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Die Beutegemeinschaft

Auf der Jagd nach großen Scheinen. Die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach, bei der Bundespressekonferenz, März 2019

Nach dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag hofft die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung auf staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe.


Mit knapp fünf Millionen Wählerstimmen, was einem Anteil von 10,3 Prozent entspricht, wurde die AfD im September zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt. An diesem Ergebnis hängen nicht nur Mandate, sondern auch öffentliche Gelder. 11,8 Millionen Euro hat die Partei im Vorjahr aus dem ­insgesamt 197 Millionen Euro schweren Fonds der staatlichen Parteifinanzierung erhalten. Nach dem Wiedereinzug in den Bundestag erhebt die AfD nun auch Anspruch auf staatliche Förderung für die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES).

Grundlage der staatlichen Stiftungsfinanzierung ist kein Gesetz, sondern ein Gewohnheitsrecht, das auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986 zurückgeht. Demnach sind Stiftungen förderfähig, wenn sie eine "dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung" repräsentieren. Wann dies der Fall ist, ist politisch umstritten. Die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) erhält erst seit 1999 Mittel aus dem Bundeshaushalt. Seit 1993 hatte die Vorgängerpartei von "Die Linke", die PDS, diese Förderung gerichtlich eingeklagt.

Um die Arbeit der Stiftungen auf eine transparente Grundlage zu stellen, verabschiedeten die etablierten Stiftungen 1998 eine "Gemeinsame Erklärung", der sich 2003 auch die RLS angeschlossen hat. Dort wurde der "wiederholte" Einzug in den Bundestag als Voraussetzung der staatlichen Förderung genannt; zudem wurden Tätigkeitsfelder festgeschrieben. Dazu gehören politische Bildungsarbeit, Studien- und Wissenschaftsförderung, Politikberatung, der Aufbau von Bibliotheken und Archiven sowie internationale Begegnungen und Entwicklungspolitik.

Die parteinahen Stiftungen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CSU und Linkspartei sind mit Ausnahme der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung im juristischen Sinn eigentlich Vereine. 2019 erhielten sie insgesamt 659,7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt – eine gewaltige Summe, wenn man bedenkt, dass die Parteienfinanzierung weniger als 200 Millionen Euro ausmacht. Das Geld kommt aus dem Budget verschiedener Ministerien: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Auswärtige Amt fördern Stipendien für Studierende und Promovierende, das Innenministerium finanziert politische Bildungsarbeit in Form von Veranstaltungen, Publikationen und Projekten, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Auslandsarbeit der Stiftungen. Insgesamt geben die Stiftungen etwa die Hälfte ihres Budgets für ihre 336 Auslandsbüros aus.

 Die genaue Aufteilung der Bundesmittel erfolgt nach einem inoffiziellen Verteilungsschlüssel, auf den sich die Stiftungen geeinigt haben. Er orientiert sich an den Ergebnissen der vier letzten Bundestagswahlen. Auf dieser Grundlage könnte die DES laut Eigenaussage in den kommenden vier Jahren bis zu 50 Millionen Euro beanspruchen. Bei gleichbleibenden Wahlergebnissen würde diese Summe danach noch einmal deutlich steigen. Auf eigene Auslandsbüros und damit knapp die Hälfte der staatlichen Förderung will die DES zunächst verzichten.

Die DES wurde 2015 als Landesstiftung in Schleswig-Holstein gegründet, 2017 in eine Bundesstiftung überführt und 2018 auf dem Bundesparteitag der AfD mit 64,4 Prozent der Stimmen als parteinahe Stiftung anerkannt. Seit März 2018 wird sie von der ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach geleitet. In der AfD, die laut Programm die „staatliche Finanzierung von Parteistiftungen ganz abschaffen“ möchte, wurde zuvor lange über den Nutzen einer eigenen Stiftung debattiert.

 Der AfD nahestehende Landestiftungen gibt es bisher nur in acht Bundesländern. Brandenburg ist das einzige, in dem parteinahe Vereine bisher in den Genuss staatlicher Förderung gekommen sind. Die Erasmus-Stiftung Brandenburg und der „Kommunalpolitische Heimatverein“ erhielten von 2016 bis 2018 knapp 100.000 Euro. Danach verweigerte das Innenministerium weitere öffentliche Zuwendungen, weil „Zweifel an der Sachkunde“ und der „finanziellen Zuverlässigkeit“ der Vereine bestünden. Unter anderem soll der Stiftungsvorsitzende der brandenburgischen DES beiden Vereinen eine hohe fünfstellige Geldsumme geliehen und dafür überhöhte Zinsen verlangt haben.

