1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Simbabwe entschädigt weiße Farmer mit Milliarden

Den weißen Landwirten, denen die simbabwische Regierung vor fast 20 Jahren ihre Farmen abgenommen hat, winkt eine späte Genugtuung: Durchschnittlich soll jeder der mehr als 3500 Betroffenen, die einen Antrag gestellt haben, mit umgerechnet rund 850.000 Euro entschädigt werden. Kompensiert werden sollen damit die Unternehmen, Immobilien und sonstigen Werte, die sich auf den Grundstücken der Bauern befanden, die damals in Staatsbesitz übergingen. Nach langen Verhandlungen haben sich die Unterhändler der Regierung und der Bauernvereinigung "Commercial Farmers' Union" (CFU) auf einen insgesamt knapp drei Milliarden Euro schweren Deal geeinigt. Die erste Hälfte der Summe soll bereits innerhalb eines Jahres fließen, die restlichen Zahlungen werden auf fünf Jahre gestreckt.


Präsident Emmerson Mnangagwa sprach von einem "historischen Anlass", CFU-Präsident Andrew Pascoe gar von einem "Wunder". Weniger euphorisch reagierte der simbabwische Analyst und Politikberater Alex Magaisa, der heute an der Universität im britischen Kent lehrt. Zwar sei damit der erste Schritt gelungen, um einen Schlussstrich unter das Kapitel der Landreform zu ziehen, sagt Magaisa. Doch: "Vor zehn, 15 Jahren, wäre das Thema Entschädigungen viel weiter oben auf der Prioritätenliste gewesen. Heute gehört es nicht mehr zu den drängendsten Problemen."


Ein Schritt aus der Isolation?

Durch die Landreform und die teils gewaltsame Vertreibung von etwa 4000 weißen Farmern hatte Simbabwe viel internationales Vertrauen eingebüßt. Dabei galt Simbabwe nach seiner Unabhängigkeit 1980 zunächst als hoffnungsvoller Gegenentwurf zum benachbarten Apartheid-Südafrika. Doch durch das zunehmend aggressive und autoritäre Auftreten von Revolutionsheld und Langzeitherrscher Mugabe isolierte es sich außenpolitisch immer weiter. Auf die brutale Landreform zwischen 2000 und 2003 reagierten die USA und die EU mit Sanktionen gegen zahlreiche simbabwische Personen und Unternehmen, die teils bis heute gelten. Neben politischen Fehlern im Land selbst trug auch die sinkende Investitionsbereitschaft im Ausland zum wirtschaftlichen Niedergang bei.

Mit dem Abkommen steigt nun die Hoffnung, diesem Trend entgegenzuwirken: "Ich glaube, dass die Entschädigungen eine klare und unmissverständliche Botschaft an lokale und ausländische Investoren sendet, dass Simbabwe wirklich offen für Geschäfte ist", sagt CFU-Chef Pascoe im DW-Interview. Er wiederholt damit das Mantra des Mugabe-Nachfolgers Mnangagwa, dessen Bilanz bislang hinter den zu Amtsantritt formulierten Erwartungen zurückbleibt: Die Wirtschaftskrise nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an, die Währung ist im freien Fall. Millionen Simbabwer hungern, auch weil der Zyklon Idai vor gut einem Jahr und eine darauffolgende Dürre für kärgliche Ernten gesorgt haben. Dazu kommt die Corona-Pandemie: Der Anstieg der offiziellen Fallzahlen - derzeit knapp über 3000 - hat sich jüngst beschleunigt.


Menschenrechte und Verbalausfälle

Alex Magaisa sagt zwar, das Entschädigungsabkommen könne ein "interessantes Signal" an den Westen senden. Angesichts der vielen anderen Problemfelder glaubt er jedoch nicht, dass Simbabwe damit die Beziehungen so voranbringen kann wie erhofft: "Wir haben in der Woche des Abkommens auch sehr vulgäre Äußerungen aus den Reihen der Regierungspartei Zanu-PF gehört, der US-Botschafter wurde als 'Gangster' ('thug') bezeichnet und ihm wurde mit der Ausweisung gedroht. Das sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen."


Schon seit längerem verschlechtert sich die Lage für Kritiker und politische Gegner der Zanu-PF: Nach mehr als 60 Entführungen im vergangenen Jahr beklagen Menschenrechtler immer mehr unrechtmäßige Festnahmen aus fadenscheinigen Gründen. Zuletzt wurden auch mehrere Journalisten inhaftiert, seit März wurden zudem mehr als 105.000 Menschen vorübergehend festgenommen, weil sie angeblich gegen Corona-Beschränkungen verstoßen hatten.


Wer soll das bezahlen?

Dabei ist Vertrauen wichtig für die Regierung - sowohl international als auch im eigenen Land. Schließlich muss sich Simbabwe weiter verschulden, um die Landwirte zu kompensieren. "Es wird schwierig, Geldgeber dafür zu finden", sagt Alex Magaisa. "Und wenn sich jemand bereit erklärt, dann zu teuren Bedingungen, die Zinsen werden sehr hoch sein. Das wird teuer und somit problematisch für die simbabwischen Steuerzahler."


Letztendlich sei es unfair, der verarmten Bevölkerung diese Entschädigungen aufzubürden - statt den Günstlingen der Zanu-PF, denen damals funktionierende Farmen mit Saatgut und Nutztieren zugesprochen wurden: "Sie sind diejenigen, die die Entschädigungen an die weißen Farmer zahlen sollten", sagt Magaisa.


Ein zentrales Problem bleibt bestehen

Doch von den Vermögenswerten der Farmen ist heute oft nicht mehr viel übrig: Weil der Grundbesitz ins Eigentum des Staates überging und heutige Farmer ihre Äcker nur noch pachten, fehlen ihnen Sicherheiten, die sie bei den Banken für Kredite hinterlegen können. "Die gesamte Besitzstruktur wurde auf den Kopf gestellt. Das hat das Finanzierungsmodell für die Landwirtschaft beeinflusst", so Magaisa. Inzwischen unterhält die Regierung eine Reihe von Programmen, um die Bauern liquide zu halten - was wiederum die öffentlichen Kassen belastet und Korruption begünstigt.


"Die wahren Probleme sind nicht die Dürren und sonstigen Bedingungen auf den Feldern, sondern wie man das Land am besten nutzt - wie die besten Leute auf das Land kommen und wie die Landwirtschaft finanziert wird", sagt Magaisa. Diese Fragen bleiben 20 Jahre nach Robert Mugabes "Schnellspur-Landreform" weiter ungeklärt.

Zum Original