Mit Temperaturen von teilweise mehr als 35 Grad stehen die ersten heißen Tage des Jahres an. Die Ernährungswissenschaftlerin Susanne Klaus erklärt im Interview, worauf es bei solchen Temperaturen wirklich ankommt, ob lauwarmes Wasser wirklich gegen Hitze hilft und warum die Grillparty nicht das ideale Sommeressen ist.
ZEITmagazin ONLINE: An heißen Tagen wie diesem habe ich immer kaum Appetit. Woran liegt das?
Susanne Klaus: Genau geklärt ist das noch nicht. Es kann daran liegen, dass man weniger Energie verbraucht. Sei es, weil man weniger aktiv ist oder der Körper weniger Selbsthitze produzieren muss. Generell wird bei das Herz-Kreislauf-System belastet. Der Körper versucht, die Selbsthitze loszuwerden, indem die Durchblutung der Haut verstärkt wird. Diese Verlagerung des Blutflusses kann zu Blutdruckschwankungen führen, die der Körper wieder auszugleichen versucht. Ob das direkt mit der Appetitreduktion zusammenhängt, ist meines Wissens noch nicht erforscht. Eigentlich ist unser Körper ja recht gut darin, sich selbst zu regulieren. Wir merken, was wir brauchen und was nicht. Darauf sollte man sich verlassen. Wenn man mal eine Mahlzeit auslässt, schadet das nicht. Wichtiger ist es, die pralle Sonne zu meiden. Die Ernährung ist nicht der Hauptfaktor, wie wir durch die heißen Tage kommen. Außer das Trinken, das ist schon sehr wichtig.
Susanne Klaus, 61 Jahre, leitet am Deutschen Institut für Ernährungsforschung die Abteilung Physiologie des Energiestoffwechsels. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem damit, welche Auswirkungen Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Proteine und Fette auf den Stoffwechsel haben.
ZEITmagazin ONLINE: Was für Getränke empfehlen Sie besonders gegen die Hitze?
Klaus: Am besten sind entweder Wasser oder verdünnte Saftschorlen. Von Süßgetränken, also Limonaden oder Sodapops, rate ich eher ab, auch von Kaffee mit Milch und Zucker. Früher hieß es ja immer, Kaffee entziehe dem Körper mehr Flüssigkeit, als er ihm zuführe. Wir wissen mittlerweile, dass das nicht stimmt. Aber das Koffein kann dazu führen, dass das Nervensystem angeregt wird und das Herz schneller schlägt. Das kann bei Hitze schon unangenehm sein. Außerdem hat Kaffee mit Milch und Zucker viele Kohlenhydrate.
ZEITmagazin ONLINE: Können Kohlenhydrate bei Hitze nicht so gut verarbeitet werden wie an kühleren Tagen?
Klaus: Das ist nicht das Problem. Aber das sind ja Kalorien, die man aufnimmt. Und Kalorien, die man trinkt, werden vom Körper nicht so registriert, sie führen nicht zur Sättigung, sodass man bei großem Durst schnell 100 Gramm Zucker oder mehr nur durch das Getränk zu sich nimmt. Das kann dann zu starken Insulinschwankungen und Schwankungen im Blutzucker führen. Je mehr gesüßte Getränke man gegen den Durst trinkt, desto mehr Zucker nimmt man zu sich, was diesen Effekt natürlich noch verstärkt. Zum Durstlöschen sind kalorienfreie Getränke am besten geeignet.
ZEITmagazin ONLINE: Kann man den Körper durch das Trinken denn tatsächlich abkühlen?
Klaus: Indirekt schon. Der einzige Mechanismus, den wir haben, um uns abzukühlen, ist das Schwitzen: Das verdunstende Wasser entzieht dem Körper Wärme. Das Schwitzen funktioniert aber nur richtig, wenn wir immer ausreichend Flüssigkeit nachschütten.
ZEITmagazin ONLINE: Was passiert, wenn wir an heißen Tagen zu wenig trinken?
Klaus: Wenn sich die Außentemperatur der Körpertemperatur annähert, können wir keine Wärme mehr nach draußen abgeben. Im Extremfall kann das dazu führen, dass wir überhitzen und eine Hyperthermie entwickeln. Das ist dann wie Fieber. Deshalb müssen wir schwitzen, um uns abzukühlen, und immer ordentlich Flüssigkeit nachlegen.
ZEITmagazin ONLINE: Was ist dran an der Empfehlung, lieber lauwarme Getränke zu sich zu nehmen, statt Eiswürfel mit ins Glas zu geben?