 Das Personal der DES setzt sich aus unterschiedlichen Strömungen der Partei zusammen. Neben Bundestagsabgeordneten, rechten Professoren und ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerinnen sitzen wichtige Figuren der Neuen Rechten wie Karlheinz Weißmann und Karl Albrecht Schachtschneider im Beirat. Erik Lehnert, der Geschäftsführer von Götz Kubitscheks Institut für Staatspolitik (IfS), wurde 2018 als Schriftführer der DES abberufen, nachdem das IfS vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft wurde. Seitdem stehen das den völkischen Kräften in der AfD nahestehende IfS und die DES in einem Konkurrenzverhältnis. „Wir brauchen einen anderen Thinktank als das ‚Institut für Staatspolitik‘ in Schnellroda, das ich auch selbst, das ist ja bekannt, sehr kritisch sehe“, sagte der Co-Parteivorsitzende Jörg Meuthen im Juli auf einer Pressekonferenz.

 Damit das gelingt und die staatliche Finanzierung abgerufen werden kann, müssten die Aktivitäten der DES „von einem Jahr zum anderen geradezu explodieren“, schrieb Steinbach im Oktober 2020 in einem Rundbrief. „Anstatt heutzutage mit ca. 70 Veranstaltungen pro Jahr müßten wir ab 2022 im ersten Jahr mindestens 400 und im Folgejahr dann mindestens 800 Veranstaltungen auf die Beine stellen.“ In einem internen Konzeptpapier aus dem Jahr 2018 rechnete die Partei mit einem Personalbedarf von 921 Stellen.

 Derzeit finanziert sich die DES aus regelmäßigen Spenden, die ein sogenannter Freundeskreis aufbringt. Im Gegensatz zur AfD muss die parteinahe Stiftung private Spenden nicht offenlegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 1986 die Unabhängigkeit der Stiftungen betont und direkte Tätigkeiten für die nahestehende Partei untersagt. Dennoch bietet die DES für private Spender wohl de facto eine Möglichkeit , die politischen Inhalte der AfD verdeckt zu finanzieren. Laut Eigenangaben hat der Freundeskreis eine hohe dreistellige Mitgliederzahl. Aus den Spenden werden das Stiftungsmagazin Faktum und Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet unterstützt, darunter Vorträge zu Themen wie Migration, Islam und Rechtspopulismus, Wochenendseminare zu baurechtlichen und kommunalpolitischen Anliegen sowie Schulungen in Rhetorik, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Sollte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Förderung der DES verweigern, hätte eine Klage der AfD wohl gute Erfolgsaussichten. Um das zu verhindern, fordern unter anderem Vertreter der Bildungsstätte Anne Frank, des Zentralrats der Juden, der Amadeu Antonio-Stiftung und der Gewerkschaften, die Stiftungsförderung gesetzlich zu regeln. In einem im Juni veröffentlichtem „Manifest für die Zivilgesellschaft“ wird vor „einer weiteren Diskursverschiebung nach rechts“ gewarnt und eine „wehrhafte Demokratie“ eingefordert, die „menschenfeindliche und damit demokratiezersetzende Positionen“ nicht dulde.

 Die Verpflichtung von Parteistiftungen auf die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“, die im Zusammenhang mit der „wehrhaften Demokratie“ häufig genannt wird, läuft zwangsläufig darauf hinaus, die Einschätzungen des Verfassungsschutzes zum Kriterium der Förderung zu erheben. Ironischerweise ist diese Forderung mit dem Programm der AfD vereinbar. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl heißt es dort im Abschnitt zur Kulturförderung: „Vereine und Stiftungen, die staatlich gefördert werden, müssen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.“

 Ob ein Stiftungsgesetz staatliche Zuwendungen an eine AfD-nahe Stiftung tatsächlich unterbinden kann, ist daher eher fraglich. Wie der Ausschluss von Lehnert zeigt, reagiert die DES bereits proaktiv, um ihren Gegnern keine juristisch handfesten Argumente zu liefern. Im besten Fall nützt ein solches Gesetz jenen Parteikreisen, die um ein moderateres Image der Partei besorgt sind und verstärkt so innerparteiliche Konflikte. Im schlechteren bietet es konservativen Kräften allerlei Vorwände, auch die Förderung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und antifaschistischer Projekte mit Hilfe von Linksextremismusvorwürfen einzuschränken.


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