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Darum ist Aluminium gar nicht so gut für die Umwelt | quarks.de


Darum geht's:

Aluminium wird als umweltfreundliche Plastik-Alternative beworben

In einem YouTube-Video streift Game of Thrones und DC-Star Jason Mamoa durch die Wüste. Vorbei an riesigen Felsformationen, viel Sand und ein paar Steinen.

Kurz blinkt ein Schriftzug auf – “Infinitely Recycable”. Dann stapft Mamoa durch einen Haufen benutzter Plastikflaschen. Das Ziel seiner Wanderung: Für die Umwelt möchte er sich seinen Bart abrasieren. Denn Plastikflaschen seien ein großes Problem. Die Lösung hat er auch parat: Wasser in Aluminiumdosen. Diese seien zu 100 Prozent und unendlich oft recycelbar. Mit seiner Botschaft ist Mamoa nicht allein: Pepsi, Nespresso, Apple – sie alle möchten mit Aluminium die Umwelt retten.

Tatsächlich hat Aluminium, wie alle Metalle, grundsätzlich ein höheres Potential für systematisches Recycling als andere Stoffe. Umweltfreundlich ist es deswegen aber noch lange nicht.



Darum müssen wir darüber sprechen:

Aluminium lässt sich selten ohne Qualitätsverlust recyceln

Zwar lässt sich Aluminium theoretisch ohne Qualitätsverlust recyceln, in der Realität ist das aber eher die Ausnahme. Das liegt unter anderem daran, dass es bis zu 450 verschiedene Aluminium-Legierungen gibt, also Metallgemische aus Aluminium und anderen Metallen. Diese Legierungen lassen sich nicht mehr voneinander trennen und sich nicht beliebig ineinander umwandeln.

Technisch sind sie aber nötig, da sie völlig verschiedene Eigenschaften und Anwendungen haben. Autoaluminium beispielsweise hat einen hohen Magnesium- und Zinkgehalt, was das Metall härter macht. Getränkedosen und Kochtöpfe hingegen haben einen hohen Mangan-Gehalt, der das Aluminium hitzebeständiger und besser vor Zersetzung schützt. Andere Legierungen in Flugzeugen sind besonders elastisch.


Alle Alu-Arten landen auf demselben Schrotthaufen

Dass sich die einzelnen Metallgemische nicht voneinander trennen lassen, ist nicht das einzige Problem. Für gewöhnlich landen außerdem alle verschiedenen Legierungen auf demselben Schrotthaufen. Das bedeutet, im Recycling-Prozess werden sie auch alle miteinander verschmolzen. Das neue, zusammengeschmolzene Aluminium muss dann entweder mit reinem Aluminium verdünnt werden, damit es weiterhin vielfältig nutzbar bleibt, oder man nutzt es für weniger anspruchsvolle Anwendungen.


Mit jedem Recyclingschritt sinkt die Qualität

Dieses sogenannte Downcycling führt dazu, dass hochwertiges Aluminium bei jedem Recyclingschritt an Qualität verliert und somit immer weniger Anwendungsmöglichkeiten hat. Es gibt Legierungen, die für 95 Prozent der Aluminium-Anwendungen nicht mehr nutzbar sind.
Für was sich das recycelte Aluminium genau verwenden lässt, hängt auch von der Herkunft des Schrotts ab. Es gibt Schrotthaufen, die sind nur für fünf Prozent aller Anwendungen brauchbar, andere für annähernd 100 Prozent. Insgesamt lässt sich sagen, je mehr verschiedene Legierungen und Metalle ein Produkt enthält, desto schwieriger lässt es sich spezifisch recyceln.

Weitere Angaben zum Artikel:


Aus so vielen Rohstoffen besteht ein durchschnittliches Smartphone

Am Beispiel eines Mobiltelefons wird deutlich, wie viele verschiedene Legierungen und Metalle ein einziges Produkt enthalten kann. So besteht ein durchschnittliches Smartphone aus etwa 60 verschiedenen Rohstoffen – darunter rund 30 Metalle. Beispielsweise ist Wolfram im Vibrationsalarm eines Mobiltelefons verbaut. An den Kontakten der SIM-Karte und am Akku befindet sich Gold und in den Mikrokondensatoren ist Tantal.

