Freiburger Literaturreihe "zwischen/miete"
Unterwegs zur WG-Lesung: Hier geht es weniger streng zu, als es sonst im Literaturbetrieb üblich ist. © picture alliance / dpa / Rene Ruprecht
Von David Siebert · 14.06.2016
Jenseits der Gediegenheit von Literatursalons: Die Lesungen der Reihe "zwischen/miete" finden in Freiburger Wohngemeinschaften statt. Die studentischen Macher laden junge Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in die Uni-Stadt am Schwarzwald ein.
Eine Studenten-WG in Freiburgs Altbau-Innenstadtviertel Wiehre. Vor der hölzernen Jugendstil-Wohnungseingangstüre stapeln sich Sandalen und ausgetretene Sneaker. Bei dieser Literaturveranstaltung heißt es: Schuhe ausziehen! Danach begutachtet das meist junge Publikum erst einmal neugierig den Veranstaltungsort:
Einen Alltagsraum in einen Ort für Literatur zu verwandeln, ist Kern des Lesereihen-Konzepts, sagt Mitorganisatorin Clara Kopfermann, 27 Jahre alt und Literaturstudentin:
Ein weiteres Markenzeichen: In der WG-Küche werden vor der Lesung Bier und Brötchen angeboten. Das verändert die Atmosphäre, erklärt "zwischen/miete"-Mitstreiter Frederik Skorzinski:
Die Lesung selbst findet im WG-Wohnzimmer statt. Auf dem Dielenboden liegen Dutzende zitronengelber oder mintgrüner Sitzkissen. Langsam füllt sich der Raum. 50 Zuhörer nehmen Platz, an anderen Abenden kommen bis zu 100. In die angrenzenden WG-Zimmer, wird die Lesung per Lautsprecher übertragen. Der heutige Gast, Christoph Linher, ein junger Autor aus Österreich, sitzt vor einem Tisch aus Holzpaletten, dekoriert mit roter Stickdecke und blauen Veilchen, und liest aus seinen Debütroman "Farn":
Eine düster-lakonische Erzählung über Einsamkeit, Erinnerung und Sinnsuche. Die Zuhörer sitzen dicht an dicht gedrängt auf dem Boden, einige haben die Augen geschlossen, andere lassen den Blick aus dem Fenster schweifen.
Frederik Skorzinski: "Ich muss auch echt ein Lob für unser Publikum aussprechen, weil das wirklich sehr oft von den Autoren rückgemeldet wird: Dass trotz einer großen Fülle und einer manchmal ein bisschen anstrengenden Sitzsituation, die Leute extrem aufmerksam sind und so eine konzentrierte, schöne Atmosphäre herrscht. Also, da wird dann schnell deutlich, dass der Text im Mittelpunkt steht"
Das hat sich auch unter Schriftstellern herumgesprochen. Mittlerweile bewerben sich viele von selbst um eine Teilnahme. Das studentische Organisationsteam wählt die Autoren aus. Einzige Bedingung: Es muss sich um Newcomer handeln. Beim Genre kennt man keine Grenzen: Das Programm - gerne auch mit gesellschaftskritischen Inhalten - reicht von Prosa bis zu Gedichten, von experimentellen Texten bis zu Graphic Novels.
Frederik Skorzinski: "Diese Grenzüberschreitungen, das macht auch Spaß: Diese Kategorien auch so ein bisschen in Frage zu stellen und deswegen sind wir da gar nicht vom Ansatz her so streng, wir machen jetzt nur Prosa oder so."
Nach angeregter Diskussion - wie üblich in einer WG - klingt der Abend bei Bier und Gesprächen aus.
"zwischen/miete" - ein äußerst gelungenes Konzept, junge Literatur frisch und in ungezwungenem Ambiente zu präsentieren, dass mittlerweile viele Nachahmer findet: