen, oft auch für Ärger - und vermitteln den Eindruck einer Chaostruppe. Was nicht heißt, dass es amüsant ist, ihnen zuzuhören. Ein Beispiel: Beim Antrag der SPD, einen Gedenkort für NS-Zwangsarbeiterlager an der Fulhamer Allee zu schaffen, meldet sich Roland Babilon von der AfD zu Wort: "In Treptow-Köpenick gibt es bereits eine Zwangsarbeiter-Gedenkstätte mit gut erhaltenen Baracken." Besser wäre es, so Babilon, "wenn sich bei den Deutschen endlich wieder ein gesundes Nationalbewusstsein herausbildet". "Buuh!" schallt es durch den Saal, jemand wirft Babilon vor, den Faschismus zu verteidigen. "Hören Sie auf mit Ihrem Nationalscheiß!", sagt eine andere.

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