Klaus: Es gibt tatsächlich dieses Paradox: Man trinkt gern etwas Kaltes, wenn es draußen warm ist, weil man sich abkühlen will. Aber wenn ich einen Liter Eiswasser trinke, dann braucht der Körper Wärme, um dieses Eiswasser wieder auf Körpertemperatur zu bringen. Man muss deshalb nicht auf gekühlte Getränke verzichten, aber besser wäre tatsächlich lauwarmes Wasser. Damit hat der Körper weniger Arbeit. Im asiatischen Raum wird sehr gern scharf gegessen, was Schweißausbrüche auslöst, die wiederum den Körper kühlen.
ZEITmagazin ONLINE: Müssen wir an heißen Tagen andere Nährstoffe zu uns nehmen als sonst?
Klaus: Das spielt eigentlich keine große Rolle, der Bedarf ist derselbe. Wenn ich aber proteinreiche Lebensmittel esse, die viel Verdauungsarbeit erfordern, produziert das im Körper zusätzlich Wärme. Aber man merkt ja selbst, dass man bei großer Hitze nicht unbedingt Lust auf das große Schnitzel oder die Klöße hat, sondern eher zu Salaten oder Obst greift. Die haben auch einen relativ hohen Wassergehalt, was dem Körper hilft.
ZEITmagazin ONLINE: Die Grillparty zum nächsten EM-Spiel mit Nackensteak und ein paar Bier ist also ernährungstechnisch kein gutes Sommervergnügen?
Klaus: Die klassische Grillerei mit viel fettiger Wurst und Fleisch ist ja sowieso nicht die ideale Ernährung. Und wenn dann noch der Alkohol dazukommt, kann das bei Hitze schneller in den Kopf steigen. Aber abends mal eine Grillwurst zu essen, ist natürlich okay. Persönlich habe ich keine Lust, auch noch am heißen Grill zu stehen, wenn die Temperaturen ohnehin schon hoch sind. Da würde ich zum leichten Buffet raten.
ZEITmagazin ONLINE: Gibt es so etwas wie kühlendes Essen für die heißen Tage?
Klaus: Im asiatischen Raum wird sehr gern scharf gegessen, was Schweißausbrüche auslöst, die wiederum den Körper kühlen. Aber das ist Gewohnheitssache. Hier in Europa schrecken wir bei Hitze eher vor scharfen Speisen zurück ...
ZEITmagazin ONLINE: ... und holen uns lieber ein Eis.
Klaus: Da spricht prinzipiell nichts dagegen. Aber man sollte im Hinterkopf behalten, dass Eis extrem viele Kalorien hat. Man sollte es weniger als Dessert, denn als eigene Mahlzeit ansehen. Wer etwas Kühles, Süßes essen möchte, kann auch auf Obst zurückgreifen.
ZEITmagazin ONLINE: Ist es besser, im Sommer nur die saisonalen Obst- und Gemüsesorten zu essen?
Klaus: Vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit ist es gut, auf lokale und saisonale Produkte zurückzugreifen. Dass man die Erdbeeren also nur isst, wenn sie hier auch wachsen. Ernährungstechnisch ist es gut, auf Vielfalt zu setzen: Die Melone hat Inhaltsstoffe, die die Blaubeere nicht hat, und umgekehrt. Aber wenn man nicht immer nur eine Obst- oder Gemüsesorte isst, kommt man eigentlich an alle Nährstoffe, die man so benötigt.
ZEITmagazin ONLINE: Im Mittelmeerraum gibt es die Siesta, die Mittagspause über die heißesten Stunden des Tages. Dafür wird später gegessen. Wäre das eine Empfehlung für die heißen Tage?
Klaus: Das ist schwierig, da gibt es verschiedene Ansichten. Wenn man sich nicht danach fühlt, mittags viel zu essen, dann sollte man es auch nicht machen. Dann kann man gern auch abends später essen. Nur dann sollte man vielleicht darauf achten, nicht am nächsten Morgen wieder mit einem großen Frühstück einzusteigen. Wobei: Wenn man sich einigermaßen gesund ernährt, spielen die Essenszeiten eigentlich keine große Rolle, da kann man dem Körper und dem Hungergefühl ruhig vertrauen.
ZEITmagazin ONLINE: Was essen Sie persönlich, um gut durch den Sommer zu kommen?
Klaus: Ich esse gern Tomaten, ganz klassisch als Salat mit Mozzarella. Insgesamt esse ich Salate lieber im Sommer als im Winter. Und ich habe mir angewöhnt, eine Kanne Früchtetee auf den Schreibtisch zu stellen, damit ich immer ausreichend Flüssigkeit habe.
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