Den größten Anteil macht Kupfer aus. 15 Prozent des Smartphones bestehen daraus. Den zweitgrößten Anteil an den Metallen haben Eisen und Aluminium, mit jeweils drei Prozent. Die Aufzählung lässt sich fortführen. Im Recyclingprozess werden die Akkus entnommen, entsorgt und das Handy anschließend in seine Bestandteile sortiert. Hierbei wird unter anderem nach Display, Kunststoffen und eben Metallgemischen sortiert. Letztere werden dann gemeinsam eingeschmolzen.

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Nachhaltiges Recycling sieht anders aus

Wegen all dieser technischen Herausforderungen wird nach Angaben des Bundesumweltamts der überwiegende Teil des Aluminiumschrotts in Deutschland zu qualitativ „unspezifischen Gussaluminium“, also direkt zu Aluminium am Ende der Recycling-Kette oder sogar zu Deoxidationsaluminium in der Stahlindustrie verarbeitet. Dort hilft es, Versprödung, Rissanfälligkeit und Korrosion von Stahl zu verhindern. Dann hat das Aluminium seine Recyclingfähigkeit allerdings vollständig verloren. Nachhaltig kann man das Recycling so eigentlich nicht mehr nennen. Eine Publikation von 2013 gibt an, dass tatsächlich weniger als ein Viertel des Aluminiums weltweit aus Recyclingstoffen entsteht.

Außerdem gehen bei den Recycling-Verfahren durchschnittlich über alle Legierungen hinweg vier bis fünf Prozent des Aluminiums durch Oxidationsvorgänge verloren. Bei besonders empfindlichen Legierungen sind es sogar 20 bis 25 Prozent des Materials, die verloren gehen.

Artikel Abschnitt: Aber:


Aber:

Aluminium hat das Potential für einen sauberen Rohstoff

Die „Umwelt-Schädlichkeit” von Aluminium hängt unter anderem auch davon ab, wo das Aluminium hergestellt wird. Je nach technologischem Stand der Anlage und welche Art von Elektrizität für die Anlagen genutzt wird, lässt sich die Ökobilanz von Aluminium deutlich verbessern.

Während in China beispielsweise pro Kilogramm produziertem Aluminium etwa 25 Kilogramm CO2-Äquivalente entstehen, sind es in Norwegen nur etwa 0,5 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm Aluminium. In Deutschland entstehen pro Kilogramm Aluminium etwa 17 Kilogramm CO2-Äquivalente.

Legierungen müssten besser sortiert werden

Obwohl Aluminium im Schnitt zurzeit nicht wirklich nachhaltig ist, könnte durch eine bessere Sortierung der Legierungen und recyclingorientiertes Produktdesign, die Recyclingquote deutlich verbessert werden. In Deutschland werden beispielsweise Getränkedosen durch den Dosenpfand isoliert gesammelt. Da sie nur aus zwei Legierungen – eine für die Dose selbst, eine zweite für den Verschluss – bestehen, lassen sie sich recht gut ohne Qualitätsverlust recyceln.
Eine 100-prozentige Recyclingquote lässt sich allerdings nicht erreichen, da einerseits Material beim Recycling-Verfahren verloren geht und andererseits durch die Verwendung von zwei Legierungen auch immer ein wenig Primärmaterial zugegeben werden muss.

Noch schneidet Aluminium im Vergleich nicht gut ab

Betrachtet man die Umweltverträglichkeit von Aluminium im Vergleich, lohnt auch ein Blick auf die Produktion. Pro Kilogramm Aluminium entstehen mehr CO2-Äquivalente, es wird mehr Energie verbraucht und der Boden wird durch Abfallstoffe, die während der Produktion von neuem Aluminium, aber auch durch Abfallstoffe, die durch das Recycling anfallen, saurer. Außerdem sind die Abfallprodukte im Schnitt gefährlicher für den Menschen als bei anderen gängigen Metallen wie Kupfer, Zink, Nickel, Eisen oder Chrom. Deutlich schlechter als Aluminium schneiden aber Silber, Gold und Platin ab.

2010 ereignete sich in Ungarn eine der größten Umweltkatastrophen Europas. In einer Aluminiumhütte brach ein Becken mit Abfallstoffen, dem sogenannten Rotschlamm. Darin enthalten sind neben Eisen (III)-Verbindungen, die dem Schlamm seine rote Farbe geben, Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Vanadium oder Quecksilber. Über eine Milliarde Liter der giftigen Abfälle fluteten Dörfer, Felder und Bäche. Der Zwischenfall forderte zehn Menschleben, 150 weitere wurden verletzt. 350 Häuser mussten, vor allem wegen dem Arsen, abgerissen und woanders neu aufgebaut werden. Der verseuchte Boden wurde aufwändig abgetragen und mit speziellen Pflanzen, die Schadstoffe aufnehmen, gereinigt. Die Gegend wieder bewohnbar zu machen, hat rund 130 Millionen Euro Steuergelder gekostet. Das Grundwasser weist bis heute einen deutlich erhöhten Arsen-Gehalt auf.

Aluminium ist nicht besser als Plastik

Selbst im Vergleich mit Plastikverpackungen sieht Aluminium nicht gut aus. Beim Recycling von jeder Tonne Aluminium werden im Gegensatz zu Plastik zwar 0,1 Tonnen CO2-Äquivalente pro Tonne recyceltes Material eingespart. Dafür werden bei der Produktion von Primäraluminium durchschnittlich 13,5 Tonnen CO2-Äquivalente pro Tonne Primäraluminium freigesetzt. In der Plastikproduktion hingegen sind es bis zu 2,4 Tonnen CO2-Äquivalente.

Diese Zahlen sind nicht zu vernachlässigen, denn nach Angaben des Umweltbundesamts wird in den seltenen Fällen, in denen Aluminium nicht gleich zu minderwertigem Gussaluminium geschmolzen wird, mindestens 50 Prozent Primäraluminium verwendet, um die Qualitätsstandards zu halten. In Zukunft könnte dieser Anteil sogar noch steigen, da einerseits der Aluminiumbedarf steigt und andererseits die Vorgaben von Behörden strenger werden. Und nochmal zur Erinnerung: Nur ein Viertel des Aluminiums weltweit ist aus Recycling-Materialien.

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Und jetzt?

Produkte müssen sich leichter recyceln lassen

Einfach alle Plastikverpackungen durch Aluminiumverpackungen auszutauschen ist definitiv nicht die Lösung. Theoretisch hat Aluminium aber das Potential, nachhaltig zu werden. Die Industrie muss dafür Produkte so designen, dass sie sich leichter recyceln lassen. Das bedeutet, sie müssen aus möglichst wenigen Legierungen bestehen, die sich leicht voneinander trennen lassen. In der Wissenschaft gibt es viele Ansätze auch Schrotthaufen mit verschiedenen Legierungen zu trennen. Unter anderem wird an Verfahren mit Röntgenfluoreszenz, Röntgentransmission, Laserinduzierter Plasma-Spektroskopie und Neutronen-Aktivierungsanalysen geforscht.

Andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wollen Recycling-Aluminium nicht durch Einschmelzen gewinnen und dadurch sowohl den Materialverlust vermeiden, als auch den Energieverbrauch deutlich verringern. Im sogenannten Solid-State-Recycling werden Aluminium-Späne durch hohen Druck zu einem neuen Bauteil geformt. Zwar besteht dann immer noch das Problem, dass sich ein Mix aus verschiedenen Legierungen nicht für jede Verwendung eignet. Aber da das Aluminium nicht nochmal eingeschmolzen wird, geht zumindest kein Material verloren und es kann bis zu 93 Prozent der Energie, die beim Recycling-Prozess benötigt wird, eingespart werden.
Darüber hinaus muss die Energiewende vorangetrieben werden, damit bei der energieintensiven Aufbereitung und Produktion von Aluminium weniger CO2-Äquivalente frei werden.

Autor: Andreas Schneider

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